Prolog

Nach einer anstrengenden Arbeitswoche, so ist es ausgemacht, holt mich mein Freund Christian mit dem Auto an meiner Arbeitsstelle in Dachau ab. Er hat vor einigen Jahren einen kleinen, spartanisch ausgestatteten, aber zuverlässigen, fast lilafarbenen Kastenwagen aus den Tiefen der rumänischen Wälder erstanden. Dieses Auto trägt ihn seither in alle Staaten, in denen er seinem Hobby frönen kann: dem Fotografieren.

Dabei faszinieren ihn besonders die Reminiszenzen der kommunistischen Baukunst. Und so fährt er jedes Jahr ein anderes Gebiet ab. Nach unserer Radreise wird er den Balkan bereisen bis hinüber nach Istanbul.

Wer Interesse an Fotografien und Kalendern aus diesen Schaffenszeiten hat, der möge sich bei mir melden. Ich vermittle dann gerne weiter an meinen Freund.

Ich merke schon in meinem Büro, dass ich kaum schaffe, bis zum vereinbarten Zeitpunkt um halb Drei parat zu sein. Da kommt Stress auf, ich wollte ja auch noch einen Helm kaufen bei meinem Freund Mark bei JAKOs Fahrradladen.

Der Laden meines Freundes Mark Jantjes in Dachau (JAKO). Minuten vor Reiseantritt werde ich noch mit einem guten Fahrradhelm ausgestattet.

Also dirigiere ich Christian um in die Münchner Straße in Dachau, wo ich es schaffe, nach kurzem und fieberhaften Zusammenpacken meiner Reiseutensilien, dann doch pünktlich zu sein.

Mark versieht mir mit einem futuristisch anmutenden Helm, der sogar eine Blinker-Funktion besitzt. Das ist mir grade egal. Hauptsache, er ist hochwertig in seiner Schutzfunktion. Dazu entscheide ich mich für eine gutsichtbare, knallgelbe Ausführung.

Dann noch schnell in mein Lieblingscafé gleich neben dem Radl-Laden. Ein bisschen Proviant für die Fahrt nach Tschechien.

Wir wollen uns am frühen Abend mit unserem Freund Oldo in Eger (Cheb) an der Eger treffen. Er für uns dort schon eine Übernachtungsmöglichkeit klargemacht. Wir haben uns ein paar Tage freigenommen und wollen an der Eger entlang – fast vom Ursprung – nach Litomerice radeln, wo die Eger in die Elbe mündet. Das sind wohl um die 300 Km. Wir haben bis kommenden Mittwoch Zeit.

In Dachau ist es zum Zeitpunkt unseres Aufbruches gegen 15:30 Uhr wieder sehr warm geworden nach Tagen des Regens und auch Kälte. Aber es tummeln sich immer noch viele Wolken am Himmel, obwohl sich die Sonne durchgesetzt hat.

….. werde ich nach Hause schreiben an meinen Schatz!

Ich bin froh, dass ich nicht fahren muss. Nachdem ich im vergangenen Jahr von meiner Heimat, dem Landkreis Dachau in die Nähe von Kufstein weggezogen bin, arbeite ich im wöchentlichen Wechselmodus in Dachau, was ich dort recht anstrengend empfinde. Auch diese Woche habe ich in Dachau verbracht und bin rechtschaffen müde.

Während der ganzen Autofahrt bleibt das Wetter gut und wir kommen um 19:15 Uhr recht entspannt in Cheb an. An der Grenze von Bayern nach Tschechien hat uns nicht ein einziger Mensch aufgehalten, was ich als extrem wohltuend empfunden habe. Gerade auch nach den immer wieder warnenden Infos meiner Regierung. Oldo ist schon da. Er hat uns eine kleine Ferienwohnung gemietet, die etwas oberhalb der Stadt gelegen ist.

Unser Freund aus Prag in schon bester Laune, hat für uns die Ferienwohnung für die erste Nacht klargemacht.

Seit unserer letzten Radreise, wo wir uns im Norden Deutschlands in Glückstadt getroffen hatten, und von dort aus fünf Tage Sternfahrten unternommen hatten, haben wir uns nicht mehr gesehen.

Es ist ein wundervolles Wiedersehen, alle freuen sich, dass es trotz der weltweit schwierigen Lage auch in diesem Sommer geklappt hat, unsere alljährliche Radreise nicht nur zu planen, sondern in die Tat umzusetzen.

Alle meine Freunde, die sich meinen Reisebericht zu Gemüte führen, möchte ich um Verständnis dafür bitte, dass der eine oder andere Text nicht auf höchstem Niveau geschrieben und auch die Bilder nicht den besten Qualitätsstandards entsprechen. Die Texte sind zumeist nachts zwischen zwölf und ein Uhr entstanden, während meine Freunde zufrieden vor sich hin schnorchelten.

Die Ereignisse des letzten Jahres werden ausführlich in unserer Dachgeschoss-Wohnung erörtert.

Viele Bilder habe ich direkt während der Fahrt vom Fahrrad aus gemacht. Ich konnte da nicht auf Licht und Schatten, Einstellungen bez. Geschwindigkeit und/oder Lichtverhältnisse achten. Trotzdem hoffe ich, dass die Fotos Eindrücke unserer Reise authentisch vermitteln und hoffentlich auch viele witzige und lustige Aspekte zeigen.

Viel Spaß also mit meinen Reisegeschichten.

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Vorbereitungen

Endlich ist es wieder soweit: die alljährliche Radreise steht an. Trotz der C-Krise auch schon im vergangenen Jahr konnten wir ein paar Tage im hohen Norden verbringen. Unser Ausgangspunkt war damals Glückstadt. Von dort machten wir sternförmig jeden Tag Ausflüge ans Meer, nach Lübeck, nach Hamburg. Wichtig war uns, dass aufgrund der traurigen weltpolitischen Entwicklungen wir mit unserem Ausgangspunkt das Glück herausfordern wollten. Es war ein schönes Treffen, das wir sehr genossen haben, auch wenn die Tour klein und übersichtlich war. Unser Freund Christian fuhr nur die kleinen Etappen mit, die großen bewältigten Oldo und ich wie zum Beispiel nach Lübeck über 105 Kilometer. Zurück haben wir beide den Zug genommen, um den Abend wieder mit Christian im Garten unserer Ferienwohnung verbringen zu können. Veröffentlicht habe ich vergangenes Jahr zu unserer Reise nichts.

Im Nachhinein bedeutet Glück auch, dass wir heute in 2021 hoffnungsfroh wieder eine Reise planen dürfen. Wir wollen ins Heimatland unseres Freundes Oldo nach Tschechien bzw. Böhmen. Und hoffen damit, auch unbeschadet über die Grenze kommen. Das gelingt ja angeblich nur mit den drei Gs. Mal schauen, was da alles passiert.

Viele Unwägbarkeiten machen das Glück nicht vollkommen, aber zumindest sieht es jetzt, zwei Tage vor Reisestart – doch ganz gut aus. Die Regierungen dieser Welt und die Deutsche allen voran, machen uns das Leben schwer, indem sie mit tagtäglichen Änderungen aufwarten bezüglich der gesetzlichen Lage, der Möglichkeiten und vor allem der Unmöglichkeiten, den Alltag und auch besondere Planungen der Bevölkerung durch ihre für mich zumindest manchmal skurrilen Maßnahmen zu beeinflussen.

Die Rote Linie überschreiten und dann genießen. Das bedeutet Freiheit und Leben.

Die Welt hat sich verändert. Ein unglaublicher Wandel kündigt sich an, und entgegen allen Unkenrufen zum Trotz und entgegen allen Hoffnungen auf die Rückkehr der Normalität sehe ich uns erst am Anfang von Veränderungen, an deren Ende wir sagen werden: „kein Stein ist auf dem anderen geblieben“. Und ich bin überzeugt davon, dass wir nach einem Atemzug der Stille und der Besinnung anfügen werden: „Zum Glück“.

Ich verweise auf meine Artikel in der Ost-Post in den Ausgaben 2/19 bis 2/21, in denen ich in „Roths Gedanken“ hierzu ausführlich Stellung beziehen durfte Hier die Links zu den Artikeln:

Hier geht´s zu meinem Artikel: in der Ost-Post einfach auf Seite 2 gehen
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Ich freue mich, wenn ihr die Seiten anklickt und danke euch fürs Lesen und gerne auch für eine Kritik, Resonanz und die Diskussion.

Was unsere bevorstehende Radreise betrifft: nach überstandener, wirklich heftiger C-Erkrankung im April/Mai diesen Jahres war es mein Wunsch, eher eine etwas anspruchslosere Radelstrecke raus zu suchen. Obwohl schon oft gefahren: ein Traum, der Weg von Passau nach Wien.

Doch in meinen regelmäßigen Treffen kam mein Freund und langjähriger Radreise-Begleiter Krischan mit der Idee um die Ecke, den Eger-Radweg von Schirnding nach Litomerice zu fahren. Wir haben nur vier bis fünf Tage Zeit. Es wären ca. 300 Kilometer, der größte Teil der Strecke befände sich im Heimatland unseres Dritten im Bunde, nämlich Oldino aus Praha. Krischan wäre die Strecke mal mit dem Auto abgefahren. Es sei eine herrliche Landschaft, viele Bäume am Wegesrand, die uns in der Hitze Schatten spenden würden.

Wie immer das Ziel einer jeglichen Radreise: zum Ende des Regenbogens!

Gesagt – begeistert. Zwar ergeben die Suche nach Strecke und Höhenprofil eher Angaben, die meinen Wünschen nicht entsprechen: über 4000 Höhenmeter auf 300 Kilometer Fahrstrecke. Aber da muss es sich um Irrtümer in den Karten handeln. Zumindest vertraue ich darauf. Schließlich werden wir an einem Fluss entlang pedalieren. Da muss es doch eigentlich eher flach zugehen.

Also ich für meinen Teil kann mich darauf einlassen. Die SMS-Schalten mit Prag ergeben kein nachteiliges Ergebnis. Am Freitag, den 16.07.2021 soll es also im Städtchen Cheb (Eger) losgehen. Dort wollen wir uns am Abend treffen.

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Radreise Böhmen 2021 – 1. Tag, Samstag, der 17.07.2021

Da wir drei nach dem Abendessen rechtschaffen müde waren, haben wir uns auch noch vor der Geisterstunde ins Bett begeben. Das kleine Ferienappartement etwas oberhalb der Altstadt von Cheb gelegen lässt uns keine Wahl: der jeweilig sich im Wachzustand Befindliche hört das Schnarchen des oder der anderen.

Dennoch wachen wir recht erfrischt am heutigen Morgen auf und sind eigentlich bereit für die erste Etappe. Doch ein Blick aus dem Fenster dämpft die allgemeine Euphorie gewaltig. Es regnet unaufhörlich. Und als ob ich es nicht glauben will, öffne ich die Dachluke und starre gebannt nach draußen. Ja es regnet und auch der Blick in den Garten lässt die Tristesse nicht enden. Ich erkenne ein riesiges Stofftier, dass dort wie erschlagen im Rasen liegt.

Der Blick auf die Tristesse im Garten……
….Regen, und auch sonst eher ein trauriges Bild….

Nach der Morgentoilette beraten wir. Christian wäre bereit mit dem Auto loszudüsen und ein bisschen was zum Frühstücken zu besorgen. Da die Lust auf Radfahren anscheinend bei uns allen wie weggeblasen scheint, schlage ich vor, doch gemeinsam zum Frühstücken in die Innenstadt von Cheb zu fahren und dort ein nettes Café aufzusuchen.

Geniale Farben für eine Hautüre. Auch wenn die Sonne nicht scheint – ein Lichtblick in Cheb.
So schön können verhindernde Verkehrszeichen sein…..
Gute Laune beim morgendlichen Stadtbummel – Oldo und Christian

Ich habe mittlerweile – es ist schon nach 10 Uhr – auch gehörig Hunger. Gesagt getan. Schnell finden wir eine Parkplatz und ein nette Bar/Café. Wir genießen ein tolles Frühstück und auch den Cappuccino finde ich so lecker, dass ich mir noch einen Zweiten bestelle.

Sieht gut aus, und schmeckt auch so. Und das rein vegetarisch.

Derweil nistet sich bei uns der Gedanke ein, dass wir nach Betrachten der Wetterlage per Auto nach Marienbad fahren und uns dort genüsslich in ein Schwefelbad legen wollen, um die Muskeln und den Körper für die kommenden Radltage zu rüsten.

Herrlicher Innenhof mit Café im südländischen Stil

Marienbad liegt etwa 36 Kilometer von Cheb und nicht auf der Route entlang der Eger. Ich war noch nie dort und freue mich auf neue Eindrücke.

Sehr mondän wirkt die Stadt auf mich, auf den Straßen ist einiges los. Überall stehen herausgeputzte Hotels, ab und an sind aber auch noch Restbestände aus sozialistischen Zeiten zu entdecken.

Ein großes Bad mit Hotel in Marienbad

Was nicht zu entdecken ist, ist ein Bad, in dem man als Nicht-Hotelgast einfach eingelassen wird. Keine Chance.

Marienbad – mondän, aber auch irgendwie fortschrittlich. Die Kurgäste werden von Abgasen der Omnibusse verschont. Sie sind an elektrische Oberleitungen gebunden und fahren abgasfrei.

Nach ca. einer Stunde fahren wir nach Franzensbad, das wiederum nur sechst Kilometer von unserem Ausgangspunkt Cheb entfernt liegt und begeben uns ins öffentliche Spaßbad Aqua-Forum.

Der Hauptplatz von Cheb am frühen Abend (mit dem Handy fotografiert).

Wir entspannen zwei Stunden im warmen Wasser. Dann sind unsere Mägen wieder so leer, dass wir uns in Cheb auf ein Abendessen freuen, dass wir in einem Lokal (Restaurace) einnehmen wollen, in dem wir gestern nach unserer Ankunft keinen Platz mehr bekommen haben. Heute klappt´s. Ich lasse mir ein Rindergulasch mit „Semmelknödel“ schmecken.

Das ist ein typisch-böhmische Speisekarte. Also auch kulinarisch ist Böhmen immer eine Reise wert.

Allerdings muss ich sagen, dass ich Knödel wie in Bayern gemacht erwartet habe. Das wird hier in Tschechien allerdings etwas anders zubereitet, was auf dem untenstehenden Bild sehr gut zu erkennen ist.

Rindergulasch mit böhmischen Semmel(n)knödeln. Lecker

Unsere Gespräche drehen sich um alte Erinnerungen und Erlebnisse, die wir schon miteinander hatten auf gemeinsamen Reisen. Natürlich spielt auch die C-Krise eine Rolle. Da wir aus unterschiedlichen Ländern kommen, ist es auch spannend zu erfahren, wie es in Tschechien den Menschen damit ergeht.

„zmrzlina“: Eisdiele also. Aber da wir das nicht aussprechen können, gehen wir lieber in eine Bar.

Meine Beobachtungen dahingehend sind: in den Geschäften tragen die Tschechen Masken. Sonst definitiv nicht. In keinem Café, nicht in den Straßen und Gassen, nicht in den Restaurants. Auch nicht auf dem Weg zum Tisch. Nichts. Es scheint auch kein Thema zu sein. Auch habe ich nie das Gefühl, von der Seite angequatscht zu werden, egal, ob von einem Maskengegner oder ~befürworter. Das tut gut und ist ein echtes Highlight für mich, weil in meinem Heimatland viel nervöser und unentspannter damit umgegangen wird.

Ein Hauch auch noch von Südamerika

Wir sind sehr pünktlich zu Hause und gehen schwer davon aus, dass wir morgen wirklich losradeln können, weil das Wetter auch mitspielt.

Erstes Ziel soll Karlsbad sein. Eine Stadt, in der ich zumindest auch noch nie gewesen bin.

Kilometer:  0

Höhenmeter: 0

Durchschnitt:  0

Gefahrene Zeit: 0

So kann es natürlich nicht weitergehen. Ich meine das in Bezug auf unsere Statistik. Wir möchten der Radreise doch auch Inhalte geben.

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Radreise Böhmen 2021 – 2.Tag – Sonntag, 18.07.2021

Als ich gegen 09:00 Uhr nach erholsamem Schlaf während der Nacht und zweistündigem, morgendlichen Dösen aufwache, höre ich Christian noch ab und zu leise schnarchen. Eine Weile liege ich wach und versuche zu verifizieren, dass es wirklich die Sonne ist, die durch das Holzdachfenster scheint.

Cheb(t) wie es leibt und beb(t).....
Cheb(t) wie es leibt und leb(t)…..

Ich kann es kaum glauben. Habe ich doch gestern Abend noch mit meiner Gefährtin telefoniert, die mir die schrecklichen Nachrichten aus Westdeutschland schilderte, wo die Flut nicht nur verheerende Schäden angerichtet hat, sondern es auch viele Tote und immer noch vermisste Menschen gibt. Und hier zeigt der Blick aus dem Fenster einen strahlend blauen Himmel, die Sonne scheint mich zu verspotten, und mir zu sagen: „Warum machst du dir Sorgen? Schau, ich bin da, alles ist gut“.

Hier im tiefen Böhmen macht am frühen Sonntagmorgen keiner Stress. So fühle ich mich doch ausgeruht. Man kann sich in solchen Momenten nicht vorstellen, dass woanders das Wetter schlecht sein soll.

Der heimatliche Lagebericht am Sonntagmorgen via Social Media sagt jedoch, dass im Inntal, wo wir beide seit September 2020 leben, der Regen nicht mehr aufhört, die Pegel der Flüsse unaufhörlich steigen und es laut Wetterbericht auch die nächsten Tage nicht zu regnen aufhören soll.

Das erste Frühstück aus dem Supermarkt.

Aber leider, so schreibt mir meine Gefährtin, hat es die ganze Nacht durchgeregnet, dass es immer noch regnet und in unserer Dusche das Wasser nicht mehr gut abläuft, die Kanalisation das Wasser nicht mehr abtransportieren kann. Ich bin ganz schön besorgt, weil sie mir auch noch Bilder und Videos aus Kufstein und Kiefersfelden geschickt hat vom frühen Morgen. Das Wasser läuft in Sturzbächen durch die Städte, das Hab und Gut der Menschen einfach mit sich reißend, ohne auf den Zustand der Seelen Rücksicht zu nehmen.

Ich schlage meiner Liebsten vor, dass ich sofort heimkomme, wenn sich die Lage verschlechtert. Sie werde die wichtigsten Sachen aus dem Keller ins Erdgeschoss bringen, und dann abwarten.

Ich verspreche, dass ich mich im Laufe des Tages wieder bei ihr melde.

Meine Reisegefährten haben mittlerweile ihre Sachen zusammengepackt und nach unten zu den Rädern gebracht.

Ich beeile mich nun, damit sie nicht zu lange warten müssen, verstaue fieberhaft meine Kleidungsstücke, und die Kabel ,und das Laptop in meinen Fahrradtaschen. Dann schaue ich kurz durchs Zimmer- ja, nichts vergessen, und eile nach unten. Die Stimmung ist entspannt, wie ich erleichtert feststelle.

Das aus Schweden (s. Radreise 2011 – Schweden, Finnland) stammende Spiel „Golfbana“ mit übergroßen Spielgeräten hat sich auch hier in Tschechien zu einem Volkssport entwickelt.

Christian befestigt noch eine Schraube an meiner Lenkertasche, deren Original schon bei ihrem ersten Einsatz gebrochen war und damit die Stabilität der Tasche in Frage stellt, da ich darin neben Handy, Geldbeutel und Taschentüchern auch meine schwere Kamera für die spontanen Schnappschüsse während der Fahrt gelagert habe. Viel Gewicht also, aber mit Hilfe meines Radelkumpans und seinen handwerklichen Fähigkeiten kein Problem.

Kurz darauf erscheint das Mohnköpfchen. So heißt unser Vermieter des Appartements übersetzt ins Deutsche, wie uns Oldino, unser tschechischer Zampano erklärt. Er kommt, um das Geld für die beiden Übernachtungen zu kassieren. Er parliert fast perfekt in unserer Sprache, weil er – wie er sagt – seine Ausbildung in Deutschland gemacht hat. Wiewohl uns Oldo am gestrigen Abend bereits darüber aufgeklärt hat, dass im Sudetenland immer noch viele Menschen die deutsche Sprache sprechen können.

Gegen 10:30 Uhr sind wir so weit, dass wir die Räder nach unten in die Stadt rollen lassen und sie dort angekommen, in einem Supermarkt deutscher Herkunft ausrollen lassen. Wir kaufen Getränke, ich besorge mir meine geliebten Reiswaffeln und Nüsse als Proviant für die Fahrt.

Dann tasten wir uns aus der Stadt Cheb, brauchen eine gute Viertelstunde, bis wir den Radweg an der Eger in Richtung Karlsbad gefunden haben. Es scheint die Sonne und die Temperaturen sind sehr angenehm zum Radfahren.

Eine schattige Allee – Genussradeln garantiert

Die Strecke ist geteert, verläuft oft im Schatten durch die böhmischen Wälder, und der Blick auf die Eger ist meist garantiert. Allerdings ist die braungefärbt. Man merkt, dass die vergangenen regnerischen Tage den Fluss aufgerüttelt haben. Hin und wieder treffen wir auf Raststationen, die Kanuten den Einstieg in den Fluss gewähren und zusätzlich Kioske betreiben für die sportlichen Ausflügler.

Es sieht fast ein bisschen aus wie nach dem Krieg auf diesem Kutschen-Event….

Nach einer Stunde Fahrt kommen wir an einem Platz vorbei, an dem wohl ein internationaler Kutschen-Event stattfindet. Gerade werden verschiedene alte Kutschen aus einem wasser-durchtränkten Gelände, indem auch noch Pferdetransporter knietief im Wasser stehen, aus der Wiese gezogen. Die Straße ist total verdreckt, hier hat es vergangene Nacht wohl ziemlich geschüttet, und ich muss wieder an meine Freundin im Inntal denken.

Nur irgendwie raus aus dem Dreck….

Dann geht es weiter auf dem Eger-Radweg, nachdem wir im gleichen Ort viele Menschen auf einer Dorfkirmes gesehen haben, und auf unserer Radstrecke immer wieder vollbesetzte Kutschen an uns vorbeifahren.

Eine der Kutschen, einige werden von Menschen gezogen, leider ist mir dazu kein Schnappschuss gelungen, so baff war ich als ich es gesehen habe.

Die Gegend ist wunderschön und ich frage mich, warum nicht viel mehr Radfahrer Tschechien für sich entdeckt haben, warum nicht viel mehr Touristen generell in dieses wunderschöne Land reisen, um dort Urlaub zu genießen.

Für uns ist es bereits der dritte Besuch dieser Region Europas mit dem Fahrrad. 2013 sind wir – auch zu dritt – bei brütender Hitze und Temperaturen um die 40 Grad von Böhmen über Brünn und Ostrau nach Mähren in den Osten von Tschechien gefahren, und auch noch ein Stück nach Polen hinein. Wir haben Krakau gesehen und sind eine etwas nördlichere Route wieder zurückgefahren.

Sokolov (Falkenau)

Momentan radeln wir weiter bis Sokolov (Falkenau), einem kleinen Städtchen. Wir entschließen uns spontan eine Pause zu machen. Immerhin sind wir mittlerweile schon über 35 Kilometer geradelt. Auf dem Alten Markt gibt es eine Pizzeria. Wir kehren ein, ich bestelle mir einen Cappuccino, der so lala schmeckt, und eine Pizza, weil ich hungrig bin wie ein Wolf. Dass diese einen Durchmesser von 45 cm hat, ist mir bei der Bestellung nicht gewahr, bietet aber die Möglichkeit, dass sich meine Freunde auch an ihr laben.

Der Marktplatz von Sokolov, viel kleiner als die Pizza, die ich hier bekomme.

Danach schwingen wir uns auf unsere Drahtesel und verlassen die Stadt wieder Richtung Eger-Radweg, Dabei kommt mir eine ältere Dame entgegen und ruft mir etwas zu, was ich als Nicht-Tscheche nur als eine Warnung erraten kann. Da Oldo verstanden hat, klärt er uns über ihre Worte auf: sie hätte uns zugerufen, dass der von uns eingeschlagene Weg sehr schlammig werden würde.

Wir lassen uns trotzdem nicht aufhalten und stellen schon nach wenigen Minuten fest, dass die Tschechen sehr ehrliche Menschen sind. Viele Kilometer direkt an der Eger, mitten durch schattige Wälder, sind nun auf durch den Regen der vergangenen Tage verschlammten und mit Wasserpfützen übersäten Untergrund zu bewältigen. Nach kurzer Zeit ist nicht nur mein Rad auf und auf mit Schlamm bedeckt, sondern auch meine Schuhe und meine Beine vollgespritzt.

Beim Bremsen schrabbt es laut – komisch
Macht irgendwie Lust auf ein gesundes, entgiftendes Moorbad.

Auch wenn es nur langsam vorangeht: es macht Spaß. Zwischendurch betreten wir eine schwankende Hängebrücke, schauen in die Windungen der Eger, glitschen und schlittern durch den weichen, schwarzen und erdigen Untergrund. Unser Ziel, Karlovy Vary (Karlsbad), kommt immer näher. Schließlich sind wir laut Beschilderung nur noch fünf Kilometer davon entfernt, als Christian einen Platten am Vorderrad meldet. Zum Glück sind wir schon am Stadtrand und kommen just an einer Tankstelle vorbei, an der er sein Rad einer Überprüfung unterzieht.

Schwankend über die Hängebrücke ist viel schwieriger als Fahrradfahren – sofern man keinen Platten hat.

Schon wieder Glück für mich: ich habe schon während der Fahrt daran gedacht, mein Fahrrad in einer Autowaschanlage mit einem Hochdruckreiniger zu säubern. Während Christian also seinen Schlauch wechselt, bringe ich mein Rad auf Hochglanz. Der Hochdruckreiniger auf meinen Waden und am Schienbein verursacht dann eher ein zweifelhaftes, extrem britzelndes Vergnügen.

Waschen und Flicken. Das hat auch meine Oma schon gemacht. Nach dem Waschen unsere Socken geflickt.

Nach Reparatur und Dusche begeben wir uns ins Zentrum von Karlsbad. Ich bin echt beeindruckt von dieser wunderschönen Stadt und möchte unten dazu einfach nur einige Bilder für sich sprechen lassen.

War König Ludwig II. ein Russe? Oder wer hat das hier entworfen und gebaut!?
Irgendwo in den weiten Schluchten der Karlsbader Bergwelt ist auch unser Hotel.
Wasser ohne Ende
Zwei hoch-intellektuelle Forscher in einer bilateralen tschechisch-deutschen Arbeitsgemeinschaft verstehen nicht, warum der Krug trotz Ermangelung von Regen und bei strahlendem Sonnenschein nie leer wird. Gibt es doch ein Perpetuum Mobile, oder die eierlegende Wollmilchsau zu Rettung der Welt!??
Das Unglaubliche scheint wahr zu sein…..

Nach dem Bezug unseres Hotels, dem Duschen, machen wir uns zu Fuß auf den Weg ins Zentrum und landen in einem netten Lokal, in dem wir unser Abendmahl einnehmen. Nach der Pizza heute Mittag entscheide ich mich für Krautsalat und eine leichte Hühnersuppe mit Nudeln. Beides schmeckt hervorragend. Wir ratschen gemütlich und lassen den Tag bei dem einen oder anderen Bernard-Bier ausklingen. Alle schlafen schon während ich diese Zeilen verfasse. Nun ist es 0:32 Uhr und auch für mich Zeit, Kraft für die morgige Etappe zu tanken.

Was wir heute so alles gemacht haben in Zahlen:

Kilometer:  69,31

Höhenmeter: 292 hm

Durchschnitt:  16,22 km/h

Gefahrene Zeit:  256 Minuten

Was mich wirklich berührt hat: viele fragen doch, wo der Kleine Onkel aus der Villa Kunterbunt seine Rente genießt. Ja, der ist etwas scheu, meidet den Rummel um seine Bekanntheit. Nicht wie viele vermuten in Mähren, nein, in Böhmen genießt dieser tolle schwedische Darsteller aus den späten 60-ern des vergangenen Jahrhunderts seinen Ruhestand.

Und hier noch ein paar Impressionen von unserer Tagestour:

Böhmen – aus einer anderen Zeit.
Wie gern wär ich geblieben um ein wenig zu rasten und den Gedanken nachzuhängen….
Auch wenn ich hinterherfahre – irgendwie romantisch, nicht wahr!
Ohne Worte – eine Brücke!:-)
Nach langer Fahrt eine Versprechung – oder eine Fatamorgana. Etwas zu bechern wäre nicht schlecht.
Karlsbad am Abend.
Karlsbad , und ein Hauch von Italien.
Nein, das ist nicht Lego-Land. Dieses Gebäude steht gegenüber der russischen König Ludwig Version.

Achja, und aus der Heimat im Laufe des Tages die erfrischende Nachricht: der Regen hat aufgehört!!

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Radreise Böhmen 2021 – 3.Tag, Montag – 19.07.2021

Irgendwie haben wir in diesem Jahr einen für mich völlig neuen Reise-Rhythmus eingeschlagen. Während wir in den fast zwei Jahrzehnten Radreisen immer versucht hatten, viele Kilometer zu absolvieren, scheint es so, dass wir mit zunehmendem Alter ruhiger und gelassener werden.

Zumindest denke ich mir das heute Morgen, als mich beim dritten Erwachen und wieder Eindösen bei Lichteinfall durchs Fenster keiner anspringt mit der lustigen und lauten Aufforderung, ich möge meinen Prachtkörper aus dem Bett hieven, weil wir endlich aufbrechen sollten.

Leben wir in einer Matrix, und mir ist gerade ein Schnappsschuss von der Wahrheit gelungen?

Ich drehe mich also noch einmal um und schlafe weiter. Irgendwann wache ich wieder auf, fühle mich gut, und merke wie auch meine beiden Freunde sich fast zeitgleich in die Vertikale begeben. Ein Blick aus dem Fenster unseres wunderschönen Hotelzimmers, dass wohl vor kurzem aufwendig restauriert worden war (eine Holzdecke aus Kiefern- oder Fichtenholz wurde unter die hohe Decke eingezogen und schaffte Platz für eine zusätzliche Etage, in der Christian und Oldo jeweils ein Bett vorfanden) zeigt, dass es mit der Rückkehr des Sommers noch nicht abschließend gediehen ist. Es ist recht wolkig draußen.

Überall auf unserem Weg sind die deutschen Einflüsse und damit die Geschichte les- und greifbar.

Alsbald genießen wir im Erdgeschoss unseres Hotels ein ausgiebiges Frühstück. Die beiden Damen sorgen immer wieder für Nachschub und füllen leere Behälter wieder auf. Natürlich ist es angenehm so verwöhnt zu sein. Manchmal stelle ich mir die Frage wie lange das wohl nich so weitergehe wird, dass von allem im Überfluss vorhanden ist. Wir werden es erleben.

Faszinierend, wie aus dem Bestehenden wieder und wieder neues Leben entsteht. Ein Hinweis auf die Agenda des Lebens schlechthin!?

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sieben Sachen zusammen und schieben die Räder aus dem Verschlag hinter dem Haus. Ich ja am Abend zuvor mein Fahrrad hinter den Mülltonnen an der rechten Hauswand des Hotels geparkt, weil ich keinen Schlüssel für den Ugang zum Garten hatte. Heute Morgen ist das Radl nicht mehr da. Ich schlucke kurz und luge in den Verschlag hinter der Gartentüre, in dem meine beiden Freunde gerade ihre Räder packen und sie rückwärts ins Freie schieben. Ganz links an der Wand entdecke ich mein Fahrrad und vermute einen dreisten Gag meiner Kumpane.

Selbst am Ende der Welt wird nichts dem Zufall überlassen. Eine Firma zeigt sich überall und bringt sich jedem nah…

Aber sie schwören Stein auf Bein, dass sie das Fahrrad nicht „in SicherheitW gebracht haben. Nun verscúchen wir uns aus Karlsbad herauszuschälen. Folgen meiner Navigation auf Komoot. Es dauert ein bisschen, bis wir die richtige Richtung einschlagen. Die Sonne scheint mittlerweile warm vom Himmel und es geht – bergauf. Wir haben schon am Morgen festgestellt, dass es sich um 530 Höhenmeter handeln soll, die heute vor uns liegen. Irgendwie will man das nicht glauben, wenn man an einem Fluss entlang fährt.

Hier heißt es links abbiegen, einem alten tschechoslowkischem Trend folgend. Ein altes Dorf von robuster Schönheit.
Streng abgeschirmt: das Puff am Rande der Stadt. Wir fahren zügig daran vorbei.

Aber- es geht unablässig nach oben. Schon nach einer halben Stunde und ein paar Kilometern (zum gl+ck hat sich die Sonne wieder verdünnisiert) erreichen wir verschwitzt ein kleines Dorf namens Bor mit einem abgeperlten Kramerladen. Die Fassade des erinnert wirklich an den guten alten Kommunismus, der uns schon damals als non plus ultra für die moderne Gesellschaft nicht überzeugen konnte.

Der Kramerladen von Bor.

Im Schaufenster stehen unzählige eineinhalb Literflaschen aus Plastik, was uns auch nicht grundsätzlich überzeugen kann, aber genau das ist, was wir gerade benötigen. Ich betrete den Laden und bin überrascht. Hinter der Kasse dieses Tante-Emma-Ladens steht der bärtige Onkel Emil und bedient die Kundschaft nicht nur persönlich sondern auch noch perfekt tschechisch und deutsch sprechend.

Wenn das Damen wären, würde ich sagen: genau hier hinter den Plastikflaschen versteckt sich verschämt das Zentrum der Lust in dieser Stadt. Die Wahrheit aber: es ist und bleibt halt der Dorfladen von Bor.

Draußen vor der Türe steht Christian. Er hat in diesem Jahr noch nicht viele Kilometer heruntergestrampelt und sagt, dass er diese Höhenmeter so nicht weiterfahren möchte und sich umschauen wird nach einer alternativen, flacheren Route. Wir überreden ihn, erstmal weiter mitzufahren. Irgendwann biegt er jedoch ab, verlässt uns, und Oldino und ich steigen wieder in ungeahnte Höhen. Dazu kommt, dass in dieser herrlichen Bergwelt, in der wiederum die Sonne strahlt und uns auslacht, der Untergrund immer schlechter wird.

Das Wetter ist extrem miserabel – vielleicht ist Herr Tau (Pan Tau) doch abgestürzt.

 Mittlerweile kämpfen wir uns über spitzes Schottergestein nach oben. Ich habe den kleinen Mann im Ohr und wenn die Eger-Radroute mit dem gelben Schild mit der Nummer 6 nicht am Wegesrand auftaucht, dann verlass ich mich auf die Stimme im Kopfhörer. Es geht aufwärts uns immer weiter nach oben. Anstrengend. Klar. Aber irgendwann kommt die Belohnung und wir dürfen wieder runter fahren an die von uns nie außer Sicht geratende Eger. Aus den Bergen haben wir immer einen Überblick über ihren Verlauf unter uns.

Schöne alte Welt.

Doch ganz plötzlich scheint der Weg aufzuhören. Es geht steil bergab, und es sind nur noch zwei schon mit Gras überwachsene Fahrrinnen zu erkennen. Ich sage zu Oldo, dass ich sicher bin, dass diese Strapaze jetzt nichts mehr für Christian gewesen wäre. Wir fahren vorsichtig nach unten. Teilweise schiebe ich mein Rad, weil es mir zu gefährlich erscheint abzufahren.

Ohje, es geht plötzlich steil bergab und sieht gar nicht mehr nach dem Radweg Eger 6 aus. Es ist auch kein Ende in Sicht, keine Ahnung, wo es unten am Ende des Berges hingeht.

Echt etwas für Mountain-Biker. Untern angekommen stehen wir vor einem Schlammloch. Und plötzlich taucht Christian hinter uns auf. Er hat sich entschieden, uns zu folgen. Wir radeln also zu dritt weiter über Stock und Stein. Da Krisch auf sehr schlanken Reifen fährt, dauert es nicht lange, bis er sich auch heute einen Platten fährt.

OHC – Odlo hilft Christian.

An einer Bergkuppe am Zaun einer Hundepension halten wir und stellen sein Rad auf den Kopf. Wiederum flickt er den modernen, neu gekauften Schlauch und ärgert sich über die schlechte Qualität der neuen Schläuche, die vier Nähte haben im Gegensatz zu einer der früheren Qualität. Sie lassen sich daher schlechter flicken. Man ist eher gezwungen, einen neuen zu kaufen. Was uns hier in den Bergen allerdings nichts nützt.. Nach einer knappen Stunde und mit der neuen Stoklasa-Methode zum Einpassen des Mantels sind wir wieder startklar.

Das Aufziehen eines Mantels auf die Felgen gelingt nur mit tschechischer Finesse. Und wahrlich: es scheint sich wirklich gut anzufühlen.
Eine Linde, wie sie im Buche steht. So haben Pausen zuweilen den Sinn, die wahre Schönheit des Lebens erkennen zu dürfen.
Das Wetter wir immer besser, Blumen am Wegesrand blühen auf. Wir auch mit vielen Schweißtropfen auf der geplagten Stirn

Christian deutet an, dass er versuchen wird auf einer Landstraße zu unserem heutigen Etappenziel Kadan, zu kommen. Wir trennen uns kurz nach der Anfahrt an die Eger.

Geschäfte machen schwer gemacht. Eine klassisch böhmische, ja geradezu schweijksche Herausforderung.

Christian wird sich auf der Landstraße den Weg zum Tagesziel erarbeiten. Oldo und ich folgen der Route Nr. 6m, also dem Eger-Radweg.. Es geht wieder steil bergauf. Weiterhin sind wir mit schlechtem Untergrund konfrontiert, der Mäntel und Muskeln stark beanspucht. Nach langen Anstiegen sind die Abfahrten entweder asphaltiert, steil und kurz, oder durch den Wald verlaufend auf spitzig-steinigem Geläuf, was unsere höchste Konzentration erfordert um einen Sturz zu vermeiden, und unser Durchschnittstempo nicht gerade erhöht.

Im kleine Städtchen Klösterle an der Eger (Klasterec) verliere ich Oldo aus den Augen, der den richtigen Weg einschlägt, an dem ich bei einer steilen Abfahrt vorbeirausche. Nach zehn Minuten und einem höchst überflüssigen Anstieg finde ich die Route wieder. Mein Blick fällt während der starken Steigungen immer links hinunter zur Eger, die doch recht breit ist und sich majestätisch ihren Weg durch die Schluchten bahnt.

Der Herrscher über die EGER

Es macht Spaß diese wundervolle Landschaft ganz langsam mit den Fahrrad zu durchqueren.
Viele Einflüsse deutscher Kultur sind immer wieder sichtbar.

Erst an unserem Zielort, und nachdem ich diese wirklich prächtige Landschaft mit der intensiven Vegetation genossen habe, sehe ich kurz nach meiner Ankunft vor einem Café, in dem ich liebend gerne so schnell wie möglich einen Eiskaffee genießen möchte, plötzlich Oldo auf den Hauptplatz des Ortes einrollen. Ich winke und rufe ihm zu. Schnell ist er bei mir, und noch schneller als wir denken ist auch der verlorene Sohn Krischan bei uns am Tisch und erzählt davon, dass die Luft aus dem reparierten Reifen bereits wieder raus ist. Morgen um 09:00 Uhr werden wir den einzigen Fahrradhändler der Stadt um eine dringende Audienz bitten.

Kadan wie es leibt und lebt. Der Hauptplatz mit dem netten Café, in dem ich mit Oldo einen kalten Kaffee mit Vanilleeis geniesse.

Christian organisiert uns während unseres Aufenthaltes im Café in Windeseile eine Unterkunft hier in Kadan. Wie sich herausstellt, hat es diese in sich. Wir fahren auf das Stadttor zu, direkt davor auf der rechten Seite ist der unscheinbare Eingang zu unserem Hotel für diese Nacht.

Der Blick vom Stadttor aus ins Zentrum, praktisch am Eingang unseres Hotels.

Doch schon nach dem Eintritt in die heiligen Hallen erstarre ich fast in Ehrfurcht. Alles mutet italienisch an. Freigelegte Steinmauern, kleine quadratische Tische und ein Klavier, das im Speisebereich hier im Erdgeschoss an der Wand steht, erregen meine Aufmerksamkeit.

Italienisches Ambiente…..

Eine junge, schwarzhaarige Dame nimmt uns mit den Schlüsseln – nachdem wir unsere Räder quer durch das Lokal und den angrenzenden Frühstückstrakt auf der anderen Seite wieder ins Freie und damit diebstahlsicher untergebracht haben – auf unser Zimmer im ersten Stock.

Ein Klavier, ein Klavier…..

Schon das ist ein kleines Wunder. Normalerweise sind die angemieteten Zimmer in Hotels ohne Lift mindestens im dritten Stock. Was für ein Glück heute. Ein warmer Holzboden wirkt einladend, wenn die Zimmer betreten. Alles wirklich wunderschön eingerichtet, sogar eine Kochnische für länger verweilende Gäste ist um die Ecke im großen Schlafzimmer eingebaut.

Müder Krieger……

Und das beste:  ein ausgewachsener Guglhupf begrüßt uns auf dem Tisch, sowie eine große Kanne mit Wasser, indem sich erfrischende Kräuter befinden. Doch damit nicht genug. Die junge Lady meint, dass sie gerade ein Fass Bier frisch angezapft hätten. Da der die Krone davon noch etwas überschäumen würde, böte sie jedem von uns einen Krug davon an. Da sagen drei durstige Sportler selbstverständlich nicht nein.

Wenn der Gugl hupft, sich der Hunger verzupft….

Nach dem wohlschmeckenden kühlen Trunk hüpfe ich als erster in die Dusche und begebe mich alsdann wohlduftend ins Erdgeschoss. Die Möglichkeit ein wenig Klavier zu spielen lasse ich mir nicht nehmen.

Schließlich kommen meine beiden Freunde nach unter und wir machen uns auf, um in einem Restaurace essen zu gehen.

Was wir heute geschafft haben:

Kilometer:  54,15 km

Höhenmeter: 686 hm

Durchschnitt:  13,78 km/h

Gefahrene Zeit:  236 Minuten

Am Ende noch ein paar Impressionen in Bildern vom Tag:

Leider haben wir die Hexe, die in diesem Haus wohnt, nicht kennenleren dürfen.
Die auf der ganzen Strecke aufgewühlte Eger.
Einer der vielen wunderschönen und gepflegten Nutzgärten…..
Und immer wieder Brücken.
Die ersten Pyramiden auf der Reise.
Das Venedig Tschechiens direkt an der Eger….

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Radreise Böhmen 2021 – 4. Tag, Dienstag – 20.07.2021

Der Blick aus dem Fenster am heutigen Morgen gibt mir das Gefühl, dass es draußen saukalt sein muss. Es ist bewölkt. Diese Information genügt in diesem Sommer. Das verdirbt mir die Lust aufs Radeln schon bevor es überhaupt losgeht.

Reparaturarbeiten am Stadttor, direkt am Hoteleingang.

Meine Freunde werden fast zeitgleich wach, erledigen ihre Morgentoilette und machen mich auf das Frühstück aufmerksam, zu dem sie sich gleich begeben werden.

Das hilft. Ich raffe mich auf, versuche einen kurzen Überblick über meine über einem Stuhl und einer Holzkommode verstreuten Sachen zu gewinnen, um meine kleine weiße Reisezahnbürste zu orten.

Man glaubt es kaum – aber selbst MOBILES kann den Weg versperren. Eine kleine Beobachtung inklusive Erkenntnis am Rande.

Nach meinem Auftritt in unserem Badezimmer eile ich nach unten, meinen Freunden nach in den Frühstücksraum. Dort sitzen nicht wie gestern Abend vermutet an jedem Tisch die Gäste. Außer Christian und Oldo am Ende des winzigen Saales gibt es nur ein Pärchen, das zur selben Zeit sein Frühstück einnimmt wie wir. Und erstaunlich auch: für fünf Personen kümmern sich zwei ganz junge Damen, die uns an der Theke, an der auch das Büffet aufgebaut ist, individuell bedienen.

Ich nehme vom Rührei, ansonsten Joghurt und eine Semmel mit Butter und Marmelade, die in einem winzigen Gläschen mit Schraubverschluss abgefüllt ist. Dem Klimawandel sei Dank: zum ersten Mal in meinem Leben ist die Konfitüre nicht in eine winzige runde Plastikbox gepresst worden, die der Laie ohne eine gewisse Fingerfertigkeit kaum zu öffnen vermag. So schwierig, dass der eine oder andere verzweifelt zum Müsli greift und sich Milch drauf schüttet, oder doch ein paar Scheiben Wurst auf die Semmel wuchtet, damit der morgendliche Appetit schnell bearbeitet werden kann.

Nach dem Frühstück fahren Oldo und Krischan zum örtlichen Fahrradhändler. Christian hat nach etlichen Pannen keine intakten Schläuche mehr zur Verfügung, und möchte seine dünnen Reifen bzw. Mäntel, die bei den horrend schlechten Bodenverhältnissen dazu neigen, die darunter liegenden Schläuche zu zerstören, durch den Zukauf von Neuen seelisch zu beruhigen.

Kleine Anlegestelle an der Eger.
Viel Schönes fällt mir am Wegesrand ins Auge….

Vor der Türe unserer Unterkunft, die wir bereits um 10 Uhr morgens räumen müssen, wird dann einer der neu gekauften schwarzen Luftröhren unter den wenig interessierten Augen vorbeigehender Passanten montiert. Um exakt 11:30 Uhr nehmen wir Fahrt auf in Richtung des Städtchens Louny. Es liegt in etwa 25 Kilometer entfernt von unserem Ausgangspunkt Kadan. Schnell geht es nach der Stadtgrenze bergauf. Wir kämpfen uns steile 100 Höhenmeter nach oben. Die kühlen Außentemperaturen nehmen wir nicht mehr wahr. Das ist das Gute an steilen Aufstiegen.

Ein alter Friedhof mit folgenden Öffnungszeiten:

Wir kommen auf eine Anhöhe oder Hochebene, von der aus wir einen guten Blick auf einen riesigen Stausee, der aus der Eger hervorgeht, haben. Da wir in den vergangenen Tagen Probleme mit der Beschaffenheit des Untergrundes des Radweges Nr. 6 hatten (Schlamm, sehr steile Anstiege auf spitzen Steinen, etc.) haben wir gestern beschlossen, einen großen Teil der Strecke auf der Landstraße zu absolvieren. Endlich werden wir belohnt. Nach dem steilen Aufstieg folgt ein fast zehn Kilometer langes Hinabrollen nach Zatec (sprich: tschatez).

Mit Blick auf den See geht es die zehn Km hinab nach Zatec. Die Räder einfach mal rollen lassen auf gut befahrbarem Untergrund.

Eine Stadt, die wie die meisten größeren Einwohneransammlungen in Tschechien einen tollen Kern haben, der in einem Rechteck neben bunt bemalten Häusern Kirche, Cafés, Läden und Restaurants beherbergt. In der Mitte zumeist eine hohe Statue mit den Helden und eingravierten Heldentaten aus früheren Jahrhunderten.

Zatec (Tschatez)

Wir stellen die Räder ab und stecken die Köpfe zusammen. Wie soll es weitergehen? Auf den Besuch eines Cafés verzichten wir. Ich watschle über den Platz und hole mir eine Flasche Wasser als Proviant aus dem Lebensmittelladen gegenüber, den eine Vietnamesin führt. Ein winziges Geschäft, vollgepfropft mit Lebensmitteln aller Art.

Die Kirche am Hauplatz in Zatec. Links davon ist der kleine Laden der Vietnamesin, in der ich mich mit Proviant versorge.

Die wenigen Kunden tragen Maske. Die Geschäftsführerin nicht. Als ich mein Wasser abstelle, um zu bezahlen, nimmt sie während des Vorgangs aus einer mit Reis und Fleisch gefüllten Schale ihr Mittagessen ein. Ziemlich cool, und im bürokratisch-hygienischen Deutschland ein No-Go.

Ein letzter Blick in die Altstadt von Zatec.

Wir fahren weiter nach Louny. Die Landschaft ist weniger erwähnenswert, die Umgebung erinnert mich an einen Besuch vor längst vergangener Zeit vor der Wende in der damaligen Tschechoslowakei. Alte und verfallene Häuser, schlechte Straßen. Auf dem Weg dorthin fahren wir für zwei Kilometer an der Eger entlang. Es wird wieder etwas schlammig und steinig.

Man merkt, dass es auch hier in Tschechien die letzten Tage viel geregnet haben muss. Solche „Radwege“-Verhältnisse haben wir auf unserer Reise schon öfters gehabt. Gewöhnen will ich mich nicht daran. es macht nur begrenzt Spaß da durch zu navigieren.

Plötzlich sehen Oldo und ich den vorausfahrenden Christian schon wieder stehend sein Rad umdrehen. Er wird doch nicht schon wieder einen Platten haben. Und wahrlich: zum dritten mal auf dieser Reise halten seine dünnen Mäntel den schwierigen Untergründen nicht stand.

Scheinbar haben auch Unwetter dem Radweg Nr. 6 arg zugesetzt. Hier Christian kurz vor seiner neuerlichen Schlauch-Havarie.

Und wieder flucht der Gute über die schlechte Qualität der neumodernen Mäntel, die so hart sind, dass man sie nach dem Schlauchwechsel kaum mehr aufziehen kann. Und auch über die Qualität der Schläuche, deren vier Nähte höchst empfindlich gegen Schläge sind.

Und so kommt es (aus Erfahrung) wie es kommen muss: beim Eindrücken des Mantels nach erfolgtem Schlauchwechsel zerstört Krisch den neuen Gummischlauch. Wieder muss der gewechselt werden. Nun versucht sich Oldo, in dem er wie schon zwei Tage zuvor mit seinem Schuh versucht, den Mantel sanft nach innen zu drücken, so dass der Schlauch nicht in Mitleidenschaft durch eine Kunststoffzange gezogen wird. Und – es klappt. Christian schwört, weiterhin nur noch auf Straßen mit Teerbelag zu fahren. Und schon nach etwa einem Kilometer erfüllt sich sein Wunsch. Von da an bis nach Louny gibt es keine Probleme mehr. Wir lassen die Räder rollen und kommen gegen 16 Uhr in Louny an, um dort eine Kaffeepause einzulegen.

Und ich dachte immer, Ägypten sei das Land der Pyramiden. Heute weiß ich: neben Bosnien ist das auch Böhmen.

Dass das Bier in Böhmen klasse schmeckt, klar! Dass wir sehen, dass es auch von hier kommt lässt unsere Herzen im Blick auf heute Abend höher schlagen.

Am Tisch des Cafés liegen neben unseren kulinarischen Bestellungen wie Kaffee oder Eis unsere Handys aus, mit denen jeder von uns versucht, ein Hotel in etwa 20 Kilometer Entfernung zu finden, die wir eigentlich heute noch fahren wollen, um unserem (mittlerweile geändertem Ziel Neratovice bei Prag) noch ein Stückchen näher zu kommen.

Oldo und unser neuer Freund Stefan, kurz nachdem er sich an unseren Tisch gesellt hat.

Da jedoch in dieser Entfernung keine Pension weit und breit zu finden ist, das ein Zimmer frei hätte, entschließen wir uns, in einem Hotel hier in Louny einzuchecken.

Mittlerweile haben wir auch einen Gast an unseren Tisch bekommen. Stefan aus Gerolzhofen, der mit einem vollbepackten Dreirad unterwegs zu seiner Tochter nach Lüneburg ist, leistet uns Gesellschaft. Mit den Worten: „kann ich mich zu euch setzen?“ und „keine Angst, ich bin geimpft!“ setzt er sich blitzschnell an unseren Tisch. Er ist sehr rede- und sprachgewandt, immer freundlich lächelnd. Er wirkt etwas älter als unser Dreier-Durchschnitt und meint, dass er an beginnender Demenz leide. Was wir so im Laufe des Tages aus seiner Vergangenheit erfahren, lässt auf jeden Fall auf eine Fehldiagnose seinerseits schließen.

Mit diesem E-Trike ist unser Freund unterwegs mit dem Ziel Lüneburg im hohen Norden. Warum er den Umweg von Gerolzhofen über Tschechien macht, hat sich uns nicht wirklich erschlossen.

Wir erfahren, dass er 72 Jahre alt ist, auf seinem Käppi steht „geimpft“. Dazu sagt er, dass er seit Beginn seiner Reise in jedem Hotel seinen Impfausweis zeigen musste. Das ist uns noch nicht passiert. Nur im Aqua-Forum in Franzensbad mussten wir unsere Ausweise vorzeigen.

Ich schaue mir sein Fahrrad an. Ein Dreirad, so wie ich es auch zu fahren pflege. Er hat vier Fahnen dazu gehängt, erzählt uns auch um deren Bewandtnis, an die ich mich jeweils nicht mehr erinnern kann. Seine Verwandtschaft mache sich Sorgen um ihn, weil sein Handy nicht funktioniere und er schlecht erreichbar sei, bzw. vor allem er seine Liebsten nicht anrufen könne. Mittlerweile hätte er aber Kontakt zu seinem Bruder gehabt und da dieser netzwerkmäßig verbunden wäre, seien nun alle beruhigt, erzählt er uns.

Das Irish-Pub direkt am Eingang unseres Hotels und gegenüber der Kirche von Louny.

Eigentlich wolle er zum Geburtstag seiner Tochter Ende August bei ihr in Lüneburg sein. Der „Feiertag“ sei ihm eigentlich egal, also – wenn er denn später ankommen würde – aber auf die herausragenden Kochkünste seines Nachkömmlings freue er sich ungemein.

Stefan hat das Rad von seiner Tochter geschenkt bekommen. Ich kenne die Marke, diese Modell eignet sich aufgrund seiner Robustheit besonders für Weltenbummler.

Zumal er nach dem Tod seiner Frau und als Rentner nur im Bett liegen würde und er im Liegen seine Sammlungen zur Geschichte der Gauklerkunst aus dem vorvergangenen Jahrhundert archivieren würde. Er selbst sähe sich hier am besten dargestellt wie der „Arme  Poet“ von Spitzweg – nur ohne Regenschirm. Ich verweise ihn darauf, dass Carl Spitzweg einen Teil seiner Schaffenskunst auch in meinem Heimatort Dachau erstellt hat.

Das Abendessen im Gastgarten unseres Hotels – wirklich lecker. Christian geniesst hier seinen geliebten Sauerbraten mit böhmischen Semmelknödeln.

Von da an war das Band zwischen uns untrennbar verknüpft.

Nachdem auch er keine Übernachtungsmöglichkeit hat, nehmen wir uns alle zusammen ein Zimmer im örtlichen Hotel.

Nach dem Verstauen unserer Räder und dem Duschen treffen wir uns im Gastgarten zu einem köstlichen Abendessen, begleitet von einer mir unbekannten Biersorte Krusice und einem langen Gespräch mit unserem neuen Freund Stefan, der uns vieles aus seinem Leben erzählt, von den Kochkünsten seiner Tochter, von seinem kleinen Bauernhof, in dem er mit Flüchtlingen in Gerolzhofen zusammenlebt, sowie seiner Expertise als „Panorama-Papst“. Panorama, so erklärt er uns, sei eine Kunstform aus dem vorvergangenen Jahrhundert.

Auch meine in Schinken gerollten Putenrpuladen munden vorzüglich.

Weil Christian müde ist, verabschiedet er sich eine knappe Stunde vor Oldo und mir von Stefan und begibt sich auf sein etwas düsteres Zimmer. Das Hotel ist eher einfach gestrickt, allerdings die Überwachungsmöglichkeiten sind hinlänglich installiert.

Auch in altertümlich einfachen Hotels. Es gibt kein Entrinnen mehr…….

Was wir heute geschafft haben:

Kilometer:  50,15 km

Höhenmeter: 341 hm

Durchschnitt:  17,04 km/h

Gefahrene Zeit:  177 Minuten

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Radreise Böhmen 2021 – 5. Tag, Mittwoch – 21.07.2021

Gestern Abend haben wir uns vor dem Zubettgehen vorgenommen: aufstehen um 09 Uhr, also, wenn wieder alle ausgeschlafen sind. Frühstück im Hotel. Und um 10 Uhr Aufbruch. Und zwar haben wir die Route etwas geändert. Es soll nicht mehr an der Eger entlang bis Litomerice gehen. Der vergangene Regen-Samstag hat uns einfach ein bisschen zurückgeworfen.

Sondern wir fahren nach Roudnice nad Labem (Rautnitz an der Elbe) und danach in die Heimat von unserem Kumpan Oldo, nach Neratovice bei Prag. Das sind zum Schluss noch einmal rekordverdächtige 80 Kilometer. (Vor zehn Jahren war das Ziel, die 80 Kilometer vor der Mittagspause zu schaffen). Aber so ist es viel gemütlicher, wir haben mehr Zeit zum Ratschen in einem Café am Nachmittag, sind früher am Zielort und letztendlich auch zeitiger im Bett. Das macht wieder fitter für den kommenden Tag, usw. Eine echt gute Erfahrung dieses Jahr also.

Schöne, gepflegte Landstraßen und lassen uns genussvoll cruisen….

Die Sonne scheint an diesem Morgen. Ich spüre meine Glieder allerdings. Die Oberschenkelmuskulatur ist sauer (auf mich), ob der vielen Höhenmeter die ich in den letzten Tagen auf deren Kosten absolviert habe.

Und Appetit auf das Frühstück habe ich auch schon wieder. Ich eile hinunter in den ersten Stock, wo das Büffet aufgebaut ist. Es gibt das Übliche und ich schlage mir den Magen voll. Irgendwie spüre ich wohl, dass es längere Zeit nichts zu essen geben wird.

Christian – einsam in Front.

Nachdem wir uns ab 10 30 Uhr aus dem schönen Städtchen Louny herauskämpfen, dreht Krisch plötzlich ein, weil er links an der Straße ein Fahrradgeschäft entdeckt hat. Mir ist klar, dass es sich um den Kauf von Ersatzschläuchen handelt.

Pflanzen, die ich noch nie gesehen habe.

Es dauert nur fünf Minuten, um Christians Pessimismus in Freude umzuwandeln, als er mit drei verpackten neuen Schläuchen und Oldo wieder aus dem Laden kommt. Naja, der dritte Tag in Folge mir Reifenschaden, das wollen wir nicht hoffen. Aber sicher ist sicher.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Was mancher Biker mit dem Geknatter seines Motors erreicht, schaffen andere mit Farben.

Es geht erstmal steil bergauf und wir hoffen, dass das besser wird. Nach Louny radeln wir auf einer Hochebene und haben einen schönen Ausblick auf pyramidenförmige Hügel und Berge am Horizont. Es geht flach und flott voran und das macht richtig Spaß.

Wir erreichen unser erstes Etappenziel ohne Boxenstopp und sonstigen Ungelegenheiten zügig gegen 13 Uhr und haben schon die Hälfte der Tagesstrecke geschafft. Kurz vor Roudnice zieht Oldo plötzlich mit dem Tempo an. Christian versucht ihm irgendwie zu folgen. Nach wenigen Minuten kann ich Oldo nur noch ganz klein an seinem roten Dress erkennen. Auch Christian ist mir bereits weit enteilt. Als ich nach einem steilen Anstieg unter heißer Sonne von 60 Höhenmetern die Abfahrt nach Raudnitz genieße, ist nicht nur die Sonne hinter den Wolken, sondern sind auch meine beiden Freunde verschwunden. Ich fahre nach Roudnice ein und gehe davon aus, dass ich einfach ins Zentrum der Stadt fahren muss, um die beiden wiederzusehen. Gesagt, getan.

Im Zentrum von Raudnitz an der Elbe mit Blick auf das Schloss.

Als ich dort einfahre, sehe ich Oldo schon von Ferne aus einem Straßencafé winken. Ja, das habe ich mir genauso ausgemalt. Ich winke freudig zurück und geselle mich zu den beiden an einen Tisch direkt an der Straße, nachdem ich mein Fahrrad neben die meiner Freunde geparkt, aber nicht abgesperrt habe.

Der Geniesser schweigt, der Gläubige versinkt im Gebet, und der Philosoph hält meditierend inne…..

Ein Eiskaffee erfreut mich, und nach einem gemütlichen Ratsch brechen wir auf zur letzten Etappe, die Oldo kennt wie seine Westentasche. Er beruhigt uns mit Aussagen wie „das nächste Stück fahre ich ab und zu mit meinen Kindern, die Elbe aufwärts habt ihr keine großartigen Steigungen mehr zu erwarten“. Ich hätte mich ja erinnern können. Vor fünfzehn Jahren bin ich von Prag zusammen mit Christian an der Elbe entlang nach Dresden geradelt. Aber das ist schon so lange her.

Jetzt sind wir unten an der Elbe, dem letzten Abschnitt heute und insgesamt auf unserer Radlreise in Richtung Prag bzw. Neratovice.

Natürlich hat Oldo nicht zu viel versprochen. Hier geht es nicht mehr um Pflicht, nein, hier lassen wir den Abschluss unserer diesjährigen Radltour zur Kür werden. Der Radweg ist perfekt, flach, die Landschaft ist toll und die Elbe breit.

Auf dem wunderschönen Elbradweg.

An einem Monument kurz vor Melnik halten wir inne. Es ist ein Turm, der die Hochwasserpegelstände der Elbe in den letzten Jahrhunderten beschreibt. Der Höchststand war 2002. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wasser eines Flusses so hoch steigen und ganze Landstriche unsichtbar machen kann, die so weit ab vom eigentlichen Fluss liegen. Das macht mich ehrfürchtig vor der Gewalt der Natur, die vom Menschen nicht beherrscht werden kann. Ich habe ein paar wenige Nachrichten aus den deutschen Überschwemmungsgebieten in Rheinland-Pfalz mitbekommen, die genau dieses Phänomen beschreiben.

Erinnerung an die höchsten Pegelstände der Elbe. Unvorstellbar….

Danach geht es nach ein paar Kilometern hoch nach Melnik. Odlo erzählt mir, dass er uns bei einem Besuch von mir, meiner damaligen Freundin und noch zwei Freunden im Jahr 1986 diesen Ort gezeigt hat. Ich kann mich daran kaum noch erinnern. Ich habe aus dieser Zeit noch andere Bilder im Kopf. Zum Beispiel Prag: eine fast leere Stadt. Als ich dort vor Übermut zu hüpfen und zu singen begann, bremste mich Oldo sofort ein und ermahnte mich, doch nicht aufzufallen.

Melnik – kurz vor dem Anstieg zum Zentrum. Hier fließt die Moldau in die Elbe.

Schon ein paar Jahre später, 1990, kam ich nach der Wende mit ein paar Musiker-Freunden zurück. Wir spielten Straßenmusik auf der Karlsbrücke im Zentrum von Prag. Und niemand dachte mehr an die freiheitslosen und restriktiven Zeiten nur ein paar Jahre zuvor. Die Straßen waren so voll von Touristen aus aller Herren Länder, wie ich das eigentlich nicht mal von München kannte.

Ein Schulhaus in Melnik, während wir durch den Stadtpark auf die andere Seite nach unten fahren.

Heute in der Gegenwart führt uns ein steiler Anstieg von ca. 50 Höhenmetern hinauf nach Melnik. Die Sonne sticht heiß vom Himmel, aber wir haben es relativ schnell geschafft. Durch einen schattigen Park geht es dann gleich wieder abwärts, raus aus der Stadt durch etwas unwegsames Gelände. Und nach gut zehn Kilometern führt uns Oldo durch ein paar kleinere Straßen direkt zu seinem Haus in Neratovice.

Oldo ist der sprichwörtliche tschechische Alleskönner. Er versteht es Häuser zu bauen, daher ist seine Garage auf dem allerhöchsten technischen und inhaltlichen Stand.

Wir haben zuvor bereits ausgemacht, dass er uns mit dem Auto nach Cheb zurückbringt. In dieser Stadt sind wir gestartet und dort steht das Auto von Krisch. Da es erst 16 Uhr ist, planen wir in Cheb zum Abschluss noch miteinander essen zu gehen. Christian und ich wollen danach noch nach Deutschland fahren.

Auch der geflieste Boden erhält den Garagenpreis, gestiftet von Gerhart Polt.

Wir reisen in einem nagelneuen Mercedes, den sich Odlo kurz vor seiner Rente geleistet hat. Gegen 19 Uhr erreichen wir die Straße, wo Christian seinen bescheidenen Rumänen geparkt hat. Eine Überraschung war für uns ist dann doch, dass dem Dacia das Fenster der rechten Vordertüre fehlt. Und die tausendfachen Eizelteile davon auf meinen Klamotten auf dem Beifahrersitz verteilt sind. Oldo wirkt hilfloser als Christian, als wir entdecken, dass ein Zettel hinter der Windschutzscheibe klemmt. Ein Landschaftsgärtner hat mit seinem Rasenmäher das Pech gehabt, einen Stein beim Mähen gegen das Glas des Autos zu schleudern. Wir rufen ihn an. Oldo meint, Krisch sollte das mit dessen Versicherung am kommenden Tag in Tschechien klären. Krisch bleibt cool. Er lässt sich die Daten des Verursachers geben.

Na sowas !! Was für eine Bescherung kurz vor der Heimfahrt.
Da sind einfach handwerkliche Könner am Werk und zurecht stolz.

Alsdann begeben wir uns in unser Lieblingslokal in Cheb und essen noch einmal fürstlich. Dann ist der Zeitpunkt der Trennung gekommen. In diesen unsicheren Zeiten etwas schwieriger als sonst.

Nach dieser Reise bieten wir ab September 2021 Seminare an mit dem Titel: „Absolut einbruchsicher parken!“.

Zumal wir uns einig sind, dass dies die wohl entspannteste Reise von uns Dreien bisher war. Lange geschlafen, nicht gestresst zu viele Kilometer gemacht, und rechtzeitig am Zielort, im Hotel und beim Abendessen angekommen. Alles perfekt also. Die Stimmung sowieso. Denn trotz all unserer Verschiedenheit haben wir zwar viel diskutiert, aber noch vielmehr zusammen gelacht.

Und was gibt es Schöneres als so etwas mit Menschen, die man liebt, zu erleben.

Ein letzter verträumter Blick auf den Beginn und das Ende unserer Reise: der Hauptplatz von Cheb. Hier trennen sich unsere Wege. Oldo fährt zurück nach Neratovice, und Christian und ich nach Bayern.

Die Heimfahrt mit dem Pappkarton statt der sonst üblichen Fensterscheibe neben mir, den wir nach dem Aussaugen des Autos an einer Tankstelle installiert haben, ist erfrischend und etwas hinderlich beim Linksabbiegen. Aber wir schaffen es – ohne Grenzkontrolle – gegen 01:00 Uhr gut bei Christian anzukommen.

Ich übernachte bei ihm und nehme mir vor, von Indersdorf am morgigen Donnerstag einen großen Teil des Weges in Richtung Kufstein mit dem Rad zurückzulegen.

Was wir heute geschafft haben:

Kilometer:   86,43 km

Höhenmeter: 440 hm

Durchschnitt:   19,35 km/h

Gefahrene Zeit:   268 Minuten

Noch ein paar Impressionen von der heutigen Etappe in Bildern:

Noch ein Blick auf die Hochwasserstände im Verhältnis zur übrigen Landschaft. Die Elbe ist ca. 50 m von uns entfernt.
Was man aus Müll so alles machen kann……
Mülleimer aus Gasflaschen, und ……
..Sitzgelegenheiten aus Spaten…., oder…
…einen Lesetisch aus einem nicht verwendeten Sägeblatt.

Was ich sonst noch alles so entdeckt habe, das mich beeindruckt hat:

Die Baukunst der Zukunft: rund statt einheitlichem Eckenbrei, wahrscheinlich aus dem 3D-Drucker, extraordinär und extrem individuell. Hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf die Jahre 2025, ff.
Was es wirklich ist, hat sich mir bis heute nicht gänzlich erschlossen: ein mobiles Klo, ein Trafohäuschen, oder eine Mischung aus beidem: Energieaustausch auf der ganzen Linie alsp……
Sehr nah an der Elbe gelegen und doch relativ hochwasserresistent, da kein Keller und auch noch hochgelagert. Modernes Wohnen also in denkmalgeschützt anmutendem Ambiente an Flussnähe.
Vermisst jemand seine Hose? Tausch gegen Finderlohn!
Der Faule Harry

Veröffentlicht unter 2021 Radreise Böhmen | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Radreise Böhmen 2021 – 6. Tag, Donnerstag – 23.08.2021

Heute stehe ich gegen 10 Uhr auf und gehe runter in die Küche von Christian. Ich nehme mir ein Glas Wasser aus dem Hahn über der Spüle. Nach dieser Erfrischung beginne ich meine Sachen zusammen zu klauben. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich heute, jetzt schon nach unserer eigentlichen Tour, die längste Etappe auf mich nehme. Das Wetter, wie ich aus dem Küchenfenster erkennen kann, scheint ja traumhaft zu sein. Von Indersdorf an die österreichische Grenze sind es um die 110 Kilometer. Momentan habe ich keine Lust, bei der Hitze durch ganz München zu radeln. Zudem überlege ich noch, ob ich in Dachau noch meinen Freund Mark besuche.

Auch der Landkreis Dachau hat landschaftlich etwas zu bieten.

Jetzt kommt gerade Christian zur Türe herein. Er berichtet, dass er bereits eine Werkstatt gefunden hat, die das kaputte Fenster seines Autos repariert. Er hat Grund zur Eile, denn mein Freund wird am Samstag bereits aufbrechen zu seiner nächsten Reise. Dieses Mal mit dem Auto. Dann wird er sechs Wochen lang seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: das Bereisen, das Entdecken, und das fotografische Festhalten von postkommunistischen Landschaften und vor allem Gebäuden. In diesem Jahr geht es für ihn auf den Balkan, beginnend in Istanbul und dann immer weiter in Richtung Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, etc.

Und ich dachte schon: die haben das Dachauer Volksfest am Königsplatz in München aufgebaut.

Und nur hier und jetzt nutze ich meinen Blog als Werbeplattform für meinen Freund. Seine Bilder und Kalender sind einsehbar unter www.calvendo.de unter „Produktgalerie Hallweger“. Also einfach mal reinschauen und sich von den Bildern faszinieren lassen.

Aber auch hier ist die Szenerie doch eher trostlos. Auch die schwarzen Sheriffs, die hier aufpassen, dass keine Radler Verbrechen begehen und einfach durchfahren trotz Verbot, tragen nicht zum Wohlfühlen bei. Aber vielleicht will das ja auch gar keiner mehr!?

Ich verabschiede mich von ihm und fahre über Röhrmoos und Ampermoching in Richtung Dachau. Es ist schon 10:30 h, also schon recht spät, um mich noch lange in Dachau aufzuhalten. Denn mit jedem Kilometer wächst bei mir die Lust, so viel wie möglich der Strecke auf dem Rad zu verbringen. Und so lasse ich Dachau rechts liegen und orientiere mich gen Karlsfeld. Das spart ein paar Meter und bringt mich München näher. Als ich noch überlege, ob von ich Karlsfeld aus in die S-Bahn steige und München durchquere, um dann wieder im Osten auf das Rad zu steigen, bin ich schon Richtung Moosach unterwegs. Der Weg durch München stresst mich gar nicht. Verwunderlich. Durch große Städte zu pedalieren ist nicht gerade mein schönstes Hobby. Aber heute scheint die Sonne, meine Muskeln machen mit und es geht voran. Ich komm geschmeidig durch, einzig der Hunger meldet sich immer stärker. Es ist jetzt halbzwei und schau mich um nach einem netten Lokal. Ich bin schon fast vorbei, da fällt mein Blick auf einen kleinen Gastgarten, etwas nach innen versetzt, nicht direkt an der Straße. Genau das was ich will. Und auch noch ein Asiate. Ich lasse mir eine sehr gute Frühlingsrolle, gefolgt von einer köstlichen Ente mit Gemüse und Reis schmecken. So gestärkt geht es dann weiter zur letzten Etappe.

Am Isartor

Ca. 60 Kilometer liegen noch vor mir. Ein bisschen Sorgen machen mir die möglichen Höhenmeter bei dieser Hitze. Aber es macht weiterhin Spaß, die Landschaft wird je mehr ich mich den Alpen nähere immer schöner.

Auch in Bayern gibt es schöne und gepflegte Gärten.

Ich bin geradezu euphorisiert. Daher läuft es auch wie geschmiert. Ich lasse Bad Aibling hinter mir, dann bin ich schon auf der öfters gefahrenen und mir vertrauten Strecke von Bad Feilnbach nach Brannenburg.

Und die Mangfall grüßt….

Gegen 17:30 Uhr erreiche ich mein Zuhause und freue mich, meine Gefährtin wieder in die Arme schließen zu dürfen.

Das ist doch eine nette Begrüßung zu Hause vom Hoizmandl in Bad Feilnbach

Die alljährliche Radreise ist hiermit zu Ende. Sie war eher kurz, aber immerhin: sie hat stattgefunden, was in diesen Zeiten ja schon ein hohes Maß an Dankbarkeit bei erzeugt.

Ich danke all meinen Lesern, die Ihr diese Seiten besucht habt. Ihr seid meine Motivation, meine Inspiration.

Ich freue mich natürlich auf eure Resonanz, Kritik, genauso wie Lob oder Verbesserungsvorschläge. Seid mutig, ich hab mich ja auch getraut!

Am Ende hier noch die Gesamtzahlen der Reise:

Gefahrene Kilometer:              372,45 km

Erfahrene Höhenmeter:         2.252 Hm            

Gefahrene Zeit:                         1288 Minuten

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1. Etappe von Puchschlagen nach Günz an der Günz

Nach vielen Wochen des Wartens auf mein neues Fahrrad, ein Trike, das in der Ausstattung genau auf mich zugeschnitten sein soll, hoffte ich noch am vergangenen Samstag, dass ich spätestens heute damit in den lang ersehnten Urlaub fahren kann.

Aber das Schicksal hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schon auf der Jungfernfahrt ergaben sich so große Probleme, dass ich das heiß ersehnte Fahrgerät vollkommen ernüchtert bereits nach dem ersten Wochenende wieder zurückgeben musste. Ich war stark an die erste Fahrt der Titanic erinnert, wobei natürlich niemand behauptet hat, dass mein neues Trike unsinkbar ist.
Weder der Verkäufer, geschweige denn der Hersteller. Aber schade ist das Ganze doch. Schließlich habe ich auf meiner Website „Radreisegeschichten.de“ schon Posts veröffentlicht, dass ich den ganzen April von Rom aus um ganz Sizilien herum fahren will. Habe mir Urlaub genommen – 30 Tage lang – und mein neues Fahrrad so bestellt, dass es nach Aussagen der Verantwortlichen für eine friedliche Übernahme rechtzeitig ankommt.

Mein neuer Flitzer nach der Jungfernfahrt. Er strahlt und ich auch - allerdings glänzend vor Schweiß.

Mein neuer Flitzer nach der Jungfernfahrt. Er strahlt und ich auch – allerdings glänzend vor Schweiß.

Und nun das. Kein Fahrrad am ersten April. Kein Scherz. Ok. Ich habe viel zu tun in meinem Haushalt. Erlebe mich als Stiergeborener trotzdem extrem flexibel und nicht unbedingt immobil. Alles kein Problem. Auch mein Garten will versorgt sein. Ich mähe den Rasen, kaufe Geranien und Petunien für meinen wundervollen Balkon, auf dass dieser meine Freunde auf der Party im Sommer erfreuen möge. Und ja, es ist so, dass mein Einsatz diesbezüglich immer noch Frauen am meisten ins Auge sticht. Und das hat doch was, für einen Stiergeborenen.

Als ich am Montagmorgen mit dem Anhänger meines Mitbewohners mein Trike demütig zum Pedalium nach Neuried bei München fahre, steht mein Entschluss fest. Egal, was das Schicksal mir auferlegen will: Ich gehe auf Radreiseurlaub. Komme, was denn wolle. Und er mag kurz sein, er mag mit Schwierigkeiten gepflastert sein. Und er mag mit einem Rad geschehen, das für solche Unternehmungen als eher gar nicht geeignet von fachkundigem Publikum bezeichnet wird. Einem ICE-Trike, ungefedert.

Aber mir ist jetzt alles egal. Ich will es wagen.
Ich bitte Felix, meinem Schrauber und Eigentümer von Pedalium noch ein wenig Hand anzulegen an meinem Rad. Klingel, Halterung für das Navigationsgerät, Schutzblech (wenigstens am Hinterrad).

Die Pferde sind gesattelt - endlich.

Die Pferde sind gesattelt – endlich.


Nun denn. Er meint, 160 Kilometer am Tag mit dem Rad wären ein Ding der Unmöglichkeit, als ich ihm von meinen Plänen erzähle, nach Italien reisen zu wollen. Mit einem gestrafften Programm, nachdem ich über zwei Wochen auf den Antritt meines Radlurlaubes warten musste. Klar, er ist erfahren, fährt seit Jahr und Tag ein Liegerad. Mal schauen. Es gibt ja auch Züge, in die man einsteigen kann, oder im Notfall die Mitfahrzentrale, wenn die eigenen Kräfte es nicht mehr zulassen, weiter zu fahren.

Trotzdem starte ich heute endlich in meine Radreise. Zwar bin ich noch morgenmüde, komme etwas schwer in Gang, an diesem sonnigen Dienstagmorgen, der ja geradezu zum Fenster hereinruft, man möge sich so schnell wie möglich nach draußen begeben und sich auf´s Fahrrad schwingen. Um die Strahlen des Frühlings auf die Haut zu lassen.

Aber ich habe noch ein wenig zu packen, die Blumen wollen noch gegossen werden, das eine oder andere Telefonat steht noch an. Schließlich sind die Taschen gepackt und ich bringe sie am Rad an. Eine neue Erfahrung, diese riesigen Seitentaschen am Trike. Erst konnte ich mich gar nicht vorstellen, dass sie sinnvoll beladbar sind, dachte, da würde alles nach vorne abrutschen. Aber ich sehe: es funktioniert, und es ist eine Menge Platz drin. Dort habe ich alles verstaut, was ich zum Anziehen benötige plus die Reparaturwerkzeuge, Ersatzmantel und ~schläuche.
In meiner gewohnten Seitentasche habe ich meinen grünen Rucksack mit dem Laptop, so dass ich stets mit Internet versorgt bin, und vor allem, dass ich diesen Blog verfassen kann.

Als ich gegen 13:30 h meine Wohnung verlasse, sind schon einige Wolken aufgezogen. Bin mal gespannt, ob es heute ohne Regen abgeht. Da ich an den beiden Vorderreifen keine Schutzbleche habe, wäre das echt von Vorteil.
Außerdem weht ein wirklich frischer, ja fast kalter Wind. Ich habe zwar kurze Hosen an, aber bin froh, dass ich mir mit zwei Windstoppern noch sehr sexy Reizwäsche gekauft habe, die ich über meine Beine gezogen habe.

Nach einigen Einstellungen auf meinem Navi geht es los. Gleich bedaure ich die Frauen, die diese Wäsche für uns Männer (und natürlich immer auch für sich selbst) tragen. Die Strümpfe rutschen immer weiter nach unten. Sieht irgendwie komisch aus, wenn zwischen der kurzen Hose und ihnen meine noch blasse Haut hindurch scheint. Ich versuche meine Windstopper immer wieder während der Fahrt nach oben zu ziehen. Was nicht unbedingt ungefährlich ist. Kann ich doch dabei meinen Lenker nicht festhalten, und das Rad driftet nach irgendeiner Seite.

Später habe ich mir im Zuge einer Pause die beiden Dinger ganz weit nach oben gezogen, und damit erreicht, dass ich für lange Zeit meine Ruhe habe. Also liebe Damen und Reizwäscheliebhaberinnen: wenn ihr einen Experten für das Anlegen Eurer Wäsche braucht: wendet euch vertrauensvoll an mich. Am Ende meiner Reise werde ich die notwendigen Techniken absolut beherrschen.

Uff, wo bin ich? Es geht nicht mehr weiter. Schon jetzt am Anfang meiner Reise.

Uff, wo bin ich? Es geht nicht mehr weiter. Schon jetzt am Anfang meiner Reise.


Ein erster großer Fehler war, dass ich mich sofort auf meine Navi verlassen habe. Und das in meiner eigenen Heimat. So stelle ich verärgert über mich selbst fest, dass ich nach über nun schon 30 gefahrenen Kilometern links nach Mering einbiege, auf eine Straße von Odelzhausen kommend. So habe ich also schon fast zehn Kilometer verloren und den Landkreis Dachau noch nicht mal verlassen. Wie peinlich. Wenn das so weitergeht……

Es ist eine Kopfsache. Wenn du das Gefühl hast, umsonst zu fahren, greift das deine Psyche an. Wenn du das Gefühl hast, wirklich gut voranzukommen, vergisst du die Anstrengung und kannst ein Gefühl der Glückseligkeit in dir selbst entfachen.

Aber es geht weiter. Das Wetter bleibt frisch, aber ich passiere mir so vertraute Orte wie Kissing (haben sie dort schon mal geküsst? Soll eine Wucht sein!), oder auf dem Weg nach Augsburg – Mering. Aber will ich überhaupt nach Augsburg? Ich möchte doch letztendlich nach Italien. Muss ich da durch Augsburg. Und wo ist Landsberg? Das ist doch eigentlich die Stadt, durch die ich fahre, wenn ich an den Bodensee als Zwischenziel möchte. Kein Hinweisschild, keine Ahnung. Aber ich fahre einfach weiter. Schaue ab und zu auf mein Navi, auf das ich mich gar nicht mehr verlassen möchte. Aber wo bin ich, womöglich kann es mir doch weiterhelfen!?

Nach über 50 gefahrenen Kilometern und einer eingelegten Pinkelpause (auch um meine schmerzenden, von einem starken Pelzigkeitsgefühl befallenen Füße zu entspannen), endlich ein Hinweisschild nach Landsberg. Aber was soll das: noch 24 Kilometer. Von mir zu Hause sind es gut 50 Kilometer bis Landsberg am Lech. Also schon 25 Kilometer umsonst gestrampelt. Ich versuche mich innerlich zu beruhigen, mir einzureden, ich sei doch nicht auf der Flucht. Es hilft. Aber leider nur ein bisschen. Schließlich komme ich aber doch besser voran und vor allem: in der richtigen Richtung.

Erstes Urlaubsfeeling an der Lechstaustufe. Auch wenn ich sogar hier wieder Umwege fahren darf.

Erstes Urlaubsfeeling an der Lechstaustufe. Auch wenn ich sogar hier wieder Umwege fahren darf.


An der Lechstaustufe folge ich dem Radweg, der jäh endet an einer Baustelle mit einer dermaßen abgedichteten Vollsperrung, dass ich nicht mal mit dem Fahrrad mich durchzwängen kann. Hier habe ich schon ein erstes Urlaubsfeeling, als ich die ganzen an Land gezogenen Boote auf dem Damm sehe. Nun mache ich es wie die Frauen: ich frage nach dem Weg.
Der Lech und seine Staustufe.

Der Lech und seine Staustufe.


Ein Pärchen, das mir entgegenkommt, rät mir, die ganze Staustufe zu umfahren und auf der anderen Seite mein Heil zu suchen. Gesagt. Getan. Ich umrunde das Wasser. Überall setzt der Frühling seine ersten Markenzeichen..WP_20160419_17_18_01_Pro
Die Bäume treiben aus und die Wiesen quellen über vor gelb blühendem Löwenzahn.
Die Landschaft verändert sich schon ein bisschen. Es wird hügeliger und das Unterallgäu lässt grüßen. Die Sonne versteckt sich manchmal hinter den Wolken, aber alles in allem bleibt es trockenGegen 19 Uhr erreiche ich Mindelheim und ich fahre in die Altstadt hinein. Eine wirklich süße alte Stadt mit bunten Häusern im Kern innerhalb der Stadtmauer. Ich fahre auch ganz schnell auf ein Hotel zu, das sich in einer Nebenstraße befindet. Steige ab. Klingle am Eingang. Niemand öffnet mir.
Ein erstes Ziel - das Stadttor von Mindelheim.

Ein erstes Ziel – das Stadttor von Mindelheim.


Nur eine Dame aus dem Haus gegenüber tritt auf die Straße, um ihren Abfall in der Mülltonne zu entsorgen. In breitem Schwäbisch spricht sie mich an. Ich muss mich umstellen, um zu verstehen. Sie meint, ich könne die Nummer anrufen, die an der Türe steht. Die Eigentümer hätten noch ein zweites Hotel in Erkheim, und könnten in ein paar Minuten hier sein.
Nun gesellt sich noch ein vorbei spazierendes Ehepaar dazu. Ich frage, wie weit Erkheim noch sei. Der Mann gibt Auskunft. Noch vierzehn Kilometer schätzt er. Ich überlege. Gegen 20:00 h kann ich dort sein. Ich entscheide mich, dorthin zu radeln. Lasse mir noch den Weg erklären.

Jetzt läuft es plötzlich super, wenngleich es mittlerweile empfindlich kühl geworden ist. Ich lasse die Räder laufen und hin und wieder die Kette rasseln. Das Ziel vor den Augen macht es nochmal richtig Laune. Schließlich erreiche ich das Hotel in Erkheim, in der Nähe der

Die Altstadt von Mindelheim in der Abendsonne.

Die Altstadt von Mindelheim in der Abendsonne.

bekannten Firma Baufritz, die sich auf die Errichtung von ökologischen Holzhäuser spezialisiert hat. Dankbar hieve ich meinen Body aus dem Rad und schlendere gelassen zur Rezeption. Ich läute. Eine Dame erscheint. Und selbst meine mir aus dem Gesicht springende Müdigkeit und Enttäuschung, auch mein Hinweis, ich würde auch in der Besenkammer gerne schlafen, erweichen sie nicht. Nein. Das ganze Haus wäre belegt und im Ort gibt es auch keine andere Alternative.
Rasante Fahrt von Mindelheim nach Erkheim, der untergehenden Sonne engegenkommend.

Rasante Fahr von Mindelheim nach Erkheim, der untergehenden Sonne engegenkommend.


Ich bin konsterniert. Ich bettle. Ich falle auf die Knie. Sie hilft mir endlich hoch und telefoniert mit einem anderen Haus. Ich habe Glück. In Günz an der Günz im Hotel Laupheimer oder so ähnlich, hätten sie noch ein Zimmer frei. Frau Erkheim erklärt mir den Weg. Es seien nur ca. sechs Kilometer. Ich schwinge mich wieder auf´s Rad. Es wird schon dunkel. Und vor allem: es ist mittlerweile eiskalt geworden. Schlotternd komme ich am Hotel an. Meine Sachen darf ich noch in den zweiten Stock tragen in ein riesiges, für einen König, oder sagen wir mal, zumindest für einen Grafen bereitetes Zimmer. Immerhin. Mir wird wieder warm dabei.

Schnell stehe ich unter der Dusche und begebe mich ins Restaurant nach unten. Ich habe großen Hunger. Zwei Herren am Nebentisch sprechen mich sofort an. Der eine arbeitet bei der MAN in Karlsfeld. Er will wissen, woher ich komme und legt mir dar, dass er sich in meiner Heimat gut auskennt. Ich möchte endlich bestellen. Aber die beiden sind nett – und ich auch. Schließlich stehen sie auf, und geben mir die Chance, meinen Magen nach einem anstrengenden Tag zu füllen.

Nach dem ergiebigen Abendessen falle ich nach ein Fernsehen in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Die Daten des ersten Tages in der Zusammenfassung:

Strecke: 127,08 Kilometer
Fahrzeit netto: 05:58:47 Stunden
Brutto: von 13:30 h bis ca. 20:30 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 21,25 kmh
Höhenmeter: 882 m

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2. Etappe von Günz an der Günz nach Konstanz

Als ich aufwache, scheint durch die Gardinen schon ein wenig die Sonne. Erst denke ich, endlich habe ich mal wieder sehr lange geschlafen. Aber nachdem ich durch hilfloses umhertapsen endlich die Fernbedienung des TV-Geräts gefunden und dieses eingeschaltet habe, stelle ich fest, dass es gerade sieben Uhr morgens ist. Macht nix, waren es doch fast acht Stunden erholsamen Schlafes.

Das erste, was ich an diesem Tag merke, ist, dass meine Lunge durch die erbarmungslose Kälte am gestrigen Abend doch ein wenig gelitten hat. Ich huste mir die Seele aus dem Leib, hoffe, dass ich mir nicht eine ausgewachsene Erkältung zugezogen habe.

Nach dem Anlegen meiner Windstopper. Eine Reizwäsche, die mich ständig wütend macht, weil es auch eine "Rutschwäsche" ist.

Nach dem Anlegen meiner Windstopper. Eine Reizwäsche, die mich ständig wütend macht, weil es auch eine „Rutschwäsche“ ist.


Ich ertappe mich beim negativen Denken und switche sofort um. Ich werde einfach weiterfahren. Die Sonne strahlt vom Himmel, und alles ist in Ordnung.
Da ich gestern Abend wirklich sehr kaputt war, beginne ich noch vor dem Frühstück mit dem Schreiben an der gestrigen Etappe. Das flutscht auch ganz ordentlich. Fertig bin ich damit allerdings nicht, als ich mich gegen kurz vor Neun zum Frühstück ins Erdgeschoss der Herberge begebe. Eine ältere Dame erwische ich gerade beim Abräumen des Frühstücksbüffets. Als sie mich wahrnimmt, fragt sie mich eifrig, ob sie noch Wurst und Ei bringen kann. Ich bejahe, denn ich habe schon früh am Tage einen Bärenhunger, und schließlich muss ich mir eine Reserve für die nächste anstrengende Etappe anessen.

Das gelingt auch ganz gut, ich habe auch viel Durst, mache mir mehrere Tassen Kräutertee und von einem asiatischen Tee, den ich später entdecke, versehen mit Limone, der hervorragend schmeckt.

Zurück im Zimmer räume ich meine Sachen zusammen. Da ich mal vermute, dass das Wetter zwar schön, aber weiterhin herrlich erfrischend ist, zwänge ich mich wieder in meine Windstopper-Reizstrümpfe. Jaja, das macht Sinn, auch wenn der eine oder die andere unter meinen Lesern herzhaft darüber lachen möge. Dafür ist der Blog (ja auch) da.

Alles zusammengepackt begebe ich mich zur Rezeption. Ich klingle. Eine Dame kommt aus der Küche und mustert im Vorbeigehen interessiert meine Reizwäsche. Ich bin also böse und verwegen. Spreche sie sofort auf ihre Blicke an meinen Beinen entlang an. Aber sie wendet sich ab und sucht verzweifelt irgendetwas in einer abgewandten Ecke des Rezeptionskapuffs. Sie wünscht mir noch eine gute Fahrt, gerade als mich ein weiterer Angestellter auf mein Fahrrad anspricht, dass ich vor dem Brauereigebäude hinter dem Haus unters schützende Dach gestellt, und an einer mit Bierkisten aufgestapelten Euro-Palette festgezurrt habe. Ich erteile ihm bereitwillig Auskunft auf seine Fragen zum Rad.

Löwenzahnwiesen allerorten im Unterallgäu. Der Frühling grüßt  mit Sonne und blauem Himmel.

Löwenzahnwiesen allerorten im Unterallgäu. Der Frühling grüßt mit Sonne und blauem Himmel.


Nun geht es raus an die frische Luft. Ich habe mich heute Morgen akribisch vorbereitet und mir alle Orte bis Lindau auf ein Stück Papier geschrieben, um das Verzetteln zu vermeiden. Komisch, dass man das gerade mit einem Zettel bewerkstelligen kann.

Ich fahre aus dem Hof der Brauerei und biege rechts auf die Straße. Ich orientiere mich nach Memmingen, die erste größere Stadt auf meinem Weg nach Konstanz. In Konstanz möchte ich heute Abend übernachten, morgen die ungefähr hundert Kilometer nach Zürich fahren und dann mit dem Zug nach Chiasso zur Staatsgrenze nach Italien weiterreisen. Dann am Freitag in Richtung Borgosesia, einem kleinen Städtchen im Aosta-Tal im nordwestlichsten Zipfel Italiens entgegen fahren. Dort lebt eine gute Freundin aus den Achtziger und Neunziger Jahren, die ich das letzte Mal 2005 gesehen habe, als ich sie mit meiner damaligen Freundin auf der Heimreise eines Frankreich-Urlaubs besucht habe. Spontan und unangekündigt, wie auch diese Woche.
Schnell finde ich den Weg durch das Unterallgäu. Riesige Blumenwiesen säumen meinen Weg und ich habe das Gefühl, Gänseblümchen und Löwenzahn fühlen sich hier zu Hause. Es ist wundervoll, die Wiesen vom Rad zu betrachten, unter blauem Himmel alles strotzend von Grün und Gelb.

Nicht alles auf meiner Reise ist schön!!

Nicht alles auf meiner Reise ist schön!!


Ich komme gut voran und bin bemüht im Gegensatz zu gestern, viele Umwege zu vermeiden. Einer allerdings bleibt mir nicht erspart. Kurz vor zwölf Uhr biege ich von der Hauptroute ab, um in einem Ort die Sparkasse aufzusuchen. Leider hat die Sparkasse am Mittwoch für Kundenverkehr immer geschlossen. Ich hätte gerne einen 500 Euroschein getauscht, den ich mir bei der Bank meines Vertrauens für einen Kauf mal geholt hatte. Irgendwie habe ich Angst, dass ihn mitschleppe, und ihn doch keiner will.
Ein Kumpel beim savoir vivré.

Ein Kumpel beim savoir vivré.

Ich kurble zurück und schlage nunmehr den Weg nach Leutkirch ein. Es macht wirklich Spaß, mit dem Trike zu fahren. Mit einer Ausnahme: meine Füße leiden sehr. Werden pelzig und teilweise beginnen zwischen Kilometer 80 bis 90 die Zehen meines rechten Fußes dermaßen zu schmerzen, dass ich einfach aufhören möchte. Ich muss ständig pausieren. Absteigen. Wenn das so weitergeht……

Ein Traum von einem Haus und gepflegtem Drumherum. Herrlich!

Ein Traum von einem Haus und gepflegtem Drumherum. Herrlich!


Leider habe ich kein Bild von der beschilderten Abzweigung gemacht. Aber eine Ausschilderung führte auf den „Hoschmiweg“. In Oberbayern lautet die adäquate Übersetzung aus dem Schwäbischen: „Host-Mi-Weg“. Dieser Weg könnte existenziell sein, verführt er doch, allen (anderen) klar machen zu wollen, mich zu verstehen. Ich habe aber spontan in eine andere Richtung eingeschlagen. Erst möchte ich mich selbst sehr gut verstehen!
Es gibt Menschen, die lieben ihr  Zuhause - und zeigen es allen anderen, die es sehen möchten.

Es gibt Menschen, die lieben ihr Zuhause – und zeigen es allen anderen, die es sehen möchten.


Das Wetter ist heute wirklich toll und seit geraumer Zeit denke ich darüber nach, meine Strümpfe auszuziehen. Aber mir ist klar, dass ich das nicht am Straßenrand tun darf. Weibliche an mir vorüberfahrende Automobilistinnen könnten Gefahr laufen, schwerste Unfälle zu verursachen. Männliche Fahrer könnten ihre Partnerinnen verlieren, wenn diese einen Blick auf mich wagen würden.

Insofern nutze ich die Gelegenheit, als ich mich nach dem Städtchen Wangen im Allgäu ein wenig verfahre und nach einer kurzen Unterredung mit einem jungen Montainbike-Fahrer wieder auf den richtigen Weg finde. Der führt durch ein kurzes Waldstück neben der Eisenbahn. Ich nutze die Gunst der Minute, reiße mir Schuhe und Windstopper vom Leib. Alles geht ganz schnell. Dann folge ich den Anweisungen meines jungen Freundes. Aber irgendwie verfahre ich mich wieder. Teilweise sind die Radwege Richtung Lindau ausgeschrieben. Aber an manchen Kreuzungen findet sich – NICHTS. Und ich stehe da wie der Ochs vorm Berg. Rätsle, wohin es gehen könnte – und schlage natürlich die falsche Richtung ein.
Umwege – sind wohl das Motto meines Lebens. Egal – Hauptsache, sie führen zum Ziel. Wie geht´s dir damit, lieber Leser? Kennst du die Problematik? Bitte lass es mich per Kommentar wissen. Ich freue mich zu lesen, wenn anderen das Leben ähnlich oder vielleicht auch ganz anders spielt.

Obstwiesen und Weinanbau. Schon am Duft zu unterscheiden.

Obstwiesen und Weinanbau. Schon am Duft zu unterscheiden.


Es ist wirklich erstaunlich, wie warm es plötzlich ist. Der kalte Wind ist verschwunden. Ich cruise durch Obst- und Weinbauplantagen. Hier im Süden steht alles in voller Blüte und ich habe das Gefühl, schon in Italien zu sein, so weit ist die Natur im Vergleich zum kalten München bereits.

Wein von Obst ist hier sehr leicht am Geruch zu unterscheiden. Obst – geruchlos (im Vorbeifahren), Wein: schwefelhaltiger Duft.

Endlich erreiche ich Friedrichshafen, die Stadt von Graf Zeppelin. Ich habe Lust auf einen Capuccino. Schnell finde ich einen Italiener gegenüber des Zeppelinmuseums – wie könnte es auch anders sein. Das Leben tobt hier. Neben mir an den Tischen sitzen der Sprache nach zu urteilen viele Menschen aus dem Balkan.

Das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen am Bodensee. Vom Garten einer Pizzeria während dem Abendessen fotografiert.

Das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen am Bodensee. Vom Garten einer Pizzeria während dem Abendessen fotografiert.


Teilweise Frauen beim Ratsch, Männer mit ihrer Liebsten, oder auch Mütter mit ihren Kindern. Ich bestelle mir einen italienischen Milchkaffe mit Espresso und eine vegetarische Pizza. Sie ist so überraschend groß, dass ich froh bin, dass dieses ominöse Ding schon spätestens ab 18:23 Uhr durch meinen Magen zersetzt wird. Viel später hätte dieses Organ keine Chance mehr, bis Donnerstagmorgen damit fertig zu werden.
DER ZEPPELIN für Kinder vor dem Museum.

DER ZEPPELIN für Kinder vor dem Museum.


Ich schließe meine technischen Geräte an die mitgeführte Powerbank an, um sie wieder aufzuladen. Dann setze ich meinen Weg fort. Noch knappe 20 Kilometer nach Meersburg. Ich war dort schon einige Male, und weiß, wo die Fähre nach Konstanz übersetzt. Da ich wohlweißlich mein Hotel schon in Friedrichshafen gebucht habe, muss ich es also nur schaffen, in Konstanz anzukommen. Scheint nicht schwierig zu sein.
So sehen die Städte am Bodensee aus: bunt und pittoresk.

So sehen die Städte am Bodensee aus: bunt und pittoresk.


Auf meinem Weg sprechen mich von oben herab plötzlich zwei Schweizer (L)eidgenossen an. Wir suchen alle den Radweg nach Meersburg. Schließlich finden wir ihn und kommen ins Gespräch. Sie wollen über das Fahrgefühl in einem Trike erfahren. Mich interessiert, ob die Schweizer Bundesbahn mich von Zürich nach Chiasso mitnimmt.
Oder auch so............ Vielleicht bin ich doch schon in Neapel????

Oder auch so………… Vielleicht bin ich doch schon in Neapel????

Wir helfen uns gegenseitig. Ich erhalte den Tipp, dass ich ihn Airolo aussteigen sollte (am Pass des Sankt Gotthart) und mir die Abfahrt nach Italien gönnen solle. Ich habe nochmal dringlich nachgefragt, ob es wirklich eine dauerhafte Abfahrt sei. Mein Kollege an der rechten Seite bejahte. Ich werde später berichten, ob er mich verkackeiert hat.

Eine italienische Eisdiele. Ach wäre ich doch schon in meinem geliebtem Italien!!!

Eine italienische Eisdiele. Ach wäre ich doch schon in meinem geliebtem Italien!!!


Als wir gerade bei schneller Fahrt unser Gespräch fortsetzen wollen, tut es einen Knall. Ich weiß augenblicklich, dass es mich betrifft. Ich bremse jäh und bringe mein Gefährt zum Stehen. Die beiden Schweizer Freunde halten an, fragen sofort, ob ich Unterstützung benötige. Da ich weiß, dass ich alle Ersatzteile bei mir habe, winke ich mit einem Dankesgruß ab, und die beiden setzen ihren Weg fort.
Nach der lautstarken Verpuffung: So sieht mein Vorderreifen aus.

Nach der lautstarken Verpuffung: So sieht mein Vorderreifen aus.

Mein Fahrrad wird, auf der Seite liegend, gut von mir behandelt. Die Fahrt kann bald weitergehen.

Mein Fahrrad wird, auf der Seite liegend, gut von mir behandelt. Die Fahrt kann bald weitergehen.


So. Nun war die Feuerprobe gekommen. Zwei linke Hände am Körper, und die Ersatzteile im Kofferraum. Ich bin mutig. Drehe das Rad um. Schaffe es hurtig, Schlauch und Mantel von der Felge zu ziehen. Dann stöbere ich in meinem Ersatzteillager. Für einen kurzen Moment erschrecke ich. Es hatte nämlich den Mantel des linken Vorderreifens zerrissen. Wundert mich nicht. Und ich erstelle mit Erschrecken fest, dass ich zwar zum Glück einen Mantel habe, aber keinen zweiten für das zweite Vorderrad. Die Reifen sind in einem erbärmlichen Zustand. Ich wechsle Schlauch und Mantel, was in ein paar Minuten erledigt ist. Aber: plötzlich umgarnt mich das sehr bestimmte Gefühl, dass gleich der nächste Mantel platzt. Lieber Gott, lass mich bitte heil nach Konstanz kommen.
Eine von Konstanz ankommende Fähre, die hierin Meersburg alle 15 Minuten auslaufen.

Eine von Konstanz ankommende Fähre, die hierin Meersburg alle 15 Minuten auslaufen.


Gott erhört mich. Es läuft recht gut seit der Reparatur. Vielleicht habe ich mir das ja auch durch meinen engagierten Einsatz am Straßenrand verdient!?
Gegen 19:45 h befinde ich mich auf der Fähre nach Konstanz. Schnell bringe ich meine Altlastenteile im Mülleimer des Schiffes unter, und muss den Room-Service meines Hotels morgen nicht mit der Entsorgung von diversen Gummiteilen (Schlauch und Mantel) belasten.
In Konstanz angekommen, befrage ich mein Navi nach der Turmschreibergasse 2. Dort soll sich mein Hotel befinden. Das Navi macht mit. Aber mein Fahrrad muckt plötzlich auf. Ich bemerke bei der rasanten Abfahrten in Richtung Zentrum von Konstanz, dass meine Kette an den vorderen Zahnrädern ungewöhnlich weit, und zwar fast bis zur Straße herunter hängt.
Der Blick auf die Schweizer Berge von Meersburg aus.

Der Blick auf die Schweizer Berge von Meersburg aus.


Passt das zusammen mit meinem Wunsch, morgen sowieso ein Fahrradgeschäft aufzusuchen, wegen eines zusätzlichen Mantels für meine 20“ Räder? JA. Das passt. Und als ich laut Navi 260 Meter vor dem Hotel bin, taucht ein riesiges Schild auf.
Konstanz vor Augen.

Konstanz vor Augen.

Ich bin glücklich, weil das Leben einmal mehr immer das liefert, was wir Menschen wirklich brauchen. Ein Fahrradbetrieb: INDIGO -Verleih/Verkauf/Reparatur.

Glücklich schiebe ich mein Trike unter den lachenden Blicken der Passanten in den Kneipen um mich herum zum Hotel. Es ist ja nicht mehr weit.
Die Dame an der Rezeption des Stadt-Hotels ist bedingt freundlich. Nein, schon sehr. Aber sie weißt mich darauf hin, dass es keine Stellplätze für mein Fahrrad gäbe. Ich erwidere, dass ich das nicht nur für den Preis noch nie erlebt habe. Das ist ihr aber relativ egal.
Mir im Übrigen auch. Ich parke mein Bike genau gegenüber vom Eingang des Hotels. Da auch noch die Kette von den Zahnrädern gesprungen ist, ist es eh nicht „klaubar“. Und Regen ist auch nicht angesagt. Alles gut also.

Dem Himmel sei Dank. Zweihundert Meter vor meinem Hotel eine Radlwerkstatt. Da kann ich beruhigt Schlafen gehen.

Dem Himmel sei Dank. Zweihundert Meter vor meinem Hotel eine Radlwerkstatt. Da kann ich beruhigt Schlafen gehen.

Ich dusche mich und suche eine Kneipe zum Verfassen meines Blogs auf. Und lande im TURM. Eine urige und gemütliche Altstadtbeiz mit freundlichen Bedienungen und einem guten Bier, das ich mir nach dem anstrengenden Tag schmecken lasse.

Die Daten des ersten Tages in der Zusammenfassung:

Strecke: 144,23 Kilometer
Fahrzeit netto: 07:09:50 Stunden
Brutto: von 10:30 h bis 20:30 h = ca. 10 Stunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,13 kmh
Höhenmeter: 909 m

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3. Etappe, die gar keine war: Konstanz – Radolfzell – Konstanz

Nach nicht zu langer Nacht in meinem engen Hotelzimmer erwache ich bereits durch die Helligkeit, die durch die Zimmerfenster dringt gegen 07:00 h. Nein, das muss nicht sein. Ich drehe mich um, döse noch eine gute Stunde weiter, einige Gedanken über den Tagesablauf im Kopf.

Konstanz an einem Frühlingsmorgen

Konstanz an einem Frühlingsmorgen


Gegen 08:30 h mache ich mich auf die Socken. Packe meine Sachen und stelle sie bereit. Dann begebe ich mich auf die Straße, wo mein Trike die Nacht wohl gut überstanden hat. Ich schiebe das Rad die zweihundert Meter zu INDIGO, einem Radgeschäft, das sich im Untergrund befindet. Ich erspähe den Eingang sofort und schiebe mein Rad hinunter wie zum Eingang einer Tiefgarage. Hinter einer geöffneten Türe vermute ich die Fahrradwerkstadt. Und wahrlich – so ist es. Gleich kommt ein Alt-Achtundsechziger mit grau-meliertem Wuschelkopf auf mich zu. Er widmet sich nach meiner kurzen Beschreibung des Schadens direkt meinem Rad. Bewegt hier mal etwas, ruckelt da am Kettenspanner, schüttelt wieder seinen sympathischen Wuschelkopf. Nein, meint er, da könne er nicht helfen. Das Schaltwerk wäre kaputt und es ein Risiko, noch sehr weit damit zu fahren. Dieses sei ein spezielles Zehnfach-Schaltwerk der Firma SRAM, die heutzutage nur noch selten verbaut würden.

Na gut. Aber er nennt mir immerhin noch drei Radwerkstätten, eines davon sogar ein Liegerad-Geschäft. Einer der drei hätte vielleicht sogar ein Schaltwerk wie ich es bräuchte. Er zieht die Kette wieder stramm, so dass ich auf jeden Fall erst mal damit fahren kann. Als ich ihm erzähle, dass ich auf meiner Reise noch ca. 800 km vor mir hätte, meint er, dass das das alte Schaltwerk nicht mehr mitmachen würde.

Als wir auf der Straße stehen, wo er mir die Wege erklären will, kommt auf einem Fahrrad ein Kollege vorbei. Sie grüßen sich, er hält an, und weil er in einem der Radläden arbeitet, den ich aufsuchen sollte, kann hier schon mal ausgeschlossen werden, dass das Schaltwerk dort vorrätig ist. Dann waren es nur noch zwei.

Ich bedanke mich für die freundliche Behandlung und lege los zum Radium, einem Spezialgeschäft für Liegeräder und Trikes. Schon durch die Schaufenster erkenne ich eine Vielzahl mir bekannter Liegerad- und Trikemarken, die dort im Laden stehen. Ich trete ein. Ein Preuße, eher zurückhaltend, aber sehr hilfsbereit, wie sich gleich herausstellt, widmet sich mir sofort. Er bittet mich das Fahrrad auszuziehen (wie das halt beim Onkel Doktor so ist). Ich löse alle Taschen vom Rad, und er zieht es danach an einem Seilzug in die Höhe.
Auch er stellt fest, was ich schon weiß: das Schaltwerk ist defekt und muss ausgetauscht werden. Naja. Dann widmen wir uns zuerst mal den Reifen.

Konstanz am 20. April 2016

Konstanz am 20. April 2016


Ich habe gestern nach meiner Panne einen extrem dünnen Ersatzmantel aufgezogen, dem der Experte keine lange Lebensdauer in Aussicht stellt. Zumal die Reifendicke auf den beiden Vorderrädern auch noch grundverschieden ist. So darf er mir zwei gleichwertige und vor allem gleichartige Reifen der Marke Kojak (ohne Lolly) verkaufen und auch gleich noch aufziehen. So werde ich 69,- € los und habe noch keine Ahnung, ob ich meine Reise fortsetzen kann. Denn ein SRAM-Schaltwerk hat auch er nicht auf Lager. Bestellen könnte eventuell bis über das Wochenende dauern, bis es eingebaut wäre.
Immerhin bekomme ich noch einen Radladen zusätzlich genannt und schiebe mein ICE wieder aus dem Radium. Um mich sofort auf den Weg in die Inselgasse zu Radial zu machen. Ich finde das Geschäft relativ schnell, obwohl es sich in einem Hinterhof befindet.

Auch hier bedient mich ein extrem freundlicher Mitarbeiter. Er sagt aber auch, dass das Schaltwerk nicht provisorisch gerichtet werden kann. Er könne sich vielleicht in einem Anfall an Interesse ein Wochenende damit beschäftigen, was uns beiden aber natürlich nichts bringt. Ein Schaltwerk der Marke SRAM hat er nicht. Ein anderes der gängigen Marken könne aus Kompatibilitätsgründen nicht eingebaut werden. Alles klar. Ich schiebe mein Rad wieder vorsichtig nach draußen. Brauche eine kleine Pause vor den nächsten Tiefschlägen. Fahre im Schritttempo durch die Stadt und Fußgängerzonen. Das Wetter ist prächtig, ein bisschen frisch, aber die Sonne strahlt vom Himmel.

Ich kenne sie nun alle, die Fahrradgeschäfte am Bodensee

Ich kenne sie nun alle, die Fahrradgeschäfte am Bodensee


Schade, dass mein Plan, heute bis Zürich zu radeln, wohl nicht klappen wird. Momentan habe ich nicht mal eine Ahnung, ob es überhaupt weiter geht. Mein Magen knurrt mittlerweile gewaltig. Aber einen Versuch unternehme ich noch, bevor ich beim Griechen einkehre. Ganz in der Nähe des Restaurants befindet sich der letzte Tipp, den ich bekommen habe. Der Kollege steigt sogar tief in den Keller, um das einschlägige Schaltwerk ausfindig zu machen. Leider kehrt er unvermittelt und ohne positive Ergebnisse zurück. Nicht ohne mir einen letzten Hinweis auf ein Expertengeschäft zu geben. Ob ich schon bei Jester gewesen wäre, ein ausgemachter Mountainbikespezialist, der sehr viel mit SRAM arbeiten würde.
Impressionen aus Radolfzell. Fast schon wie im Süden jenseits der Alpen. Und auch ein bisschen wie München.

Impressionen aus Radolfzell. Fast schon wie im Süden jenseits der Alpen. Und auch ein bisschen wie München.


Dankbar gehe ich erst mal essen. Ein Mittagsgericht, Hühnchen am Spieß mit Kartoffeln und Salat. Schmeckt richtig lecker. Der Laden wirkt ein bisschen wie aus den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Bedienung ist sehr freundlich. Allerdings ist sie so dick, dass man, wenn man etwas weiter von der Küche entfernt Platz gefunden hat, sich eher auf eine kalte Vorspeise konzentrieren sollte. Dass das Essen warm, geschweige denn heiß ankommen würde, ist kaum wahrscheinlich. Sicher, in Griechenland in der Hitze unter der Akropolis würde das Essen nicht so schnell kalt werden.

Aber wie gesagt, ich bin dankbar, dass es diese nette Bedienung gibt, die mir eine wohlschmeckende Mittagsspeise kredenzt.
Nunmehr gestärkt setze ich meinen Weg zu Jester fort. Ein junger Mann bedient mich. Als ich ihm erkläre, dass er meine letzte Hoffnung sei, dass ich meine begonnene Radreise fortsetzen kann, legt er einen Zahn zu. Er wirkt zunächst überzeugt, dass er das ominöse Schaltwerk vorrätig hat. Er zieht selbstbewusst eine Schachtel aus einem Regal. Während er darin wühlt, wirken seiner Gesichtszüge immer verzweifelter. Fast entschuldigend, aber in jedem Fall bedauernd wendet er sich mit einem hilflosen Achselzucken an mich: er sei sich sehr sicher gewesen, dass sie das erforderliche Schaltwerk da gehabt haben, aber in den letzten Tagen sind wohl alle Schaltwerke abverkauft worden.

Das wunderschöne Allensbach auf dem Weg nach Radolfzell.....

Das wunderschöne Allensbach auf dem Weg nach Radolfzell…..


Aber er hätte eine Idee. Ob ich denn schon bei JOOS gewesen sei. Ich verneine. Er sucht mir die Adresse raus, während ich bei bahn.de checke, wann ich im Laufe des späteren Nachmittags nach München zurückreisen kann. In Deutschland zu bleiben macht meinen Sinn, weil die Wettervorhersage für die kommenden Tage extrem bescheiden ist. Ich könnte am Abend gegen 23:00 h am Münchner Hauptbahnhof sein.
Ohne Umschweife und vor allem ohne Umfrage konnte ich Allensbach passieren

Ohne Umschweife und vor allem ohne Umfrage konnte ich Allensbach passieren


Aber die letzte Möglichkeit bei JOOS will ich nicht unversucht lassen. Ich rufe an. Nein, sagt der freundliche Mitarbeiter, so ein Schaltwerk habe er nicht. Und wie alle anderen bereits vorher, schlägt er auch vor, dass er eines bestellen kann. Aber garantieren, dass es
Ein männlicher Rauschgoldengel

Ein männlicher Rauschgoldengel

bis Montag geliefert sei, kann er nicht. Ok, das ist sowieso keine Alternative. Aber er ruft nochmal einen Kollegen bei JOOS in Radolfzell an. Er würde sich gleich wieder bei mir melden. Gesagt, getan. Fünf Minuten später habe ich ein Erweckungsgefühl: ja, das Schaltwerk ist vorrätig Radolfzell, und ja, Kollege Schmitt würde es mir auch heute noch einbauen. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Ich lege sofort los.

Als meine Füße sofort wieder pelzig werden und zu schmerzen beginnen, erinnere ich mich an das Gespräch darüber am Morgen bei Radium, dem Dreiradladen. Der Eigentümer bestätigte mir nämlich auf mein Wehklagen, dass dies wahrhaftig das Problem bei dieser Art der Fortbewegung sei. Was man tun könne? Er meinte, es entweder mit einer härteren Sohle zu probieren, oder die Schuhe nicht so fest zu schnüren.

Schauinsland, denn Italien ist nicht mehr weit.......

Schauinsland, denn Italien ist nicht mehr weit…….

Ja, und Letzteres war doch einfach mal einen Versuch wert. Und siehe da. Es wird sofort leichter, die Schmerzen lassen nach. Verschwinden nicht völlig, aber es wird erträglich. Ich bin glücklich. Ist es doch das Einzige, was mich bisher noch gestört hat am Fahren auf drei Rädern.
.....nicht nur ich bin auf der Suche.....Wo ist Italien???

…..nicht nur ich bin auf der Suche…..Wo ist Italien???

Komischerweise finde ich in Radolfzell schnurstracks zu JOOS, wie an der Schnur gezogen trudle ich dort entspannt ein. Herr Schmitt, ebenfalls ein ausgemachter Preuße, widmet sich wahrscheinlich mir, sieht mich aber in unserer gesamten folgenden und späteren Konversation nicht einmal an. Er ist groß gewachsen, hat ein kleines Bäuchlein und ist wie alle JOOS-Mitarbeiter komplett in schwarz gekleidet. Er meint, ich solle um 17:30 h wieder kommen und das Fahrrad abholen. Überrascht war er nur, weil er nicht darüber informiert war, dass es sich um ein Trike handelt.

Die Tulpen von Allensbach, auf meiner Rückfahrt nach Konstanz mit dem reparierten Rad entdeckt

Die Tulpen von Allensbach, auf meiner Rückfahrt nach Konstanz mit dem reparierten Rad entdeckt


Ich begebe mich nach draußen und marschiere in die Fußgängerzone, die direkt am Geschäft anfängt. Gleich hält mich eine hübsche Blondine auf. Sie drängt mir ein Gewinnspiel auf und erklärt mir auf meine Anfrage, wie ich darauffolgende lästige Werbung durch spezielles
Mein Trike bei JOOS in Radolfzell, nach der Frischzellenkur mit neuem Shimano-Schaltwerk

Mein Trike bei JOOS in Radolfzell, nach der Frischzellenkur mit neuem Shimano-Schaltwerk

Nichtankreuzen auf dem Gewinnschein vermeiden kann. Bin mal gespannt, wie viele Anrufe und Postwurfsendungen ich in den nächsten Wochen und Monaten erhalten werde. Aber sie ist aufgeweckt, lustig und erfreut sich an meiner eigenen Fröhlichkeit, wie sie mir mitteilt. Ein Foto für meinen Blog verweigert sie mir allerdings. Schade, ich hätte euch gerne gezeigt, mit welch attraktiven Damen ich mitunter auf meiner Reise ins flirten komme.

Positiv gestimmt kaufe ich mir am Bahnhof in Radolfzell ein Bahnticket für eine Reise von Konstanz nach Chiasso am morgigen Freitag. Da ich nun schon einen ganzen Tag auf meinem Trip verloren habe, und ich auf wärmeres Wetter in Italien hoffe, eine Alternative.
Um 17:30 h fällt mein Blick sofort auf mein Fahrrad, das da vollkommen nackt im Werkstattbereich von JOOS mutterseelenallein, und vor allem OHNE Schaltwerk herumsteht. Schmitt kommt herbei und meint, da gäbe es Schwierigkeiten mit dem Einbau. Vielleicht weil ich anbei bin, hebt er das Gefährt auf eine Tisch und prüft es nochmals mit einem Kollegen.
Und plötzlich höre ich sie sagen, dass es ja möglich sei, ein Shimano-Schaltwerk zu installieren. Und DARAUF warte ich nun schon den gesamten Tag. In der Stunde Wartezeit gehe ich nochmal was essen. Pünktlich zum Geschäftsschluss um 18:30 h fahre ich das nun reparierte ICE aus der Türe von JOOS. Kaum zu glauben. Und es funktioniert sogar. Zwar nicht so geschmeidig wie die SRAM, aber immerhin. Ich kann weiter fahren. So cruise ich jetzt zurück

Der Garten meines Hotels direkt im Wald und am See - wirklich toll. Ein Platz eigentlich zum länger Verweilen

Der Garten meines Hotels direkt im Wald und am See – wirklich toll. Ein Platz eigentlich zum länger Verweilen

nach Konstanz und fahre direkt zum Waldhotel Jakob. Dort bekomme ich ein wunderschönes Zimmer direkt am Bodensee in ruhiger Waldlage. Ich bin wirklich begeistert. Schnell springe ich unter die Dusche, wasche mir die Sonnenmilch, die ich heute endlich benutzt habe, nachdem ich mich bei der gestrigen Fahrt das ganze Gesicht aufgebrannt habe, aus dem Gesicht. Dann geht es ins Restaurant zum Schreiben meines Blogs bei einem gemütlichen Bierchen.
Ich weiß, ich weiß, es ist nicht besonders romantisch mit diesem aber doch außergewöhnlichen Bild zu enden. Oder vielleicht doch? Ich habe noch nie eine Herrentoilette mit Klorollen an den Pissoirs entdeckt. So muss eben hier "der letzte Tropfen" nicht zwangsweise in die Hose gehen

Ich weiß, ich weiß, es ist nicht besonders romantisch mit diesem aber doch außergewöhnlichen Bild zu enden. Oder vielleicht doch? Ich habe noch nie eine Herrentoilette mit Klorollen an den Pissoirs entdeckt. So muss eben hier „der letzte Tropfen“ nicht zwangsweise in die Hose gehen

Die Tageszusammenfassung in Zahlen

Strecke: 56,95 Kilometer
Fahrzeit netto: 03:22:46 Stunden
Brutto: von 10:00 h bis 20:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,85 kmh
Höhenmeter: 321 m

Veröffentlicht unter Radreise April 2016_Bodensee - Schweiz - Italien - Bozen | 3 Kommentare

4. Etappe: mit dem Zug von Konstanz nach Chiasso, mit dem Fahrrad nach Gravellona

Als ich heute um 7:00 h erwache, scheint es hell durch das Fenster. Irgendwie hatte ich erwartet, dass das Wetter vielleicht schon umgeschlagen hat. Ich fühle mich nicht erfrischt und versuche noch ein wenig zu schlafen, was mir kaum gelingt. Ich darf ja auch nicht verschlafen. Das Zugticket gilt nur für die gekaufte Verbindung, weil es die einzige mit Fahrradmitnahmemöglichkeit ist.

Konstanz am Morgen und in Sicht auf dem Weg zum Bahnhof.

Konstanz am Morgen und in Sicht auf dem Weg zum Bahnhof.


Der Zug startet um 10:03 h vom Hauptbahnhof in Konstanz. Ich frühstücke, checke derweil meine Emails. Dann geht es ans Aufsatteln. Gerade heute, als ich unter Zeitdruck bin, sprechen mich zwei Hotelgäste auf mein Fahrrad an. Wie es sich fährt, woher ich komme, wohin ich fahre. Alles interessant und ich liebe es, mir für sowas ausgiebig Zeit zu nehmen. Aber heute Morgen geht das leider nicht.

Um 09:35 h fahre ich los, nach Anweisung des Portiers vom Hotel einen kürzeren Weg, als den, den ich gestern bei meiner Anfahrt zum Hotel genommen habe. Und wirklich, trotz meiner Unsicherheit aus anderen Erfahrungen: es funktioniert und ich bin rechtzeitig am Bahnhof. So. Nun beginnt das nächste Problem. Wie bringe mein Dreirad auf die Gleisseite, von der der Zug abfährt, wenn kein Lift vorhanden ist, wie hier in Konstanz. Ich möchte schon Passanten fragen, als mich ein netter ausländischer Bahnmitarbeiter darauf hinweist, dass ich am Ende des Bahnhofs einfach die Gleise überfahren kann.

Das ist also mal geschafft. Ich stehe am richtigen Bahngleis, als zehn Minuten zu früh der Zug nach Zürich einfährt. Zum Glück ist wenig los, so dass der vorbeistolzierende Zugbegleiter sich mir widmen kann. Er zeigt mir den Wagon mit dem Fahrradzeichen. Auf meine Bitte hin hilft er mir auch, das Fahrrad in das Innere des Zuges zu hieven. Er meint, das wäre kein Problem mit dem Radl, sofern keine Gäste beim Durchgang behindert werden. Aber das ist natürlich der Fall. Mein Unikum macht sich breit wie ein Nilpferd.

Der freundliche Schaffner empfiehlt mir für die nächste Reise ein Rad, das man „an den Haken hängen kann“.

Das Ding hängt wider Erwarten am Haken. Und es war einfacher als mit jedem Aufrecht-Rad.

Das Ding hängt wider Erwarten am Haken. Und es war einfacher als mit jedem Aufrecht-Rad.

Ich ducke mich intuitiv, und lass ihn seiner Arbeit walten. Als ich alleine in diesem mit heißer Luft gefülltem Zwischenraum zwischen zwei Eisenbahnwagen stehe, komme ich mir vor wie Wicki. Ich reibe an meiner Nase. Und schon ist das Rad von allen Lasten befreit und lässt sich leichterdings mit dem Hinterrad an einen der Haken hängen. Genial. Ich bin stolz auf mein Rad (und ein bisschen auch auf mich). Auch wenn ich das Gesicht des Schaffners nicht sehen kann, wenn ihm die Lösung beim Vorbeigehen auffällt. Ich freue mich diebisch auf sein Erlebnis.
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Der Blick aus dem Zugfenster. Das Wetter hält und hält......

Der Blick aus dem Zugfenster. Das Wetter hält und hält……


Nun mache ich es mir im Zug bequem. Schreibe einer Freundin aus Zürich, dass ich in Kürze in Zürich mit ein bisschen Aufenthalt bin. Sie sagt sofort ab, weil sie arbeiten muss. Schade. Aber viel Zeit hätten wir sowieso nicht gehabt, weil es alsbald weitergehen wird nach Bellinzona. Dort muss ich dann nochmal umsteigen in Richtung Chiasso. Von dort möchte ich dann die restlichen Kilometer nach Borgosesia abstrampeln.
Das Wetter ist immer noch schön. Ich bin darüber ob der schlechten Vorhersage überrascht. In Zürich kommen wir gegen 11:25 h an. Einige Passanten helfen mir, das Fahrrad und mein Gepäck aus dem Zug zu bekommen. Zum Glück sind 99% der Menschen auf dieser Welt grundsätzlich freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.
Anschließend schiebe ich mein Velo durch den Schweizer Bahnhof. Immer wieder beobachten mich Vorbeigehende mehr oder weniger verstohlen. Aber daran habe ich mich inzwischen gewöhnt.
Am Zürcher Bahnhof. Nicht nur Menschen, sondern auch.........

Am Zürcher Bahnhof. Nicht nur Menschen, sondern auch………

.......Kunst

…….Kunst


Ich kaufe mir zwei Bananen und zwei Smoothie-Getränke, nachdem ich mühevoll einen Zusatzgeldbeutel mit ca. 100 Schweizer Franken aus Altbeständen, an den ich dankenswerterweise zu Hause noch gedacht hatte, aus den Tiefen meiner Packtaschen hervorgekramt habe. Kennt ihr das: ihr packt ganz bewusst ein. Wisst, dass ihr euch den Platz des einen oder anderen wichtigen Gegenstandes merken müsst. Und dann braucht ihr ihn. Keine Chance, euch daran zu erinnern, wo er sich befinden könnte.. Ihr stöbert in allen Taschen, an allen möglichen und unmöglichen Orten, wo er sein möge. Als ihr kurz vor dem Verzweifeln seid, liegt das ominöse Teil plötzlich vor euch. An einem Ort, von dem ihr euch sicher wart, ihn niemals dort deponiert zu haben.
Nicht nur ich bin unterwegs. Auch andere, und die auf viel weiteren Strecken. Alle Achtung

Nicht nur ich bin unterwegs. Auch andere, und die auf viel weiteren Strecken. Alle Achtung


Jetzt wisst ihr, wie es mir fast jede Stunde auf dieser Radreise geht. Seltsam ist, dass ich sehr wenig fluche. Nicht mal so still in mich hinein. Auch nicht laut vor mich hin. Wenn grade keiner zuhört oder der Lärm der vorüberfahrenden Autos verhindert, dass es von meiner Umwelt wahrgenommen wird.

Dabei hätte ich allen Grund dazu, wenn ich bedenke, was schon alles schief gegangen ist, seit ich den Nabel der Welt, meine Heimat Puchschlagen in Oberbayern nahe der wunderschönen Stadt Dachau, am vergangenen Dienstag verlassen habe. Nein. Bei allen Schwierigkeiten fühle ich mich frei, sie lösen zu dürfen.

Ich setze mich am Bahnsteig Nummer 9, der den Zug beherbergen wird, der mich nach Bellinzona bringt, in mein Liegerad. Mache ein paar Bilder von meinen mittlerweile durchtrainierten Waden, versende diese an diverse Frauen, Bewunderung heischend. Ein freundlicher Mitarbeiter der Schweizer Bundesbahnen in orangefarbenem Overall spricht mich an. Er sieht aus wie ein peruanischer Inka, der vergessen hat, wie man eine Flöte bläst und deshalb bei den Schweizer Bundesbahnen angeheuert hat, um seine zehnköpfige Kinderschar zu ernähren. Und natürlich in den Schweizer Bergen seine Kultur am Leben zu erhalten. Wir unterhalten uns ein bisschen über das Liegeradfahren. Ich habe das Gefühl, er würde das auch gerne tun. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er verheiratet???

Verfrühter Ausstieg aus Lust am Radeln

Verfrühter Ausstieg aus Lust am Radeln

Ich steige dieses Mal entspannt in den Zug und hänge total routiniert mein Fahrrad an den Haken. Wer kann das schon, und bleibt trotzdem aktiv!?
Mein Computer kommt mit ins Abteil. Schreiben. Googlemaps checken, den besten Weg finden, obwohl ich weiß, dass meistens doch alles anders kommt.

Ich schau aus dem Fenster. Das Wetter ist so genial, dass ich langsam ins Grübeln komme, ob es nicht doch ein Fehler gewesen ist, nicht mit Fahrrad zu fahren heute. Je weiter die Reise geht, und vor allem, als wir Airolo erreichen und an diesem Bahnhof auch halten, wird der Drang auszusteigen immer stärker. Ich erinnere mich an meine Schweizer Freunde von vorgestern, die meinten, ab Airolo kann man einfach abwärts rollen lassen. Vielleicht auch deshalb der Name Ai-Rolo? Heißt übersetzt wohl: „Mensch, lass rollen, Kumpel!

Immer den Wegweisern nach.......

Immer den Wegweisern nach…….


Den nächsten Halt Faido lasse ich noch ungenützt vorüberziehen. Aber in Biasca springe ich aus dem Zug. Nehme alles mit, was mir gehört. Sattle auf, richte meine Geräte aus. Und los geht`s um 14:57 h. Hier im Tessin hat man eigentlich schon das Gefühl in Italien zu sein. Alle Schriften sind in italienischer Sprache. Es gibt Pizzerie und die Banco Nazionale.
Ich kämpfe mich die Rampe am Bahnhof hoch und finde sofort die Richtung nach Bellinzona. Schnell stelle ich fest, dass ein wirklich zugiger Wind aus Süden bläst. Genau von da, wohin ich will. Aber da es meistens sanft abwärts geht, ist das wirklich verkraftbar.
Ortseingang von Bellinzona: eine farbenfrohe Begrüßung bei trübem Wetter.

Ortseingang von Bellinzona: eine farbenfrohe Begrüßung bei trübem Wetter.


Schnell erreiche ich Bellinzona. Auf der Fahrt höre ich mal ein Geräusch von einem auf die Straße fallenden Gegenstand. Ich mache mir zu dem Zeitpunkt keine Gedanken. Vielleicht hat meine Reifen etwas gestreift und weggesplisst. Als ich jedoch eine kurze Pause mache, stelle ich fest, dass der Plastikclip der oberen Halterung der linken Gepäcktasche abgefallen war. Später denke ich, dass das für den Preis von 189,- € eigentlich nicht hingenommen werden kann. Denn ich hatte die Taschen mit 7,8 Kilogramm beladen. Das heißt, mit nur 3,9 Kilo pro Seite. Händler ist natürlich grade keiner da, mit dem ich das Problem thematisieren könnte.
Fakt ist, dass die Tasche links fast am Boden schleift. Was für ein Glück, dass ich einen ganzen Satz Fixierbänder in allen Farben dabei habe. Ich kann die Tasche so ganz gut befestigen. Aber wie lange es wieder dauert, die Taschen nach dem nötigen Material zu durchsuchen.

Schon in Locarno habe ich erneut einen kleinen Zwischenstopp. Will nur die Karte nochmal checken, damit ich mich nicht verfahre. Und merke nebenbei, dass eine Halterung der grauen Seitentasche kaputt gegangen war. Ich kann ja nur jeden dritten Nagel in die Wand schlagen, weil ich zwei linke Hände habe. Aber mutig suche ich das Reparaturwerkzeug aus meinen Unterlagen. Ich glaube mittlerweile, die meiste Zeit auf meiner Radreise verliere ich beim Suchen nach irgendwelchen Gegenständen, die ich sorgsam, vernünftig, sinnvoll und – gewusst, wo – verstaut habe. So auch hier. Und beim Schrauben bin ich auch nicht erfolgreich. Letztendlich nutze ich wieder einen Kabelbinder. Und beobachte im Spiegel und durch gewagte rechtsseitige Verrenkungen während der Fahrt, ob hinter mir alles an seinem angedachten Platz bleibt.

Aber immerhin: ab Locarno geht´s voran. Ich passiere Ascona, das Refugium der Reichen und Schönen. Orientiere mich an den blauen Schildern, um nach Bissago zu kommen. Grün sind in der Schweiz doch die Autobahnen ausgeschildert. Weiß ich doch von zahlreichen Schweiz-Durchquerungen mit dem Auto.

Deshalb denke ich mir erst nichts dabei, als ich auf die zweispurige Fahrbahn gerate, die den Weg nach Bissago ausweist. Die Autos fahren hier sehr schnell und einige hupen mich an. Mutig fahre ich weiter voran, bis ich in der Ferne einen Tunnel erkenne. Ich bleibe am Seitenrand stehen. Weiß einen Moment lang nicht, wie ich aus der Nummer wieder herauskomme. Aber gibt es nicht in jedem Land die Polizei, den Freund und Helfer. Nachdem ich zwei Passanten hinter mir auf einer Brücke mich beobachten sehe, höre ich von vorne ein lautes Martinshorn aufheulen. Ich drehe mich und sehe einen Polizeiwagen von der gegenüber liegenden Seite die Spur wechseln und geisterfahrend auf mich zu kommen. Zwei Beamte springen aus dem Wagen und fragen mich provokant, ob ich denn nicht wüsste, dass ich auf der Autobahn stehe, und dass das Befahren solcher Hochgeschwindigkeitszonen für Fahrräder nicht erlaubt sei.
Ich gebe mich überrascht. Sage, dass ich davon ausgehe, dass die Schweizer Autobahnen in grüner Farbe ausgeschildert sind. Ob das nicht stimme. Mein Gegenüber bejaht das, fügt aber hinzu, dass diese Strecke eben auch eine Autobahn sei. Ich entschuldige mich natürlich für meine Unwissenheit. Dann möchte der freundliche Herr noch meine Papiere sehen. Mir schwant Übles. Er schreibt meine Daten aus dem Personalausweis auf einen abgehalfterten weißen Zettel. Warum ist mir schleierhaft.

Ich frage ihn, ob ich nun eine Strafe bekäme. Er meint, dass sie dieses Mal keine Strafe ausstellen, sie seien doch freundliche Schweizer Polizisten. Was ja stimmt. Denn jetzt macht er mir auch noch einen Vorschlag, wie ich eine Ausfahrt nehmen kann. Er hält dazu den Verkehr auf, ich schiebe mein Fahrrad in den Grasstreifen der knapp hinter mir liegenden Ausfahrt und das Fahrrad nach oben zur Ausfahrt. Geschafft. Ich merke schon, dass eine solche Situation sehr stresst. Ich habe die Herren gefragt, ob ich denn direkt am See entlang fahren darf. Er meinte, dass ich die Seestraße benützen darf, dass sie aber teilweise sehr eng sei, und ich halt vorsichtig fahren müsse.

Nach der ominösen Autobahn liegt die Ausfahrt hinter mir. Die Polizei hält den Verkehr an und ich kann mein Fahrrad zurück, und die Ausfahrt - hier links zu sehen - hochschieben. Gerade nochmal gut gegangen.

Nach der ominösen Autobahn liegt die Ausfahrt hinter mir. Die Polizei hält den Verkehr an und ich kann mein Fahrrad zurück, und die Ausfahrt – hier links zu sehen – hochschieben. Gerade nochmal gut gegangen.


Also ab ins Zentrum von Ascona. Ich erinnere mich. Auch wenn ich weder reich noch schön bin, vor ein paar Jahren hatte ich das Vergnügen auf eine Einladung hin, hier mal ein paar Tage in einem piekfeinen Hotel verbringen zu dürfen.
Ascona - an diesem Platz an der Promenade treffen sich dir Reichen und Schönen. Hab heute allerdings keinen von ihnen entdecken können. Ende Mai trifft sich hier die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die EM in Frankreich.

Ascona – an diesem Platz an der Promenade treffen sich die Reichen und Schönen. Hab heute allerdings keinen von ihnen entdecken können. Ende Mai trifft sich hier die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die EM in Frankreich.


Ich erreiche die mir bereits bekannte Seepromenade. Von dort schwinge ich mich hoch an die Uferstraße. Von jetzt an rollt es wie geschmiert. Ich komme gut voran. Ich habe mir ausgerechnet, dass ich zwar Borgosesia nicht mehr schaffen werde an diesem Tag. Aber zumindest soweit (weitere Zwischenfälle ausgeschlossen) müsste ich kommen, dass ich morgen gemütlich am Nachmittag dort einlaufen werde.

Es geht weiter flott voran und ich genieße den Blick auf den Lago di Maggiore. Der Verkehr hält sich auch in Grenzen, es ist flach, also nur super Bedingungen. Nachdem ich mir auch noch alle Orte, die ich der Reihe nach zu passieren habe, auf einen Zettel notiert habe, verfahre ich mich auch nicht mehr. Es wird schon dunkel als ich nach fast noch hundert gefahrenen Kilometern in einem Ort namens Gravellona di Tocce angekommen bin, und ein einfaches Hotelzimmer im CiCin bekomme.

Zum Glück ist da auch noch ein Restaurant dabei, in dem ich meinen Bärenhunger und Durst stillen kann. Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, als ich wenig später am Tisch einen Blick in die Speisekarte werfe. Keine Pizza, keine Spaghetti Aglio e Oglio. Nein, ich verstehe eigentlich gar nichts. Obwohl ich des Italienischen ein wenig mächtig bin: eine solche Speisekarte habe ich weder jemals gelesen noch dazu verstanden. Lasse mir vom Kellner erklären, mit welchen Saucen die Nudeln gereicht werden. Ich entscheide mich für Tortellini mit Fisch. Und bin nicht wenig überrascht, als ein Teller mit überschaubar wenig, aber pechschwarzen Nudeln, garniert mit kleinen Cocktailtomaten bei mir ankommt.
Sie schmecken ungewöhnlich, ich esse zu den Nudeln sämtliche Crossini-Weißbrotstangen sowie das zusätzlich angebotene Weißbrot ratzeputz auf. Aber dann bin eben angenehm satt, nicht überfressen und lasse mir dazu noch eine Flasche Chiaretto schmecken.

Überschaubare schwarze Nudelmenge mit Seetang - oder Ähnlichem - gefüllt. Seltsam lecker nach einem anstrengendem Tag.

Überschaubare schwarze Nudelmenge mit Seetang – oder Ähnlichem – gefüllt. Seltsam lecker nach einem anstrengendem Tag.


Da ich erst gegen 21:30 Uhr eingecheckt habe, schreibe ich bis etwa 00:30 h an meinem Blog, ehe ich hundemüde in die Koje falle.

Die Zusammenfassung:

Strecke: 98,27 Kilometer
Fahrzeit netto: 04:49:53 Stunden
Brutto: von 14:55 h bis ca. 21:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,34 kmh
Höhenmeter: 451 m

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5.Etappe von Gravellona nach Borgosesia

Heute Morgen nach dem Aufstehen habe ich es überhaupt nicht eilig. Ich bin ca. 40 Kilometer von meinem Tagesziel entfernt: Borgosesia. Ein Grund vielleicht auch, warum ich mich aufschwingen kann, eine weite Radreise alleine zu unternehmen: der Besuch von mir geliebten Menschen, die ich vielleicht schon lange nicht mehr gesehen habe. Die ich mit meinem Erscheinen spontan überraschen möchte (hoffentlich positiv). Wobei ich weiß, dass ich nichts weiß. Dass es vielleicht nicht der passende Moment ist, an dem ich auftauche. Aber darum ist es mir immer wichtig, das kund zu tun, dass mir jeder sagen kann, wenn mein Erscheinen gerade nicht günstig ist. Denn ich bin selbstverständlich niemandem böse, wenn es dann eben nicht hinhaut.

Das geht ja schon gut los. Der erste Schock am Morgen - und ich muss wieder umdrehen. Nicht links am Lago d´Orta vorbei, sondern rechts rum und über die Berge

Das geht ja schon gut los. Der erste Schock am Morgen – und ich muss wieder umdrehen. Nicht links am Lago d´Orta vorbei, sondern rechts rum und über die Berge


Warum also nach Borgosesia. In diese kleine Stadt vor den Toren des Aosta-Tales? Im Jahre 1986 hatte ich in Dachau als Teamer einer internationalen Workshop-Gruppe zur Gedenkstättenarbeit des ehemaligen Konzentrationslager Dachau ein wunderbares Mädchen kennengelernt.
Ich bin der Marathon-Mann. Zumindest fühle ich mich zuweilen so

Ich bin der Marathon-Mann. Zumindest fühle ich mich zuweilen so

Die Gegend am Lago d´Orta

Die Gegend am Lago d´Orta


Wir haben uns angefreundet. Das war im Sommer. Nachdem sie mich zu sich nach Italien eingeladen hatte, habe ich sie bereits im Herbst 1986 zum ersten Male besucht. Manuela lebte damals bei ihren Eltern. Diese nahmen mich auf wie einen Sohn. Vielleicht vermisste ich eine Familie damals ein bisschen, nachdem ein paar Jahre vorher mein Vater gestorben war. Und fühlte mich damals so wohl in Italien.
Liegeradfahren macht Spaß!!!!

Liegeradfahren macht Spaß!!!!


Und so habe ich Manuela und ihre Familie immer wieder besucht. Sie selbst hat später in Karlsfeld ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen gearbeitet. Und da haben wir uns auch öfters getroffen.
Nein, ich bin nicht in Afrika, sondern in den italienischen Bergen

Nein, ich bin nicht in Afrika, sondern in den italienischen Bergen

Mauerblümchen müssen noch lange nicht hässlich sein

Mauerblümchen müssen noch lange nicht hässlich sein


Zuletzt gesehen haben wir uns 2005, als meine damalige Lebensgefährtin mit ihren Kindern und mir aus dem Frankreich-Urlaub kommend, spontan bei Manuela Station machten.
Seitdem habe ich nichts mehr von ihr und ihrer Familie gehört. Sie war damals verheiratet und hattet zwei Kinder, Mattia und Marta.
Am Ende des Tages habe ich außer Zebras keine einzige Katze in diesem "Dorf der Katzen" ausmachen können

Am Ende des Tages habe ich außer Zebras keine einzige Katze in diesem „Dorf der Katzen“ ausmachen können


So. Und nun sitze ich wieder auf dem Bock und habe einen Pass entlang des Lago d´Orta zu überwinden. Viele Gedanken kommen da hoch. Lebt Manuela noch in Borgosesia, leben ihre Eltern noch? Wie geht es ihren Geschwistern? Werden sie den grauhaarigen alten Mann, der ich mittlerweile geworden bin, überhaupt noch erkennen?
Der Lago d´Orta

Der Lago d´Orta


Je höher ich steige, umso kühler wird die Witterung. Auch regnet es zwischendurch. Hört aber zum Glück wieder auf. Das Treten funktioniert prima heute, habe kaum Malesse mit den Füßen. Toll.
Italien und seine Häuser und Gärten. Einfach bezaubernd

Italien und seine Häuser und Gärten. Einfach bezaubernd


Nach der ersten langen Steigung geht es lange bergab. Und ich denke, ich habe das Gröbste geschafft. Mitnichten. Dann kommt der zweite Pass. Mit dem Warnhinweis am Anfang: Winterreifenpflicht von November bis 15. April. Zum Glück. Letzte Woche noch hätte ich ohne Spikes gar nicht hochfahren dürfen. Wenigstens ist an allen Kreuzungen, die bei mir richtungsmäßige Unsicherheit hätten hochkommen lassen, Borgosesia schon ausgeschildert.
Endlich geht es wieder bergab. In hohem Tempo kralle ich mich an meiner Panzerlenkung fest, und hoffe, nicht mal aus irgendeiner Steilkurve getragen zu werden. Und vier Kilometer vor der Zielstadt fängt es aus allen Rohren zu schütten an. Ich werde total durchnässt. Na bitte. Das musste noch sein, das ich triefend vor (fast) fremden Haustüren stehe.
Dem Ziel schon ganz nahe, und..............

Dem Ziel schon ganz nahe, und…………..

..........Geschafft!!!!

……….Geschafft!!!!


Aber so schnell es angefangen hat zu schütten, so schnell war es auch wieder vorbei. Und da es immer noch abwärts geht, ist meine Kleidung wieder trocken, als ich in die Stadt einfahre. Auch angenehm warm wird es hier wieder. Ich erinnere mich an viele bekannte Ecken, als ich mich langsam vortaste. Habe das Gefühl, dass das Haus der Eltern im südwestlichen Teil der Stadt steht. Vieles kommt mir bekannt vor, aber das Haus finde ich auch nach längerem Suchen nicht. Schließlich gebe ich auf, und suche nach einer kurzen Ansprache an einen Polizisten mit der Frage nach dem Vater von Manuela – der zwar freundlich ist, aber eben auch nicht weiterhelfen kann, ein Café im Zentrum auf. Bestelle mir einen Cappuccino. Der kostet gerade 1,30 Euro und schmeckt wie ein Teurer.

Ich frage die Bedienung nach Manuela. Sie schüttelt den dunklen Lockenkopf, aber in dem Moment sagt eine junge Stimme hinter der Theke, dass sie Manuela kennt. Sie zeigt mir ein Bild von Manuela auf ihrem Handy. Ja, das ist sie. Treffer. Sie scheint also noch hier zu wohnen. Nach meiner Stärkung trete ich auf die Straße und setze mich in mein Gefährt. Da nähert sich mir ein Mann in meinem Alter, den ich vorher aus der Bar schon gesehen habe. Er spricht mich in perfektem italienisch an, fragt mich, wie sich das Ding fährt. Als ich sage „molto commodo“ ist er so begeistert, dass er, wenn ich ihn richtig verstehe, von der grenzenlosen Freiheit und dem Abenteuer schwärmt, das das Fahren mit meinem Fahrrad bietet. Er wünscht mir, und das schreibe ich wirklich von Herzen überzeugt, eine tolle weitere und im positiven, abenteuerliche Fahrt.

Danach begebe ich mich wieder in den Teil der Stadt, in dem ich das Elternhaus von Manuela vermute. Fahre in viele kleine Gassen, an deren Ende ich es vor meinen Augen auftauchen sehe. Und als ich schon aufgeben will: plötzlich richtet sich mein Blick nach links und ich sehe sofort die Friedensfahne an der Hausmauer hängen. Bingo. Ich hab´s geschafft. Es geht noch leicht abwärts. Das Eingangstor zum Garten steht offen. Ich bin gespannt, wer hier wohnt. Es gibt zwei Klingeln. Auf der oberen stehen die Namen der Eltern, auf der unteren lebt Manuela mit ihrer Familie.

Endlich! Das kommt mir aber jetzt extrem bekannt vor........Die Flagge des Friedens. Nach den beiden Pässen bedeutet es eventuell auch ein bisschen Frieden für meine geschlauchte Beinmuskuluatur

Endlich! Das kommt mir aber jetzt extrem bekannt vor……..Die Flagge des Friedens. Nach den beiden Pässen bedeutet es eventuell auch ein bisschen Frieden für meine geschlauchte Beinmuskuluatur


Welch ein Volltreffer! Früher hatte Manuela in einem ganz anderen Teil der Stadt gelebt, an den ich mich gar nicht mehr erinnern kann. Vorsichtig bewege ich mein Velo in den Innenhof. Da kommt mir Fulvio, Manuelas Gatte schon entgegen. Er erkennt mich nicht sofort. Aber gleich danach.

Er holt Großvater Augusto aus dem Haus, Manuelas Vater. Wir umarmen uns herzlich. Er ist alt geworden, aber er lebt. Dann kommt Manuela. Sie ist sehr überrascht, erzählt mir, sie hätte im Februar versucht, mich auf Facebook zu orten, was ihr nicht gelungen ist. Wir umarmen uns. Die beiden nun schon fast erwachsenen Kinder kommen hinzu und last but not least, meine alte Freundin Adriana. Die Mutter Manuelas, mit der ich mir in den Achtziger-Jahren ratschenderweise die Nächte um die Ohren geschlagen hatte. Sie laden mich sofort ein, bei ihnen zu übernachten. Meine Schmutzwäsche hat die Waschmaschine schon verlassen und hängt hier neben mir auf der Terrasse zum Trocknen. So. Und jetzt geht es zum gemeinsamen Pizzaessen. Ich freue mich riesig, hier sein zu dürfen.

Ein Festmahl für Sinne und Freundschaft steht uns bevor!!!

Ein Festmahl für Sinne und Freundschaft!!!


Nicht nur die Pizzas sind pünktlich da, auch die ganze Familie sitzt um den Tisch. Es wird ein heiterer Abend im Austausch vieler Erinnerungen und neuer Informationen. Ich frage nach, wie es Bekanntschaften aus alter Zeit heute geht. Keiner ist richtig aus der Gegend von Borgosesia herausgekommen. Manuela, die in einer Schule als Englischlehrerin arbeitet, war in diesem Jahr im Februar mit ihrer Tochter Marta in Berlin. Deutschland gefällt ihr immer noch super. Marta verspricht mir, dass sie mit ihrer Mama nach Deutschland kommt. Manuela bestätigt mir die Absicht in einem späteren Gespräch. Das würde mich wirklich freuen, wenn wie weiter in Verbindung bleiben. Wir tauschen nun die Basis der neuen Kommunikationsmittel aus: facebook, handynummern, etc. Nein. Jetzt dauert es keine zehn Jahre mehr, bis wir wieder voneinander hören.

Das war die Strecke heute:

Strecke: 50,04 Kilometer
Fahrzeit netto: 03:11:42 Stunden
Brutto: von 11:00 h bis ca. 15:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 15,66 kmh
Höhenmeter: 609 m

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