2. Etappe: von Trelleborg (S) nach Kristianstad am 29.07.2011

Die Huckleberry Finn legt pünktlich um sechs Uhr morgens in Trelleborg an. Ich fühle mich seltsam: erstens total gerädert von einer durchwachten Nacht. Lediglich zwischen vier Uhr und 5:30 Uhr konnte ich ein wenig wegtreten. Aber dann ist das Restaurant schon wieder voll mit den frühstückenden Passagieren und der Lärmpegel hoch.

"unser Schiff" - die Huckleberry Finn hat uns sicher über  Nacht nach Schweden gebracht

„unser Schiff“ – die Huckleberry Finn hat uns sicher über Nacht nach Schweden gebracht

Als ich meine Augen aufschlage, sehe ich Krischan schon frühstücken. Er wirkt zufrieden, ja fast ausgeschlafen. Wir raffen unsere Siebensachen zusammen und bewegen uns in den Schiffsbauch, um unseren Fahrrädern einen Guten Morgen zu wünschen. Jetzt geht es raus und in die Stadt Trelleborg hinein. Schon auf den ersten Metern in der Stadt staune ich Bauklötze, als wir an der Hauptstraße entlangfahren und diese mit hohen Palmen gesäumt ist.

Palmen in Trelleborg im Norden Europas??? Das war an diesem kühlen Morgen nicht zu erwarten

Palmen in Trelleborg im Norden Europas??? Das war an diesem kühlen Morgen nicht zu erwarten

Ich muss auch zugeben: obwohl es total bedeckt ist und so früh am Tage, sind die Temperaturen recht angenehm. Mein Fahrradcomputer zeigt mir 18 Grad und ich vertraue ihm, weil ich es auch so fühle. An einer Tankstelle wollen wir eine Landkarte kaufen, bekommen aber eine perfekte, super faltbare Karte geschenkt. Die mahnt uns, den Weg nach Ystad zu nehmen, wenn wir bei unserem Schwedenziel, der Hauptstadt Stockholm, bleiben wollen.

Immer den Hinweisschildern nach!

Immer den Hinweisschildern nach!


Die Radwege sind hervorragend ausgeschildert und wir cruisen bei flachem Landschaftsbild zunächst an der Küste entlang. Manchmal tröpfelt es ein wenig. Aber es ist angenehm zu fahren und ich fühle mich erstaunlich frisch, trotz des wenigen Schlafes der vergangenen zwei Tage.
Die ersten Eindrücke von Schweden.

Die ersten Eindrücke von Schweden.


Die Landschaft berührt uns. Sie erinnert schon auch ein bisschen an Deutschland. Grüne Wiesen grenzen an die Strände der Ostsee, auch viele Bäume stehen in Küstennähe. Alles ist sehr sauber und gepflegt. Ich bin auch der Überzeugung, dass es immer ein Missverständnis gibt bei der Bezeichnung der Ostsee. Ich würde sagen, es nicht DIE Ostsee, sondern es handelt sich hierbei um das größte kontinentale Gewässer, DEM Ostsee. So ruhig liegt er drin der Lago. Aber wahrscheinlich müsste ich mal das Wasser kosten, um die Kennzeichnung der Ostsee als Meer akzeptieren zu können.

Was auffällt: die Ruhe. Schon in Trelleborg geht es gemütlich zu, aber außerhalb der Stadt kehrt eine wohltuende, Entspannung bietende Atmosphäre ein. Kaum Autos, kaum Menschen, ab und zu die eine oder andere Frau, die den Hund am frühen Morgen spazieren führt. Ich empfinde jenseits der Alltagshektik ein wundervolles Urlaubsgefühl.

Eigentlich sind wir zunächst auch begeistert vom Wetter. Es verursacht nur wenig Durst und lässt uns gut vorankommen, weil der Wind, da wir uns Richtung Osten bewegen, von hinten bläst. Leider soll sich das alles sehr schnell ändern.

Wundervolle Gebäude und romantischer Landschaft - oder umgekehrt?

Wundervolle Gebäude und romantischer Landschaft – oder umgekehrt?

Bald erreichen wir Ystad und schlagen den Weg über Tomelilla in Richtung Kristianstad ein. Hier hat der Spaß auch mal sein vorläufiges Ende. Plötzlich fängt es an zu gießen. Die an uns vorbeifahrenden Autos und vor allem die LKWs tun ein Übriges, dass wir nicht nur von oben, sondern auch von unten ganz schnell nass werden.

Irgendwann hört es wieder auf zu regnen. Christian ist ein wenig angenervt vom Verkehr auf der Hauptstraße und wir folgen also einer Ausschilderung für Radfahrer nach Tomelilla. Dieser Weg führt uns direkt in die schwedischen Wälder, und in mir keimt der prickelnde Gedanke auf, dass mir in Kürze der erste Elch meines Lebens in Naturgröße begegnen wird.Mitten immückendurchseuchten Wald

Was aber kommt, ist die erste Panne auf dieser Reise. Bei einem kurzen Waldanstieg, verliert Krischan seine Kette. Während er sein Rad umdreht und versucht, die Antriebseinheit wieder zu montieren, mache ich die prickelnde Bekanntschaft mit den schwedischen Mücken, die meine Beine nach kürzester Zeit so traktiert haben, dass ich mich nur noch in gebückter, kratzender Haltung bewege, und Krischan inständig bitte sich zu beeilen. Endlich geht es weiter, wir erreichen einen seltsamen Hof mit superschönen alten Gebäuden, fast burgähnlich. Dann geht es steil bergauf und wir befinden uns nach unserem Umweg wieder auf der gleichen Straße die wir vor ein paar Kilometer zuvor verlassen haben.

Der Hunger lässt uns beschließen, gegen 11 Uhr einen Halt zu machen. Wir erreichen alsbald ein kleines Dorf. Linker Hand befindet sich ein Kiosk direkt an der Straße. Da sich hier ein paar Männer aufhalten, steuern wir den Kiosk direkt an. Es war eine gute Entscheidung. Denn der „kiosken ár óppen“ (über „a“ und „o“ gehört natürlich ein Kringel und kein Acent, aber den finde ich nicht auf meiner Tastatur), was so viel bedeutet wie, „ der Kiosk ist geöffnet“.

Ich habe nämlich zudem die Ehre, endlich den in aller Munde seienden „Alten Schweden“ kennenlernen zu dürfen. Im Übrigen ein sehr freundlicher und hilfsbereiter Mensch. Zum Essen, meint er, seien wir noch zu früh dran. Das gebe es erst ab 11 Uhr. Ein Blick auf die Uhr überrascht uns, denn es ist bereits zehn Minuten nach Elf.  Was wir denn essen wollten, fragt er uns. Wir fragen ihn, was er zu bieten hätte. Eine schwedische Wurst meint er, aber da wir Deutsche wären, würde er sie uns nicht empfehlen. So macht er auch keine Anstalten, den Ofen anzuheizen. Wir meinen: so kommt Schweden nicht aus der Krise.

Trotzdem wendet er sich uns in perfektem Deutsch zu. Auf Nachfrage erzählt er uns, dass er 16 Jahre in Deutschland, in Frankfurt gelebt hätte. Auch München kenne er, habe Freunde dort. Auf unserer Karte erklärt er uns den besten Weg, um Kristianstadt elegant zu umfahren, damit wir uns schneller Richtung Stockholm bewegen könnten.

Christian fährt nun schon los und ich ratsche noch ein wenig mit diesem außerordentlich netten Zeitgenossen. Ich frage ihn nach seiner Emailadresse, damit er meinen Blog über unsere Reise lesen könne. Schließlich kommt er ja auch darin vor. Er rennt los und schreibt sie mir auf. Dann mache ich mich auf den Weg, Christian einzuholen, was fast eine Stunde dauert. Der Regen wird mit kurzen zwischenzeitlichen Unterbrechungen immer heftiger und damit lästiger. Wir erreichen Àhus, ein pittoreskes Städtchen und beschließen, hier Mittag zu machen.

Pittoreskes Ahus bei Regen.

Pittoreskes Ahus bei Regen.

Es gibt Büffet im örtlichen Hotel zum Preis von 125 schwedischen Kronen, umgerechnet also ca. 13,- €. Selbst die Getränke sind incl. Es regnet mittlerweile so stark, dass alles vollkommen durchnässt ist, als wir dort ankommen. Mir ist es schon fast peinlich mit meinen durchweichten Gamaschen die heiligen, mit Holzboden ausgelegten Hallen des Restaurants zu durchwatscheln. Aber niemand stört sich an uns.

Nach dem Essen kriecht eine schrecklich Müdigkeit in mir hoch und ich habe keine Lust mehr in den strömenden Regen hinaus zu treten. Wir überlegen auch, ob wir hier schon nach einem Zimmer fragen. Aber entscheiden uns doch weiter zu fahren. Nach einer kurzen Fotoserie im Ort geht es weiter. Der Regen nimmt zu. Wir nehmen uns vor noch ca. bis 18 oder 19 Uhr zu fahren und Karlshamn näher zu kommen. Aber schon gegen 16 Uhr 30, nach ca. halbstündiger Fahrt im strömenden Regen höre ich einen Fluchschrei hinter mir. Es ist Christian. Ich drehe bei und frage ihn, was los sei. Ihm ist die Kette gerissen. Aber ich solle ihm eine halbe Stunde geben, dann wäre er wieder startklar.

Der außerirdische Velo-Doktor

Der außerirdische Velo-Doktor

Wäre dies ein Tag mit Sonnenschein, ca. 28 Grad und einem schwachen westlichen Windhauch, ich hätte ihm alle Zeit der Welt gegeben. So stehe ich, vollkommen durchnässt und ausgefroren durch den sehr kalt auf meiner Haut spürbaren Wind, wie ein begossener Pudel in der Landschaft. Ich habe keine Ahnung von Radltechnik und reiche Christian mal die Zange, mal den Tupfer.

Nach einiger Zeit hat er die neue Kette montiert, kann aber nicht mehr schalten. Wir entscheiden uns, trotzdem so weiterzufahren, anstatt weiter zu versuchen das Fahrrad im strömenden Regen wieder flott zu machen.

Zwangspausen im strömenden Regen machen richtig Laune.

Zwangspausen im strömenden Regen machen richtig Laune.

Das Wetter zermürbt uns. An einer Bushaltestelle in einem kleinen Ort suchen wir Unterschlupf, weil wir die Orientierung nach Karlshamn verloren haben. Plötzlich kommt ein langhaariger, mittelalterlicher Schwede auf uns zu. Der freundliche Wikinger erklärt uns aus jahrhunderte alter Tradition, dass wir im Juli nichts anderes mehr als Regen in Schweden zu erwarten haben.

Das zieht uns den letzten Zahn an Zuversicht für den heutigen Tag. Wir einigen uns darauf, dass wir uns umgehend nach Kristianstadt begeben, und so zügig wie möglich in einem Hotel einchecken.

Die Stadt ist schöner als wir sie erwartet haben und sie der Alte Schwede auf unsere Nachfrage hin am Nachmittag am Kiosken beschrieben hat. Die Tourist-Info schickt uns allerdings wieder etwas nach außerhalb. Aber Anna´s House entschädigt uns für die vergangenen Strapazen. In fast villenähnlicher Schönheit hebt sich dieses Bauwerk aus den es Umgebenden heraus. Ein langgestreckter, einstöckiger Bau im Villenstil und gelb-weiß gestrichen. Anna und ihr Mann gehen sehr fürsorglich mit uns um, und stellen den Keller des Hauses für unsere Fahrräder zu Verfügung.

Nachdem ich meine durchnässten Klamotten abgestreift und eine heiße Dusche zu mir genommen habe, ist Krischan schon im Keller verschwunden. Ich sehe ihn den ganzen Abend nicht mehr. Er versucht sich komplette drei Stunden daran, sein Fahrrad wieder tourtauglich zu machen.

Gegen 22:15 Uhr sitzen wir aber dann doch in einem netten Restaurant und essen mit großem Appetit einen Salat mit Putenstreifen.

Um 23:30 Uhr bin ich Bett und auch schon eingeschlafen.

 

Für die Statistik:

Die Route: Trelleborg/ Ystadt/ Tomelilla/ Àhus/ Kristianstadt

149,43 Kilometer

07:29:26 h Reine Fahrzeit

19,94 Km/h Durchschnittsgeschwindigkeit

553 Höhenmeter

153 m Höchste Erhebung

 

 

 

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