Tja, die Tage sind vergangen, ohne dass in puncto Zielfindung Entscheidendes passiert wäre. Heute ist Freitagabend. Ich bin um 20:15 Uhr von Arbeit und Besorgungen nach Hause gekommen. Gepackt oder gut vorbereitet auf unseren Trip bin ich bei weitem noch nicht.
Oldo hat sich für ca. 21:00 Uhr angekündigt. Ich bin schon gespannt, wie er drauf ist. Konnte er sein Gewicht halten? So wie ich. Letztes Jahr hatte ich mir vorgenommen, dass ich auf jeden Fall wesentlich leichter in die neue Radtour starten werde. Ohne Stolz kann ich jedoch von mir behaupten, dass ich es geschafft habe, nicht schwerer als im zurückliegenden Jahr die Reise beginnen zu können.
So ich muss mich beeilen. Unter die Dusche, wenigstens noch ein paar Dinge zusammenräumen, den kleinen Rucksack mit dem zwei Liter fassenden Trinkbehälter aus dem Keller holen, einige wichtige Utensilien, die ich auf keinen Fall vergessen möchte, schon einmal auf dem Wohnzimmertisch drapiert.
Dabei fällt mir ein: Mensch, wir wissen immer noch nicht, wo wir hin radeln wollen. Ich bin im Stress. Gerade stehe ich splitterfasernackt am Fenster meines Bades, nachdem ich mich rasiert habe, da sehe ich ein Auto aus dem Fenster mit tschechischem Kennzeichen vorbeifahren. Ja, das ist der graue Ford von Oldrích. Ich bin mir recht sicher, die Haustüre unten offen gelassen zu haben, und steige einigermaßen beruhigt unter die lauwarmen Wasserstrahlen meiner Brause. Oldo kennt sich aus. Er wird nicht mal klingeln. So war es auch. Als ich aus der Dusche komme, begrüßen wir uns herzlich, setzen uns auf den Balkon und lassen die letzten Monate seit meinem Geburtstagsfest, als er auch bei mir war, Revue passieren.
Es dauert bestimmt bis 23:00 h, ehe ich dazu komme, meine Sachen weiter zu sortieren, weil Oldo sich nun müde in sein Schlafgemach zurückzieht.
Es wird eine kurze Nacht für mich. Ich ordne noch meinen Bürokram, suche weiterhin Sachen für die Reise zusammen, wasche Wäsche, nehme trockene vom Ständer. Um 2 Uhr falle ich ins Bett. Morgen möchte Krisch gegen 10:30 Uhr bei mir sein.
Um acht stehe ich wieder stramm, fahre nach Dachau zum Friseur, gebe ein paar Briefe bei der Post ab, und beeile mich, um halb elf wieder daheim zu sein, während Oldo am Vormittag bereits mit dem Fahrrad unterwegs ist und eine letzte Trainingseinheit vollzieht.
Kein Krisch ist zu sehen. Oldo gerade von seiner spontanen Radtour zurück. Ich lasse mich nicht hetzen und setze meine Vorbereitungen weiter um.
Zum Glück taucht Krisch erst gegen 11:30 Uhr auf. Er war gestern noch auf einem Fest und erst sehr spät ins Bett gekommen. Ich bin froh. Jetzt sitzen wir zu dritt in meinem Wohnzimmer und die Frage nach unserer Reiseroute nimmt langsam aber kontinuierlich Fahrt auf. Wie ich erwartet habe, steigt Krisch wieder auf das Loire-Thema ein. Nach einigen Minuten einigen wir uns aber dann doch auf Italien. Wir wollen bis Marotta fahren, wo Krisch den ehemaligen Oberkellner der Dachauer Pizzeria Amalfi, Roberto, gut kennt, der seit längerem ein kleines Hotel an der Adriaküste führt.
Nachdem meine beiden Freunde mein neues Velomobil eingehend betrachtet und gewürdigt haben, geht es dann endlich um 12:30 Uhr los in Richtung Süden.
Es ist wahrscheinlich Ferienbeginn in verschiedenen Ländern und Bundesländern, und schon bald stellen wir fest, dass es möglicherweise bis Marotta heute Abend nicht mehr reichen wird. Einige Staus schon in Deutschland und nach dem Brenner verzögern unsere Anreise beträchtlich. Irgendwann löst mich Chris am Steuer ab, weil ich übermüdet bin und fährt uns sicher in eine Stadt, von der ich seit 50 Jahren voller Stolz behauptet habe, nie dort gewesen zu sein. Die Stadt heißt Rimini.
Aber alles hat eben ein Ende und heute bin ich so weit, sagen zu dürfen, dass meine Kenntnisse über die italienische Adriaküste sich beginnen, enorm zu erweitern.
Wir finden schnell das Hotel Bikini toll, in dem wir zwei kleine Zimmer beziehen. Das Personal an der Rezeption ist freundlich, hilfsbereit und geradezu witzig. Der nette Herr, der sich Meiner beim hilfesuchenden Eintritt ins Foyer gleich angenommen hatte, sagt mir beim Einchecken, dass er Schwierigkeiten hätte, mein Passfoto mir ähneln zu sehen. Meine Freunde schlagen auf meine Nachfrage in die gleiche Kerbe. Nein. Ich hätte mich wirklich verändert. Mehr wollen sie dazu nicht sagen.
Nachdem sich Christian geduscht hat, marschieren wir entlang der Strandpromenade und suchen uns ein Restaurant zum Essen. Wir werden schnell fündig und verspeisen Salate, Pizza und trinken genussvoll ein Bier.
Die gemeinsame Reise macht sich gut an, denn wir beginnen schon bald über unsere Äußerungen zu den verschiedensten Themen herzhaft zu lachen. Das, was ich das ganze Jahr über vermisse und auf das ich mich am meisten freue, wenn ich an unsere Radreise denke.
Morgen, so beschließen wir, machen wir uns auf zu Roberto, wo wir das Auto stehen lassen wollen. Noch ein gemeinsames Mittagessen. Und dann soll es losgehen. Dann werden die Drahtesel gesattelt auf unserem weiten Weg nach Süden.