7. Etappe von Cremona nach Peschiera mit Abstecher nach Saló

Gespannt gehe ich nach dem Aufwachen an das mit einem Vorhang geschlossene Fenster, schiebe ihn ein wenig beiseite, und schaue verzückt den schmalen Schacht nach oben. Ich habe schlimmstenfalls totalen Schnürlregen erwartet. Und was passiert: ich erkenne einen tiefblauen Himmel. Das macht den Gedanken an das Weiterfahren nach der gestrigen Hammeretappe schon leichter. Ich habe recht gut geschlafen und bin einigermaßen frisch erwacht.

Cremona am Morgen des Nationalfeiertags -  strahlender Sonnenschein trotz Dauerregenvorhersage

Cremona am Morgen des Nationalfeiertags – strahlender Sonnenschein trotz Dauerregenvorhersage

Cremona- weitere Eindrücke

Cremona- weitere Eindrücke


Der erste Muskeltest verläuft auch nicht schlecht, wobei mir wie gestern, am linken Bein die rechte Seite unterhalb der Kniekehle schmerzt. Ich hoffe, dass ich trotzdem fahren kann. Aber zuerst gibt es mal ein Frühstück. Ich begebe mich mit dem Aufzug nach unten.

In Gedanken freue ich mich für die gesamte italienische Nation, die sich so herausgeputzt, die Fahnen an die Fenster gehangen hat. Die gestern Abend bei strömendem Regen die Kneipen bevölkert hat. Einen freien Tag vor sich. Nationalfeiertag, am 25. April. Und heute also doch Kaiserwetter, wenngleich es schon sehr kühl ist. Im Übrigen ist das auch mein Namenstag. Wie schön, dass mich schon wieder etwas mit meinem geliebten Italien verbindet.

Das Gebäude zum Nationalfeiertag. Dafür ist die Inschrift erstellt worden

Das Gebäude zum Nationalfeiertag. Dafür ist die Inschrift erstellt worden


Das Frühstück gehört zur üppigeren Sorte hier. Obwohl der Ananassaft sehr seltsam, wenn nicht sogar etwas modrig schmeckt. Ich konzentriere mich danach auf grünen Tee und auf Blutorange aus dem Saftspender, der vier verschiedene Fruchtsäfte zur Auswahl bietet.

Es sind auch andere Gäste in diesem großen und ohne Fenster ausgestattetem Frühstücksraum, der aber bei weitem nicht gefüllt ist. Eine Familie mit zwei halbwüchsigen Kindern sitzt neben mir. Vorne ein Pärchen. Hätte gerne mit dem Mann getauscht. Seine Frau oder Freundin ist mein Typ. Aber da das nicht möglich ist, freue mich für ihn.

Cremona, schon wieder

Cremona, schon wieder


Ich lange ordentlich zu. Schließlich brauche ich Energie für die nächste, nicht unerhebliche Etappe. Obwohl es bis zum Gardasee nicht mehr ganz so weit zu fahren ist. Ich tippe auf 80 oder 90 Kilometer bis Saló bzw. San Felice Del Benaco. Ich gehe davon aus, dass sich dort mein sehr guter Freund Ludoviko im Urlaub befindet.
Spaziergänger im Park

Spaziergänger im Park

Er fährt immer hierher, zweimal im Jahr, wenn es ihm möglich ist und erholt sich dort von seinem Job in der Ruhe der Noch-Nicht-Saison oder Nachsaison am Gardasee in einem gemieteten Häuschen an einem kleinen, aber feinen Campingplatz in San Felice.

Ich lasse mir nach dem Bezahlen an der Rezeption noch den Weg aus der Stadt in Richtung Brescia von der freundlichen Dame erklären, die mir gestern Nacht noch Platzregen für heute vorausgesagt hat.
Die Luft ist kühl, als ich nach draußen fahre. Ja, mit dem Fahrrad aus dem Hotel. Das hat was. Nachdem ich das Gefährt aus seiner Garage in einem Raum beim Foyer herausgeschoben habe. Ich wende mich dem Domplatz zu, von dem laute Blasmusik herüberweht. Es wird schon munter das Ende des Zweiten Weltkrieges gefeiert.

Ich finde gut aus der Stadt, beobachte die blauen Schilder, die Brescia ausweisen. Plötzlich sehe ich ein Fahrradverbotsschild. Nein, hier weiter zu fahren, darauf lasse ich mich nicht ein. Ich beobachte mein eingeschaltetes Navi, das aber insgesamt nur sehr unzuverlässige Dienste erbringt. Vor allem reagiert es allgemein sehr träge. So auch jetzt. Ich schieße nicht nur auf eine Landstraße, sondern, was ein nachträglicher Blick auf das Gerät mir zeigt, auch noch über das Ziel hinaus. Muss wieder umkehren. Biege in die angezeigte Straße ein, bekomme fortan immer wieder die Maßgabe „bitte wenden“. Ich fahre trotzdem weiter, orientiere mich an der Sonne. Warum sie nicht nutzen, wenn sie schon mal scheint.

Es ist zwar schön, aber immer noch bläst ein frischer Wind. Das Ganze unterstreichen die schneebedeckten Alpen, die mit jedem Kilometer näher rücken

Es ist zwar schön, aber immer noch bläst ein frischer Wind. Das Ganze unterstreichen die schneebedeckten Alpen, die mit jedem Kilometer näher rücken


Also nach Norden. Und plötzlich geht es nach links auf eine breitere Landstraße. Und was darf ich lesen? Via Brescia. Perfetto. Ab jetzt fahre ich einfach geradeaus. Ich merke natürlich ein bisschen, dass ich mich von der Poebene zu den Alpen hin bewege. Es geht leicht und stetig bergauf. Auch hier liegen eine Menge tote Tiere am Straßenrand. Die Straße ist oftmals sehr schlecht und immer wieder werden mein ungefedertes Fahrrad und auch ich heftig durchgeschüttelt. Brescia und die aus der Ferne erkennbaren, schneebedeckten Berge rücken immer näher an mich heran.
Kleines Städtchen auf der Strecke

Kleines Städtchen auf der Strecke


Ich bin zufrieden mit dem Tempo. 16 Kilometer vor der Kreisstadt Brescia erkenne ich die braungefärbte Ausschilderung zum Gardasee, der ich sofort folge. Mein Navi will mich irgendwo abgebogen wissen, ich fahre aber weiter nach Desenzano. In der Stadt reihe ich mich in den Stau nach Saló ein. Ein kleiner Nachteil des Dreiradfahrens. Ich kann nicht so locker an Staus vorbeifahren wie mit dem Zweirad. Es geht nur, wenn die Autos sich recht weit links vom Straßenrand halten. Dann ist auch immer wieder mein linker Arm gefragt. Ich winke oft intensiv, weil ich davon ausgehe, dass die Autofahrer selten in den rechten Rückspiegel schauen, weil sie nicht ständig fast am Boden entlang fahrende Trikes neben ihrem Auto vermuten.
Schönheit auf der Fahrt in einem wundervollen Land

Schönheit auf der Fahrt in einem wundervollen Land


Nach Kilometer 80 beginnen heute wieder enorme Schmerzen in den Füßen, insbesondere in den Zehen des rechten Fußes. Keine Ahnung, was da los ist. Ich versuche immer entgegenzuwirken, indem ich ausklicke und meinen Fuß auf die Mittelachse des Rades stelle und nur mit dem linken Bein weitertrete. Das hilft meist schnell und sorgt für Entlastung.
Gegen 15 erreiche ich den Campingplatz. Bin gespannt, ob Ludwig da ist. Er hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass er vorhat, um diese Zeit in Italien zu sein. Ich halte an der Rezeption. Eine schwarzhaarige Italienerin begrüßt mich freundlich mit einem Lächeln, schaut in ihrem Verzeichnis nach, möchte wissen, wer ich bin (sie bittet mich, meinen Namen auf einen roten Zettel zu schreiben). Gut. Ludwig ist auf jeden Fall hier in Italien, mal sehen, ob er gerade auch auf dem Campingplatz ist.
Endlich am Campingplatz meines Freundes in San Felice del Benaco

Endlich am Campingplatz meines Freundes in San Felice del Benaco


Dann lasse ich mich wieder in mein Fahrrad fallen. Und ehe es der jungen Frau gelingt, die Schranke zu heben, bin ich unten durch gefahren. Ich fahre langsam über einen Kiesweg zum Restaurant des Campingplatzes. Steige ab, und wandere den kleinen Berg über einige Steinstufen hinauf, wo ich die Unterkunft Ludwigs vermute.

Mein Freund, der nach einigen Tagen Urlaub schon recht entspannt erscheint

Mein Freund, der nach einigen Tagen Urlaub schon recht entspannt erscheint

Er sitzt gerade, dick eingemummelt, um sich vor dem kalten Wind zu schützen, und mir den Rücken zuwendend, auf dem kleinen Balkon seiner Unterkunft. Als ich ihn gleich anspreche, tut er so, wie wenn er mich bereits gesehen und mich genau jetzt erwartet hat. Ich gehe zu ihm hinüber auf seinen Balkon. Wir begrüßen uns herzlich mit einer Umarmung.
Zuallererst stürze ich mich auf seine Wasser- und Schokoladenvorräte, ehe wir beide uns ins Restaurant hinunter begeben und zusammen Kaffee trinken. Wir ratschen eine Zeitlang und beschließen, nicht zur Pizzeria unserer gemeinsamen Freunde Franco und Michaela nach Saló zu fahren, sondern gleich hier am Platz unser Abendessen einzunehmen.
Der Blick von San Felice aus hinüber zur Hundeschnauze von Manerba

Der Blick von San Felice aus hinüber zur Hundeschnauze von Manerba

Ich möchte endlich meine geliebten Spaghetti aglio e oglio e peperoncino essen. Aber wieder habe ich Pech. Auch hier steht das Gericht nicht auf der Speisekarte. So entscheide mich für eine Pizza Vegetariana, die jedoch geradezu vorzüglich mundet.

Um 19:30 verabschieden wir uns wieder und ich mache mich noch auf den Weg in Richtung Malcesine, so lange es noch hell ist. Vor Desenzano bildet sich ein langer Stau der vielen Italiener, die einen verlängerten Wochenendausflug aus Mailand oder Verona an den Gardasee unternommen haben. Manchmal kann ich ganz gut am rechten Fahrbahnrand daran vorbeifahren. Manchmal bin ich aber auch gezwungen anzuhalten. Sicher noch ein kleiner Nachteil des Liegeradfahrens: man ist näher an den Auspuffen der Autos dran.

Der Blick vom Restaurant des Campingplatzes in San Felice auf den Gardasee.

Der Blick vom Restaurant des Campingplatzes in San Felice auf den Gardasee.


Und der Spaß vergeht mir mehr und mehr, als ich mich plötzlich an einer neu ausgebauten Schnellstraße befinde. Das macht zwar irgendwie das Fahrradfahren auch schneller. Und es wird immer dunkler, und es findet sich keine Ausfahrt so schnell. Zum Glück ist nur auf der Gegenseite so viel Verkehr, dass es sich auch dort staut. Schließlich kommt doch die Ausfahrt nach Peschiera. Ich bin erleichtert, weil mich die letzten Minuten doch recht gestresst hatten. Zwar habe ich während einer kleinen Pause in Desenzano meine mitgebrachte Stirnlampe an meinem Kopf angebracht, um besser gesehen zu werden. Aber das war nur eine kleine Hilfe. Selbst sehen konnte ich praktisch nichts, und das bei sehr rasanter Fahrt bei nun mehr vollständiger Dunkelheit.

Das erste Hotel in Peschiera erscheint nach ein paar Minuten. Ich biege sofort auf den Hof und nehme mir dort ein Zimmer mit Frühstück. Das funktioniert wirklich reibungslos. Gegessen habe ich ja schon am frühen Abend mit Ludwig. So setze ich mich noch in den Frühstücksraum und genieße noch ein Abend-Bier.

Die Statistik:
Strecke: 117,61 Kilometer
Fahrzeit netto: 05:15:26 Stunden
Brutto: von 11:10 h bis ca. 21:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,37 kmh
Höhenmeter: 567 m

Dieser Beitrag wurde unter Radreise April 2016_Bodensee - Schweiz - Italien - Bozen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.