Zuallererst möchte ich mich bei euch allen entschuldigen, die schon auf die Blogbeiträge warten. Aber ich habe leider trotz großmundiger Versprechungen unserer Hotelbetreiber bis heute Abend kein Netz erhalten, und konnte somit keinen Beitrag für euch einstellen. Ich hoffe, dass es in den nächsten Tagen besser wird und ich wenigsten spätestens alle zwei Tage einen neuen Eintrag online stellen kann. Jetzt geht’s also los mit der ersten Etappe:
Das Aufwachen in Velhartice ist großartig. So ist das halt, wenn man bei Freunden ist. In diesem Fall bei Oldo, der zum ersten Mal bei unserer alljährlichen Radreise mit dabei ist. Ich möchte ihn euch ein wenig vorstellen. Ich kenne ihn seit 1986, als er damals als junger Mann aus der CSSR ausreisen durfte, um an einem antifaschistischen Workcamp in Dachau teilzunehmen. Die Gruppe nannte sich SCI (Service Civil International). Ich arbeitete damals als Teamer in der Internationalen Jugendbegegnung in Dachau. Unser Ziel war damals, ein Haus in Dachau zu schaffen, in dem Jugendliche aus der ganzen Welt und das ganze Jahr über zusammen kommen können, um über die Kulturen hinweg Kontakt knüpfen, miteinander feiern und vor allem, um sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen zu können.
Es war übrigens der Ort und die Zeit, an dem der mittlerweile sehr bekannte Ex-Häftling von Auschwitz und Dachau Max Mannheimer zum ersten Mal seine Geschichte der Öffentlichkeit erzählte. Oldo und ich waren an diesem Tag in einem Zelt vis á vis vom Hallenbad Dachau dabei.
Unsere Freundschaft entstand damals natürlich beim Feiern am Abend und hielt über viele Jahre auch von vielen Unterbrechungen gezeichnet, bis zum heutigen Tag.
Aber ihr werdet ihn natürlich auch noch sehen. Ich muss allerdings sagen, dass seine Waden nicht im Mindesten mit denen von Christian mithalten können. Diese haben sich kaum verändert aber ich erspare mi in diesem Blog ein Foto von ihnen. Der interessierte Leser kann einfach in einem älteren Blog mal nachschlagen und dort ein Foto von den gigantischen Waden Krischans zu finden.
Oldo macht uns während des Frühstücks damit vertraut, dass er die Tour innerhalb Tschechiens in fünf Etappen bereits vorbereitet hat. Allerdings sei er selbst noch nie in Polen gewesen und hat uns im Vorfeld uns gebeten, Karten aus diesem Land mit auf die Reise zu nehmen.
Das ist schön und nie gekannt. Denn Christian und ich fahren einfach immer darauf los und schauen, was passiert. Jetzt können wir uns quasi mal fallenlassen und uns auf einen entspannten Abend ohne aufreibende Suche nach Unterkunft freuen.
Das Aufwachen ist schon deshalb toll, weil ein komplettes Frühstück auf dem Tisch steht, mit den Zugaben von Oldos Mama, die uns eine Art Stollen gebacken hat, der zwar ein bisschen nach Weihnachten schmeckt. Aber bei dieser Hitze gibt es ja nichts Schöneres als sich wie ein Kind am 23.12. schon jetzt auf die 18 Grad am 24. Dezember zu freuen, die uns erlauben, den Hl. Abend im Garten am Grill zu verbringen.
Aber jetzt zu unserer Tour: es geht endlich los und wir fahren entlang dem Fluss Ostruzna (lies: ostruschna), was auf Tschechisch so viel heißt wie „Brombeere“. Für Grammatikfanatiker: ta ostruzna = die Brombeere.
Es geht fast nur bergab, und wenn die ersten 30 Kilometer einen Eindruck auf die Landschaft Tschechiens allgemein vermitteln, dann freue ich mich sehr auf mehr. Es ist schattig, denn wir fahren durch Wälder, die uns Schatten spenden und die Ostruzna die Kühle.
Nachdem wir uns die Streichholzstadt Susice (=Schüttenhofen) angesehen haben, die wunderschön ist und sich seit meinem letzten Besuch vor über 20 Jahren extrem zum Positiven verändert hat, geht es nun ab jetzt extrem bergauf. Es ist heiß. Ich fahre vorsichtig und möchte mein Pulver nicht schon am ersten Anstieg verschießen.
Die Landschaft ist toll und ich fahre meinen beiden Freunden hinterher. Plötzlich höre ich Rinder laut muhen. Schmunzelnd stelle ich fest, dass Christian und Oldo mit den Kühen auf der angrenzenden Weide in rege Kommunikation treten. Später auch noch an einer Wiese, auf der Schafe wild mit den beiden mehrsprachigen Freunden um die Wette blöken.
Unsere Bemühungen werden belohnt. Am Ende des Anstieges von ca. 3 Kilometern erreichen wir ein Bergdorf mit schöner alter Kirche Wir steigen erschöpft ab. Krischan geht sofort an eine Mauer und schlägt Wasser ab. Auf die Anmerkung von mir und Oldo, dass wir nie auf die Idee kämen und zu pinkeln, meint Krischan lediglich lapidar: „ich habe auch nicht geschwitzt“. Dabei zieht er sich eines seiner drei T-Shirts aus und ich bin ehrlich erschüttert, weil ich fast glauben muss, was er sagt. Wir lachen uns natürlich tot, denn bei 40 Grad und 150 Höhenmetern ist Nichtschwitzen physikalisch unmöglich.
Wir kämpfen uns weiter bei tropischen Temperaturen. Der Wasserverbrauch ist hoch. Ich bin froh um die Wasserblase, die in einem schicken grünen Rucksack untergebracht ist. Ich habe sie mir jurz vor dem Urlaub gekauft und sie jungfräulich mit auf die Reise genommen. Natürlich sind zwei Liter Wasser auf dem Rücken gewichtsmäßig keine Kleinigkeit. Aber ich bin froh, denn ich kann mit Hilfe eines Schlauches, den ich zum Mund führen kann, jederzeit trinken. So gelingt es mir, nicht am Ende eines Anstieges vor lauter Durst gierig einen Liter Flüssigkeit auf einmal mir einzuflößen, sondern bin fortwährend gut versorgt.
Es geht über 150 Höhenmeter nach oben auf den ersten Kilometern, und bekomme einen ersten Eindruck, was auf dieser Reise auf uns zukommt, wenn die Hitze anhält. Aber ich halte meinen Rhythmus mit einem mir einigermaßen angenehmen Tempo, auch wenn ich den beiden immer ein bisschen hinterher fahre.
Unser Ziel für den heutigen Tag ist Budweis. Unser Freund Oldo hat die Tour durch Tschechien minutiös durchgeplan,t wie mir scheint. Er zeigte uns schon am Morgen die fünf Tagesetappen, die uns an die polnische Grenze führen.
Es ist schön und nach zehn Jahren zum ersten Mal ein völlig neues Gefühl, sich vertrauensvoll in die Führung eines Freundes zu begeben mit dem Wissen, dass gut für uns gesorgt ist. Und schon nach wenig Fahrzeit stellt sich heraus, dass auch die die Tagesetappen zum Glück 120 Kilometer nicht überschreiten. In Anbetracht der wahnsinnigen Hitze eine weise Entscheidung von Oldo.
So kämpfen wir uns weiter und erreichen die Stadt Susice, die sich auf deutsch Schüttenhofen nennt. Ich war einmal in meinem Leben hier und bin überrascht, wie sich diese Gemeinde herausgeputzt hat. Oldo erklärt uns, dass sich hier das Zentrum der Streichholzindustrie befunden hat. Nun wäre natürlich die Produktion nach China verlegt, aber immerhin gibt es für die Touristen ein Streichholzmuseum, das wir allerdings nicht besuchen, sondern weiterreisen.
So geht es weiter bis nach Budweis (Ceske Budjuvice). Die Altstadt fasziniert uns auf Anhieb. Lauter schöne Häuser, alt sicherlich, aber in vielen fröhlichen Farben seit der Wende herausgeputzt. Wir ziehen es allerdings vor uns gleich zum gebuchten „Hotel“ zu bewegen, um unsere müden Knochen auszuschütteln und lau zu duschen.
Das Zimmer in einem netten Pub ist schon gebucht. Wir schieben unsere Fahrräder durch einen10 Meter langen Gang am Tresen entlang, er so schmal ist, dass wir nicht nur die Bedienungen bei der Arbeit stören, sondern ich auch meine Satteltaschen abnehmen. muss, um überhaupt durch zu kommen in Richtung Biergarte im Rückgebäude, wo wir unsere Räder parken können. Wir machen uns nach der obligatorischen Dusche auf den Weg in die Altstadt machen um Hunger und Durst zu stillen. Wir treffen uns auch mit dem Sohn von Oldo, ein netter junger Mann namens Martin in Begleitung seiner Freundin Adela. Ich habe Martin das letzte Mal zu Hause bei mir gesehen, als Oldo mich besuchte. Martin war damals sechs Jahre alt. Heute betätigt er sich als Künstleragent und Philosoph in Budweis und verdient sich sein Geld als Freischaffender im Callcenter.
Es gibt für mich einen griechischen Salat mit Knoblauchbrot. Meine Freunde essen Fleisch. Der Wein – angeblich ein Müller-Thurgau – schmeckt dermaßen schlecht, dass mir schon beim ersten Schluck klar ist, dass wir uns in ja in einer berühmten Bierstadt befinden. Ich bestelle dann doch noch ein Bier zum Nachspülen. Leider kein Budvar, aber trotzdem ein schmackhaftes Dunkel.
Gegen 23:30 Uhr begeben wir uns rechtschaffen müde in unsere Unterkunft. Der Weg zum ersten Stock ist gepflastert von Bierfässern und einem steilen Anstieg. Aber endlich sind wir oben und fallen in den wohlverdienten Schlaf.