Radreise Böhmen 2021 – 5. Tag, Mittwoch – 21.07.2021

Gestern Abend haben wir uns vor dem Zubettgehen vorgenommen: aufstehen um 09 Uhr, also, wenn wieder alle ausgeschlafen sind. Frühstück im Hotel. Und um 10 Uhr Aufbruch. Und zwar haben wir die Route etwas geändert. Es soll nicht mehr an der Eger entlang bis Litomerice gehen. Der vergangene Regen-Samstag hat uns einfach ein bisschen zurückgeworfen.

Sondern wir fahren nach Roudnice nad Labem (Rautnitz an der Elbe) und danach in die Heimat von unserem Kumpan Oldo, nach Neratovice bei Prag. Das sind zum Schluss noch einmal rekordverdächtige 80 Kilometer. (Vor zehn Jahren war das Ziel, die 80 Kilometer vor der Mittagspause zu schaffen). Aber so ist es viel gemütlicher, wir haben mehr Zeit zum Ratschen in einem Café am Nachmittag, sind früher am Zielort und letztendlich auch zeitiger im Bett. Das macht wieder fitter für den kommenden Tag, usw. Eine echt gute Erfahrung dieses Jahr also.

Schöne, gepflegte Landstraßen und lassen uns genussvoll cruisen….

Die Sonne scheint an diesem Morgen. Ich spüre meine Glieder allerdings. Die Oberschenkelmuskulatur ist sauer (auf mich), ob der vielen Höhenmeter die ich in den letzten Tagen auf deren Kosten absolviert habe.

Und Appetit auf das Frühstück habe ich auch schon wieder. Ich eile hinunter in den ersten Stock, wo das Büffet aufgebaut ist. Es gibt das Übliche und ich schlage mir den Magen voll. Irgendwie spüre ich wohl, dass es längere Zeit nichts zu essen geben wird.

Christian – einsam in Front.

Nachdem wir uns ab 10 30 Uhr aus dem schönen Städtchen Louny herauskämpfen, dreht Krisch plötzlich ein, weil er links an der Straße ein Fahrradgeschäft entdeckt hat. Mir ist klar, dass es sich um den Kauf von Ersatzschläuchen handelt.

Pflanzen, die ich noch nie gesehen habe.

Es dauert nur fünf Minuten, um Christians Pessimismus in Freude umzuwandeln, als er mit drei verpackten neuen Schläuchen und Oldo wieder aus dem Laden kommt. Naja, der dritte Tag in Folge mir Reifenschaden, das wollen wir nicht hoffen. Aber sicher ist sicher.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Was mancher Biker mit dem Geknatter seines Motors erreicht, schaffen andere mit Farben.

Es geht erstmal steil bergauf und wir hoffen, dass das besser wird. Nach Louny radeln wir auf einer Hochebene und haben einen schönen Ausblick auf pyramidenförmige Hügel und Berge am Horizont. Es geht flach und flott voran und das macht richtig Spaß.

Wir erreichen unser erstes Etappenziel ohne Boxenstopp und sonstigen Ungelegenheiten zügig gegen 13 Uhr und haben schon die Hälfte der Tagesstrecke geschafft. Kurz vor Roudnice zieht Oldo plötzlich mit dem Tempo an. Christian versucht ihm irgendwie zu folgen. Nach wenigen Minuten kann ich Oldo nur noch ganz klein an seinem roten Dress erkennen. Auch Christian ist mir bereits weit enteilt. Als ich nach einem steilen Anstieg unter heißer Sonne von 60 Höhenmetern die Abfahrt nach Raudnitz genieße, ist nicht nur die Sonne hinter den Wolken, sondern sind auch meine beiden Freunde verschwunden. Ich fahre nach Roudnice ein und gehe davon aus, dass ich einfach ins Zentrum der Stadt fahren muss, um die beiden wiederzusehen. Gesagt, getan.

Im Zentrum von Raudnitz an der Elbe mit Blick auf das Schloss.

Als ich dort einfahre, sehe ich Oldo schon von Ferne aus einem Straßencafé winken. Ja, das habe ich mir genauso ausgemalt. Ich winke freudig zurück und geselle mich zu den beiden an einen Tisch direkt an der Straße, nachdem ich mein Fahrrad neben die meiner Freunde geparkt, aber nicht abgesperrt habe.

Der Geniesser schweigt, der Gläubige versinkt im Gebet, und der Philosoph hält meditierend inne…..

Ein Eiskaffee erfreut mich, und nach einem gemütlichen Ratsch brechen wir auf zur letzten Etappe, die Oldo kennt wie seine Westentasche. Er beruhigt uns mit Aussagen wie „das nächste Stück fahre ich ab und zu mit meinen Kindern, die Elbe aufwärts habt ihr keine großartigen Steigungen mehr zu erwarten“. Ich hätte mich ja erinnern können. Vor fünfzehn Jahren bin ich von Prag zusammen mit Christian an der Elbe entlang nach Dresden geradelt. Aber das ist schon so lange her.

Jetzt sind wir unten an der Elbe, dem letzten Abschnitt heute und insgesamt auf unserer Radlreise in Richtung Prag bzw. Neratovice.

Natürlich hat Oldo nicht zu viel versprochen. Hier geht es nicht mehr um Pflicht, nein, hier lassen wir den Abschluss unserer diesjährigen Radltour zur Kür werden. Der Radweg ist perfekt, flach, die Landschaft ist toll und die Elbe breit.

Auf dem wunderschönen Elbradweg.

An einem Monument kurz vor Melnik halten wir inne. Es ist ein Turm, der die Hochwasserpegelstände der Elbe in den letzten Jahrhunderten beschreibt. Der Höchststand war 2002. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wasser eines Flusses so hoch steigen und ganze Landstriche unsichtbar machen kann, die so weit ab vom eigentlichen Fluss liegen. Das macht mich ehrfürchtig vor der Gewalt der Natur, die vom Menschen nicht beherrscht werden kann. Ich habe ein paar wenige Nachrichten aus den deutschen Überschwemmungsgebieten in Rheinland-Pfalz mitbekommen, die genau dieses Phänomen beschreiben.

Erinnerung an die höchsten Pegelstände der Elbe. Unvorstellbar….

Danach geht es nach ein paar Kilometern hoch nach Melnik. Odlo erzählt mir, dass er uns bei einem Besuch von mir, meiner damaligen Freundin und noch zwei Freunden im Jahr 1986 diesen Ort gezeigt hat. Ich kann mich daran kaum noch erinnern. Ich habe aus dieser Zeit noch andere Bilder im Kopf. Zum Beispiel Prag: eine fast leere Stadt. Als ich dort vor Übermut zu hüpfen und zu singen begann, bremste mich Oldo sofort ein und ermahnte mich, doch nicht aufzufallen.

Melnik – kurz vor dem Anstieg zum Zentrum. Hier fließt die Moldau in die Elbe.

Schon ein paar Jahre später, 1990, kam ich nach der Wende mit ein paar Musiker-Freunden zurück. Wir spielten Straßenmusik auf der Karlsbrücke im Zentrum von Prag. Und niemand dachte mehr an die freiheitslosen und restriktiven Zeiten nur ein paar Jahre zuvor. Die Straßen waren so voll von Touristen aus aller Herren Länder, wie ich das eigentlich nicht mal von München kannte.

Ein Schulhaus in Melnik, während wir durch den Stadtpark auf die andere Seite nach unten fahren.

Heute in der Gegenwart führt uns ein steiler Anstieg von ca. 50 Höhenmetern hinauf nach Melnik. Die Sonne sticht heiß vom Himmel, aber wir haben es relativ schnell geschafft. Durch einen schattigen Park geht es dann gleich wieder abwärts, raus aus der Stadt durch etwas unwegsames Gelände. Und nach gut zehn Kilometern führt uns Oldo durch ein paar kleinere Straßen direkt zu seinem Haus in Neratovice.

Oldo ist der sprichwörtliche tschechische Alleskönner. Er versteht es Häuser zu bauen, daher ist seine Garage auf dem allerhöchsten technischen und inhaltlichen Stand.

Wir haben zuvor bereits ausgemacht, dass er uns mit dem Auto nach Cheb zurückbringt. In dieser Stadt sind wir gestartet und dort steht das Auto von Krisch. Da es erst 16 Uhr ist, planen wir in Cheb zum Abschluss noch miteinander essen zu gehen. Christian und ich wollen danach noch nach Deutschland fahren.

Auch der geflieste Boden erhält den Garagenpreis, gestiftet von Gerhart Polt.

Wir reisen in einem nagelneuen Mercedes, den sich Odlo kurz vor seiner Rente geleistet hat. Gegen 19 Uhr erreichen wir die Straße, wo Christian seinen bescheidenen Rumänen geparkt hat. Eine Überraschung war für uns ist dann doch, dass dem Dacia das Fenster der rechten Vordertüre fehlt. Und die tausendfachen Eizelteile davon auf meinen Klamotten auf dem Beifahrersitz verteilt sind. Oldo wirkt hilfloser als Christian, als wir entdecken, dass ein Zettel hinter der Windschutzscheibe klemmt. Ein Landschaftsgärtner hat mit seinem Rasenmäher das Pech gehabt, einen Stein beim Mähen gegen das Glas des Autos zu schleudern. Wir rufen ihn an. Oldo meint, Krisch sollte das mit dessen Versicherung am kommenden Tag in Tschechien klären. Krisch bleibt cool. Er lässt sich die Daten des Verursachers geben.

Na sowas !! Was für eine Bescherung kurz vor der Heimfahrt.
Da sind einfach handwerkliche Könner am Werk und zurecht stolz.

Alsdann begeben wir uns in unser Lieblingslokal in Cheb und essen noch einmal fürstlich. Dann ist der Zeitpunkt der Trennung gekommen. In diesen unsicheren Zeiten etwas schwieriger als sonst.

Nach dieser Reise bieten wir ab September 2021 Seminare an mit dem Titel: „Absolut einbruchsicher parken!“.

Zumal wir uns einig sind, dass dies die wohl entspannteste Reise von uns Dreien bisher war. Lange geschlafen, nicht gestresst zu viele Kilometer gemacht, und rechtzeitig am Zielort, im Hotel und beim Abendessen angekommen. Alles perfekt also. Die Stimmung sowieso. Denn trotz all unserer Verschiedenheit haben wir zwar viel diskutiert, aber noch vielmehr zusammen gelacht.

Und was gibt es Schöneres als so etwas mit Menschen, die man liebt, zu erleben.

Ein letzter verträumter Blick auf den Beginn und das Ende unserer Reise: der Hauptplatz von Cheb. Hier trennen sich unsere Wege. Oldo fährt zurück nach Neratovice, und Christian und ich nach Bayern.

Die Heimfahrt mit dem Pappkarton statt der sonst üblichen Fensterscheibe neben mir, den wir nach dem Aussaugen des Autos an einer Tankstelle installiert haben, ist erfrischend und etwas hinderlich beim Linksabbiegen. Aber wir schaffen es – ohne Grenzkontrolle – gegen 01:00 Uhr gut bei Christian anzukommen.

Ich übernachte bei ihm und nehme mir vor, von Indersdorf am morgigen Donnerstag einen großen Teil des Weges in Richtung Kufstein mit dem Rad zurückzulegen.

Was wir heute geschafft haben:

Kilometer:   86,43 km

Höhenmeter: 440 hm

Durchschnitt:   19,35 km/h

Gefahrene Zeit:   268 Minuten

Noch ein paar Impressionen von der heutigen Etappe in Bildern:

Noch ein Blick auf die Hochwasserstände im Verhältnis zur übrigen Landschaft. Die Elbe ist ca. 50 m von uns entfernt.
Was man aus Müll so alles machen kann……
Mülleimer aus Gasflaschen, und ……
..Sitzgelegenheiten aus Spaten…., oder…
…einen Lesetisch aus einem nicht verwendeten Sägeblatt.

Was ich sonst noch alles so entdeckt habe, das mich beeindruckt hat:

Die Baukunst der Zukunft: rund statt einheitlichem Eckenbrei, wahrscheinlich aus dem 3D-Drucker, extraordinär und extrem individuell. Hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf die Jahre 2025, ff.
Was es wirklich ist, hat sich mir bis heute nicht gänzlich erschlossen: ein mobiles Klo, ein Trafohäuschen, oder eine Mischung aus beidem: Energieaustausch auf der ganzen Linie alsp……
Sehr nah an der Elbe gelegen und doch relativ hochwasserresistent, da kein Keller und auch noch hochgelagert. Modernes Wohnen also in denkmalgeschützt anmutendem Ambiente an Flussnähe.
Vermisst jemand seine Hose? Tausch gegen Finderlohn!
Der Faule Harry

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