6.Etappe von Borgosesia nach Cremona

Als mir Manuela am Abend zuvor auf meine Frage nach der Frühstückszeit mit 09:00 Uhr antwortet, lege ich meine fiktive Abfahrtszeit auf 10:00 h fest – mit ein wenig Luft nach oben. Und so geschieht es.

Ich wache gegen 08:00 h auf. Die Sonne lacht zum Fenster herein. Ich stehe auf, trete ans Fenster. Bis jetzt habe ich im Hause noch niemanden wahrgenommen. Aber jetzt sehe Manuela gerade das Haus verlassen. Sie kauft sicher noch für das Frühstück ein. Ich gehe nach oben, nehme meine nun trockene Wäsche vom Ständer. Packe schon das eine oder andere in meine Satteltaschen, um schnell zur Abfahrt bereit zu sein.

Mein geliebtes Radl - vollkommen splitterfasernackt

Mein geliebtes Radl – vollkommen splitterfasernackt


Ich freue mich, nochmal alle Mitglieder der Familie zu sehen, bevor ich mich aufmache durch die Poebene in Richtung Cremona zu radeln. Bis zum Gardasee nach San Felice Del Benaco, wo derzeit mein Freund Ludwig im Urlaub weilt, sind es laut Karte exakt 277 Kilometer. Es gibt eine kürzere Route, aber in meinen Gedanken wollte ich immer schon mal durch die Gefilde des Po pedalieren. Ihn mit meinen kreisenden Beinen zärtlich streicheln, ihm nahe kommen, ihn spüren und ihn en mir verfügbaren Sinnen wahrnehmen, aufsaugen. Seine sanften Kurven mit meinem Körper umrunden und dabei zärtlich berühren.

Aber bevor ich abschweife: zuerst steht ein ausgiebiges Morgenessen an, damit ich für dieses Vorhaben auch gestärkt bin. Die Familie sitzt fast vollzählig beisammen. Nur Mattia fehlt. Der neunzehnjährige Filius von Fulvio und Manuela war gestern Nacht aus, und ist wohl erst spät zurückgekommen. Wir tauschen weiter Infos aus und ich sage Manuela, dass ich nicht möchte, dass wieder zehn Jahre vergehen, ehe wir uns wiedersehen. Sie zieht ihr Handy herbei, wir versuchen eine Whatsapp-Verbindung herzustellen, was aber nicht gelingt. Tauschen Telefonnummern aus. Sie sagt, sie käme auf jeden Fall in diesem Sommer nach den Prüfungen an ihrer Schule nach Deutschland.

Geborgen in der Freundschaft einer italienische Großfamilie

Geborgen in der Freundschaft einer italienische Großfamilie


Sie liebt Deutschland, erzählt begeistert, dass dort – im Gegensatz zu Italien – alles so gut funktioniert ohne ausufernde Bürokratie. Sie sagt, als sie in diesem Frühjahr in Berlin war, hätte ihr eine Dame vor dem Rückflug nach Mailand erklärt, wann sie den Bus nehmen müsse, um da oder dorthin zu gelangen. Dass sie dann dreihundert Meter in die oder die Richtung gehen müsse, wo dann der Zug zum Flughafen ginge, usw. Einfach alles perfekt organisiert und auch perfekt so umgesetzt.

Manuelas Vater schaut kurz herein, will sich von mir verabschieden. Er hat immer einen coolen Spruch auf den Lippen, sehr viel Humor. Wir umarmen uns. Ich bin sehr froh, ihn wieder getroffen zu haben. Ich sehe ihn dann vom Küchenfenster aus mit dem Auto aus dem Hof fahren.
Nach dem Frühstück und einem Blick zur Uhr, es ist mittlerweile nach halb elf, werde ich ein bisschen unruhig. Schließlich habe ich viel vor für heute.

Raus aus dem Aosta-Tal. Ein Gefühl wie im Frühling oder Herbst: kühl, windig, sonnig.

Raus aus dem Aosta-Tal. Ein Gefühl wie im Frühling oder Herbst: kühl, windig, sonnig.


Wir stehen auf und ich sattle mein weißes Stahlross, schiebe es aus der Garage nach draußen in die Sonne. Nun versammelt sich nochmal die ganze Familie, um Abschied zu nehmen. Auf meine Bitte hin schießen wir noch Fotos in diversen Konstellationen. Selbst Mattia ist mittlerweile vom Trubel aus dem Hof aufgewacht und grüßt mich nochmal durch sein Schlafzimmerfenster.
Um 10:50 h ist es Zeit, auseinander zu gehen. Ich setze mich in mein Rad und fahre die kleine Anhöhe rauf, wild meine neue Klingel ausprobierend. Wir winken uns nochmal alle zu. Dann bin ich frei und wieder auf mich alleine gestellt.
Mein erstes Handy-Selfie, und das bei voller Fahrt
Ich orientiere mich bei Sonnenschein und frischem Wind in Richtung Vercelli. Ich habe mir gestern auf den Pappendeckel meiner in der COOP-Apotheke gekauften Aloe-Vera Creme gegen den deftigen Sonnbrand die Route bis Brescia notiert. Einfach von Ort zu Ort. So. Jetzt geht erst mal bergab. Die Räder laufen toll. Die Füße machen mit. Es wird immer besser. Nach Vercelli 53 Km, lese ich. Ich komme dermaßen in Fahrt, wie es so dauerhaft in meinem Leben auf einem Fahrrad niemals war.
Geniales Tempo - viele, viele Kilometer lang. Einfach geil

Geniales Tempo – viele, viele Kilometer lang. Einfach geil

Was Freundschaft alles bewirkt. Oder die Sonne. Oder der Wind, der mal von der Seite, mal von hinten bläst. Ich habe keine sexy Strümpfe an, was gut ist. Ansonsten ziert meine blaue Sportjacke meinen Body über einem Funktionsshirt. Und auch das ist gut so. Genau den herrschenden Temperaturen angepasst.

Ich komme so in Bewegung, dass ich in Euphorie gerate. Mache Fotos bei 35 km/h. Probiere meine Handy aus und mache – Weltpremiere – ein Selfie unter der Fahrt. Selbst ohne dabei Fahrrad zu fahren habe ich noch nie eins hinbekommen.

Die Welt ist schön, und ca. 400 m vor mir taucht plötzlich ein Rennradfahrer auf. Ja, mir wurde in vielen Gesprächen über das Dreiradfahren gesagt, dass man auch schneller als Rennräder fahren kann. Ich habe das bis jetzt weder erlebt, geschweige denn glauben können.

Ein Rennradfahrer in nicht geringem Tempo vor mir. Eine echte Herausforderung an diesem sonnigen Morgen

Ein Rennradfahrer in nicht geringem Tempo vor mir. Eine echte Herausforderung an diesem sonnigen Morgen


Der Mann kommt immer näher. Ahnt noch nichts von mir, denn ich habe meine Kette noch nicht rasseln lassen. 100 m, 70 m, 40 m, ich glaube, ich packe ihn.
Tja - das war´s. Und weg war er, bzw. ich

Tja – das war´s. Und weg war er, bzw. ich


Aber was kommt dann? Sein Ehrgeiz wird erwachen, und innert fünf Minuten werde ich nicht mal mehr seine Hinterräder sehen können, nachdem er mich wieder geschnupft hat. 15 m. Ich reiße die Räder nach links. Ich ziehe an ihm vorbei, höre einen erstaunten Ausruf. Mehr nicht, denn zu schnell war ich zu weit von ihm entfernt. Ungläubig kucke ich in den Spiegel. Nach zwei Minuten kann ich ihn nicht mehr erkennen. Ich bin wie im Rausch. Und das mit 16 Kilogramm Gepäck. Ich fahre und fahre. Keine Schmerzen, einfach geil, Freiheit pur.
Kleine Städtchen auf der Strecke - durchaus pittoresk

Kleine Städtchen auf der Strecke – durchaus pittoresk


Nach zwei Stunden erreiche ich Vercelli. Dann geht es weiter in Richtung Pavía. Meine Aufzeichnungen erweisen sich als Erfolgsmodell. Ort für Ort arbeite ich mich weiter. Es wird immer wärmer. Ich habe die Wetteraussichten für Deutschland gesehen. Ich möchte für immer in Italien bleiben.
Die Reisfelder Norditaliens: die meisten glauben, dass unser Reis aus Asien kommt. Nein, sondern aus der Gegend um Novara

Die Reisfelder Norditaliens: die meisten glauben, dass unser Reis aus Asien kommt. Nein, sondern aus der Gegend um Novara


Nachdem ich bis jetzt nach Süden gefahren bin, wende ich mich jetzt dem Osten zu. Nach Pavía sind es nochmal ca. 70 Kilometer. Klar, kein Problem. So ist es. Nach vier Stunden und 22 Minuten erreiche ich das 122 Kilometer entfernte Pavía. Jetzt ist es Zeit eine kleine Pause zu machen. Es ist heiß geworden, 27 Grad, also Sommer in Italien.
Dieser Kirchturm ist ein Beispiel für eine Version von NSA innerhalb der katholischen Kirche?!? - offen wie gewohnt, aber natürlich nicht mehr ganz up to date

Dieser Kirchturm ist ein Beispiel für eine Version von NSA innerhalb der katholischen Kirche?!? – offen wie gewohnt, aber natürlich nicht mehr ganz up to date


Ich chauffiere ins Zentrum. Enorm viele Touristen tummeln sich hier. Ich stelle mein Bike an einer
Vercelli

Vercelli

Kneipe ab, von der ich mir auch was zu essen erhoffe. Die erstaunten Augenpaare der in den umliegenden Cafés und Bars sitzenden Menschen richten sich auf das komische Gefährt, das sie da unvorbereitet zu sehen bekommen. Als ich schon in der Bar sitze, verlässt eine Gruppe älterer Männer und Frauen ein Café und fachsimpelt vor meinem Fahrrad. Ich lade sie ein, es auszuprobieren.
Anfahrt auf Pavía

Anfahrt auf Pavía


Aber daran besteht dann doch kein Interesse. Ich frage in der Bar nach etwas zu essen. Aber sie haben nichts. Aufgrund der sommerlichen Hitze bestelle ich mir eine eiskalte Cola und nacheinander zwei Capuccini. Komisch. Ich bemerke mit Erstaunen, dass ich gar keinen Hunger habe.
Eine Fatamorgana. Wahrscheinlich muss ich mein hohes Tempo irgendwann büßen. Aber so schnell war ich auf solch eine Streckenlänge noch nie, gefahren an einem Stück ohne Pause

Eine Fatamorgana. Wahrscheinlich muss ich mein hohes Tempo irgendwann büßen. Aber so schnell war ich auf solch eine Streckenlänge noch nie, gefahren an einem Stück ohne Pause


Schwinge mich nach einer halben Stunde wieder auf mein Rad mit dem nächsten Ziel: Cremona. Nachdem ich kurz nach dem Weg gefragt habe, geht es auch schon los. Etwas verwirrend sind die Kilometerangaben in Italien. Zuerst bin ich positiv überrascht: nur 65 Kilometer.
Plötzlicher Sandsturm in der Pampa

Plötzlicher Sandsturm in der Pampa


Dann auf der Fahrt sind es plötzlich 80 Km. Ich bin irritiert. Man ist bei dieser Menge der geplanten Fahrradkilometer doch dankbar, wenn die Angaben genau sind und man sich dann Enttäuschungen erspart, wenn plötzlich nach fünf Kilometern Fahrt eine größere Entfernung zum Ziel angeschrieben ist als am letzten Infoschild.

Den kommenden Streckenabschnitt könnte man unter der Überschrift „Leichen pflasterten seinen Weg“ laufen lassen, und darüber hinaus unter dem Motto: „ was tue ich, wenn der Wind sich dreht!?“

Genau diese Dinge passieren jetzt. Der Wind dreht sich. Er weht plötzlich von Osten und möchte das auch nicht mehr ändern, der Gute. Jetzt beginnt die Herausforderung.

Keine Fatamorgana: eine Bestätigung dessen, was meine Beine minütlich spüren: stürmischen Gegenwind auf dem Weg  nach Cremona

Keine Fatamorgana: eine Bestätigung dessen, was meine Beine minütlich spüren: stürmischen Gegenwind auf dem Weg nach Cremona


Es ist heiß, die Straßen sind teilweise so schlecht, dass mein Bike dermaßen durchgeschüttelt wird, dass ich denke ich werde aus dem Sitz herauskatapultiert. Natürlich ist der Straßenzustand am rechten Rand am Schlechtesten. Aber in die Mitte auszuweichen bei dem Höllentempo, das ich stellenweise immer noch drauf habe, ist extrem gefährlich. Könnte ich doch trotz Rückspiegel mal ein Auto übersehen.

Am Straßenrand können sich Wildschweine, Füchse, Hunde und Katzen nicht mehr mit mir anfreunden. Sie sind alle tot. In Italien ist es nicht so wie in Deutschland, dass die kommunale Kadaverbeseitigung innerhalb zweier Tage den Straßenrand wieder freimacht von toten Tieren. Es riecht teilweise sehr streng nach Aas. Leider übernehmen keine Aasgeier die Aufgabe der Kommunen, weil die Einbürgerungsbestimmungen in Italien dahingehend noch nicht so weit fortgeschritten sind.

Der (Gegen-)Wind ist mittlerweile so stark geworden, dass das Wort Wind eher untertrieben und Sturm das richtige Wort wäre. Ich wundere mich. Denn ich komme trotzdem gut voran. Nicht, dass es angenehm wäre, aber unter 20 km/h fahre ich selbst bei Böen nicht. Ich denke, dass die Windstärke bei mindestens fünf bis sieben liegt. Und das ist ordentlich, wenn man dagegen anfahren muss.

Das Ziel rückt näher

Das Ziel rückt näher

Ich stelle mir immer vor, dass ich mit meinem Trekkingrad höchstens noch 13 bis 17 km/h fahren könnte. Mit in jedem Fall höherem Anstrengungsfaktor. Und dass ich spätestens nach zwei Stunden aufgegeben hätte.

Es geht komischerweise doch recht schnell voran. Richtig befriedigt bin ich, als ich an einer Autobahnauffahrt lesen darf, dass in Richtung Osten stürmischer Wind zu erwarten ist. Wenn das schon für Autofahrer angezeigt wird, was muss das für einen Radfahrer bedeuten. Ich bin einmal mehr stolz auf mich. Plötzlich wird die Straße nass. Ich habe ein Gewitter knapp verpasst und muss mit den Ergebnissen kämpfen. Wasser spritzt mir ins Gesicht. Die Straße wird auch nicht besser. Es schüttelt mich weiterhin ordentlich durch. Kurz kommt der Gedanke auf, mir ein Hotel zu suchen. Aber da erwacht schon wieder mein Ehrgeiz.

Endlich in Cremona nach heftigem Gegenwind, Frühling mit Wind, Sommer mit Hitze, und jetzt am Abend mit gehöriger Kälte

Endlich in Cremona nach heftigem Gegenwind, Frühling mit Wind, Sommer mit Hitze, und jetzt am Abend mit gehöriger Kälte


Nein. Bis Cremona möchte ich es heute schaffen. Den ganzen Tag geht mir mein persönlicher Weitenrekord von 206 Fahrradkilometern an einem Tag nicht aus dem Kopf. Und die Möglichkeit, ihn heute zu brechen. Ich bin vor einigen Jahren mal um 08:00 h morgens in Brüssel losgefahren. Dann an einem Tag mit leichter Westwind-Unterstützung und flachem Untergrund nach gut zehn Stunden um kurz nach 18:00 h in Moers bei Duisburg angekommen. Werde ich die Kraft haben, das zu schaffen.

Endlich kommt Cremona in Sicht. Ich bin schon recht fertig. Vor allem die Temperaturen haben sich geändert. Es wird immer kälter. Und als ich endlich die Stadt erreiche, hat es nicht mehr als drei oder vier Grad. Echt winterlich. Total durchfroren hieve ich mich aus dem Rad. Ja klar. Der Po ist ok. Aber die Oberschenkel schmerzen. Gut 189 Kilometer. Den Rekord nicht geknackt. Aber in einer fantastischen Zeit: knapp über 7,5 Stunden.

Cemona - menschenleer am Abend bei eisiger Kälte vor dem Nationalfeiertag der Italiener

Cemona – menschenleer am Abend bei eisiger Kälte vor dem Nationalfeiertag der Italiener


Ich fahre ins Foyer des Hotels ein, das mir sofort entgegen lacht und das ich ohne Umschweife sofort aufsuche. Erhalte problemlos ein Einzelzimmer. Darf mein Bike in einem speziellen Fahrradraum unterbringen. Ich schleppe mich und mein Gepäck in den vierten Stock. Dusche mich. Fühle meinen Körper kaum mehr. Außer den Schmerzen natürlich. Trotzdem. Ich habe Hunger. Möchte noch ein bisschen von
Beeindruckend.....

Beeindruckend…..

Cremona entdecken. Ich gehe nach einer heißen Dusche nach draußen und finde eine tolle Pizzeria. Leider muss ich warten, da alle Plätze besetzt sind. Das Lokal wurde mir kurz vorher von einem Pärchen auf meine Nachfrage hin empfohlen. Deshalb bin ich auch nicht bereit, im kalten Cremona noch weiter zu suchen.

Die Dame an der Kasse, die mich am Eingang zum Warten aufgefordert hat, nötigt mir, nachdem sie mir dann doch relativ rasch einen Tisch zugewiesen hat, sehr großen Respekt ab. Sie wieselt zwischen den Tischen hin und her. Bringt Pizzas. Nimmt Bestellungen auf. Rennt wieder nach vorne an den Eingang, um Neuankömmlinge auf Wartezonen zu verweisen. Zwischendurch erhalte ich ein seltsames Weißbier, das wirklich sehr bescheiden schmeckt und aus Frankreich stammt. Aber weil ich so begeistert von der dieser Dame bin, bemerke ich das kaum. Die Pizza jedoch, mit Auberginen belegt, mundet großartig. Nach einer Stunde taucht auch noch ein durchgeschwitzter junger Mann mit einer langen blonden Mähne auf.

Er muss, von mir unbemerkt, auch enorm viel gearbeitet haben. Und weil er zudem auch noch so freundlich zu den Gästen ist, lobe ich ihn, als er bei mir vorbeigeht, diesbezüglich sehr. Er freut sich ungemein darüber. Möglicherweise wird viel zu viel erwartet, selten gesehen und noch viel seltener gelobt, was man als Kunde nur möglicherweise bemerkt. Aber dieser Mann war glücklich. Erzählt mir gleich noch ein bisschen von seinem Leben. Und baut bei mir den Mut auf, meine Beobachtungen bezüglich der Dame an der Rezeption auch lobend an eben diese weiter zu geben.
Das mache ich beim Bezahlen auch. Auch sie freut sich sehr über dieses Wahrnehmung. Warum machen wir Menschen das eigentlich nicht ständig? Ich meine: jeder hat doch etwas, wofür er gelobt und beachtet werden kann. Ich denke, die Welt wäre wirklich besser, wenn wir uns gegenseitig mehr lobende Beachtung schenken würden.

Als ich das Lokal verlasse, hat es mittlerweile stark zu regen begonnen. Ich verlaufe mich im Straßendickicht Cremonas. Das Wasser rinnt mir die Jacke hinunter. In den Kneipen tummeln sich viele Italiener, die sich in Vorbereitung des morgigen Nationalfeiertags schon mal warm trinken.

Nach dem Essen: Schnürlregen wie in Salzburg, Kälte, alle Italiener in Hab-Acht-Stellung in den Kneipen der Stadt. In der Hoffnung auf besseres Wetter morgen an IHREM Feiertag

Nach dem Essen: Schnürlregen wie in Salzburg, Kälte, alle Italiener in Hab-Acht-Stellung in den Kneipen der Stadt. In der Hoffnung auf besseres Wetter morgen an IHREM Feiertag


In einem Moment purer Verzweiflung aufgrund Nässe, Kälte, Müdigkeit und anderer Widrigkeiten werde ich mal wieder ganz Frau. Ich betrete eine Kneipe und frage nach dem Weg. Und siehe da, LIEBE MÄNNER, zwei Minuten später erreiche ich glücklich und wohlbehalten mein Hotel. Und finde sofort erholsamen Schlaf nach einem wirklich außerordentlichen Tag.

Und so war es in Zahlen:

Strecke: 189,35 Kilometer
Fahrzeit netto: 07:31:35 Stunden
Brutto: von 10:50 h bis ca. 19:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 25,15 kmh
Höhenmeter: 315 m

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7. Etappe von Cremona nach Peschiera mit Abstecher nach Saló

Gespannt gehe ich nach dem Aufwachen an das mit einem Vorhang geschlossene Fenster, schiebe ihn ein wenig beiseite, und schaue verzückt den schmalen Schacht nach oben. Ich habe schlimmstenfalls totalen Schnürlregen erwartet. Und was passiert: ich erkenne einen tiefblauen Himmel. Das macht den Gedanken an das Weiterfahren nach der gestrigen Hammeretappe schon leichter. Ich habe recht gut geschlafen und bin einigermaßen frisch erwacht.

Cremona am Morgen des Nationalfeiertags -  strahlender Sonnenschein trotz Dauerregenvorhersage

Cremona am Morgen des Nationalfeiertags – strahlender Sonnenschein trotz Dauerregenvorhersage

Cremona- weitere Eindrücke

Cremona- weitere Eindrücke


Der erste Muskeltest verläuft auch nicht schlecht, wobei mir wie gestern, am linken Bein die rechte Seite unterhalb der Kniekehle schmerzt. Ich hoffe, dass ich trotzdem fahren kann. Aber zuerst gibt es mal ein Frühstück. Ich begebe mich mit dem Aufzug nach unten.

In Gedanken freue ich mich für die gesamte italienische Nation, die sich so herausgeputzt, die Fahnen an die Fenster gehangen hat. Die gestern Abend bei strömendem Regen die Kneipen bevölkert hat. Einen freien Tag vor sich. Nationalfeiertag, am 25. April. Und heute also doch Kaiserwetter, wenngleich es schon sehr kühl ist. Im Übrigen ist das auch mein Namenstag. Wie schön, dass mich schon wieder etwas mit meinem geliebten Italien verbindet.

Das Gebäude zum Nationalfeiertag. Dafür ist die Inschrift erstellt worden

Das Gebäude zum Nationalfeiertag. Dafür ist die Inschrift erstellt worden


Das Frühstück gehört zur üppigeren Sorte hier. Obwohl der Ananassaft sehr seltsam, wenn nicht sogar etwas modrig schmeckt. Ich konzentriere mich danach auf grünen Tee und auf Blutorange aus dem Saftspender, der vier verschiedene Fruchtsäfte zur Auswahl bietet.

Es sind auch andere Gäste in diesem großen und ohne Fenster ausgestattetem Frühstücksraum, der aber bei weitem nicht gefüllt ist. Eine Familie mit zwei halbwüchsigen Kindern sitzt neben mir. Vorne ein Pärchen. Hätte gerne mit dem Mann getauscht. Seine Frau oder Freundin ist mein Typ. Aber da das nicht möglich ist, freue mich für ihn.

Cremona, schon wieder

Cremona, schon wieder


Ich lange ordentlich zu. Schließlich brauche ich Energie für die nächste, nicht unerhebliche Etappe. Obwohl es bis zum Gardasee nicht mehr ganz so weit zu fahren ist. Ich tippe auf 80 oder 90 Kilometer bis Saló bzw. San Felice Del Benaco. Ich gehe davon aus, dass sich dort mein sehr guter Freund Ludoviko im Urlaub befindet.
Spaziergänger im Park

Spaziergänger im Park

Er fährt immer hierher, zweimal im Jahr, wenn es ihm möglich ist und erholt sich dort von seinem Job in der Ruhe der Noch-Nicht-Saison oder Nachsaison am Gardasee in einem gemieteten Häuschen an einem kleinen, aber feinen Campingplatz in San Felice.

Ich lasse mir nach dem Bezahlen an der Rezeption noch den Weg aus der Stadt in Richtung Brescia von der freundlichen Dame erklären, die mir gestern Nacht noch Platzregen für heute vorausgesagt hat.
Die Luft ist kühl, als ich nach draußen fahre. Ja, mit dem Fahrrad aus dem Hotel. Das hat was. Nachdem ich das Gefährt aus seiner Garage in einem Raum beim Foyer herausgeschoben habe. Ich wende mich dem Domplatz zu, von dem laute Blasmusik herüberweht. Es wird schon munter das Ende des Zweiten Weltkrieges gefeiert.

Ich finde gut aus der Stadt, beobachte die blauen Schilder, die Brescia ausweisen. Plötzlich sehe ich ein Fahrradverbotsschild. Nein, hier weiter zu fahren, darauf lasse ich mich nicht ein. Ich beobachte mein eingeschaltetes Navi, das aber insgesamt nur sehr unzuverlässige Dienste erbringt. Vor allem reagiert es allgemein sehr träge. So auch jetzt. Ich schieße nicht nur auf eine Landstraße, sondern, was ein nachträglicher Blick auf das Gerät mir zeigt, auch noch über das Ziel hinaus. Muss wieder umkehren. Biege in die angezeigte Straße ein, bekomme fortan immer wieder die Maßgabe „bitte wenden“. Ich fahre trotzdem weiter, orientiere mich an der Sonne. Warum sie nicht nutzen, wenn sie schon mal scheint.

Es ist zwar schön, aber immer noch bläst ein frischer Wind. Das Ganze unterstreichen die schneebedeckten Alpen, die mit jedem Kilometer näher rücken

Es ist zwar schön, aber immer noch bläst ein frischer Wind. Das Ganze unterstreichen die schneebedeckten Alpen, die mit jedem Kilometer näher rücken


Also nach Norden. Und plötzlich geht es nach links auf eine breitere Landstraße. Und was darf ich lesen? Via Brescia. Perfetto. Ab jetzt fahre ich einfach geradeaus. Ich merke natürlich ein bisschen, dass ich mich von der Poebene zu den Alpen hin bewege. Es geht leicht und stetig bergauf. Auch hier liegen eine Menge tote Tiere am Straßenrand. Die Straße ist oftmals sehr schlecht und immer wieder werden mein ungefedertes Fahrrad und auch ich heftig durchgeschüttelt. Brescia und die aus der Ferne erkennbaren, schneebedeckten Berge rücken immer näher an mich heran.
Kleines Städtchen auf der Strecke

Kleines Städtchen auf der Strecke


Ich bin zufrieden mit dem Tempo. 16 Kilometer vor der Kreisstadt Brescia erkenne ich die braungefärbte Ausschilderung zum Gardasee, der ich sofort folge. Mein Navi will mich irgendwo abgebogen wissen, ich fahre aber weiter nach Desenzano. In der Stadt reihe ich mich in den Stau nach Saló ein. Ein kleiner Nachteil des Dreiradfahrens. Ich kann nicht so locker an Staus vorbeifahren wie mit dem Zweirad. Es geht nur, wenn die Autos sich recht weit links vom Straßenrand halten. Dann ist auch immer wieder mein linker Arm gefragt. Ich winke oft intensiv, weil ich davon ausgehe, dass die Autofahrer selten in den rechten Rückspiegel schauen, weil sie nicht ständig fast am Boden entlang fahrende Trikes neben ihrem Auto vermuten.
Schönheit auf der Fahrt in einem wundervollen Land

Schönheit auf der Fahrt in einem wundervollen Land


Nach Kilometer 80 beginnen heute wieder enorme Schmerzen in den Füßen, insbesondere in den Zehen des rechten Fußes. Keine Ahnung, was da los ist. Ich versuche immer entgegenzuwirken, indem ich ausklicke und meinen Fuß auf die Mittelachse des Rades stelle und nur mit dem linken Bein weitertrete. Das hilft meist schnell und sorgt für Entlastung.
Gegen 15 erreiche ich den Campingplatz. Bin gespannt, ob Ludwig da ist. Er hat mir vor ein paar Wochen gesagt, dass er vorhat, um diese Zeit in Italien zu sein. Ich halte an der Rezeption. Eine schwarzhaarige Italienerin begrüßt mich freundlich mit einem Lächeln, schaut in ihrem Verzeichnis nach, möchte wissen, wer ich bin (sie bittet mich, meinen Namen auf einen roten Zettel zu schreiben). Gut. Ludwig ist auf jeden Fall hier in Italien, mal sehen, ob er gerade auch auf dem Campingplatz ist.
Endlich am Campingplatz meines Freundes in San Felice del Benaco

Endlich am Campingplatz meines Freundes in San Felice del Benaco


Dann lasse ich mich wieder in mein Fahrrad fallen. Und ehe es der jungen Frau gelingt, die Schranke zu heben, bin ich unten durch gefahren. Ich fahre langsam über einen Kiesweg zum Restaurant des Campingplatzes. Steige ab, und wandere den kleinen Berg über einige Steinstufen hinauf, wo ich die Unterkunft Ludwigs vermute.

Mein Freund, der nach einigen Tagen Urlaub schon recht entspannt erscheint

Mein Freund, der nach einigen Tagen Urlaub schon recht entspannt erscheint

Er sitzt gerade, dick eingemummelt, um sich vor dem kalten Wind zu schützen, und mir den Rücken zuwendend, auf dem kleinen Balkon seiner Unterkunft. Als ich ihn gleich anspreche, tut er so, wie wenn er mich bereits gesehen und mich genau jetzt erwartet hat. Ich gehe zu ihm hinüber auf seinen Balkon. Wir begrüßen uns herzlich mit einer Umarmung.
Zuallererst stürze ich mich auf seine Wasser- und Schokoladenvorräte, ehe wir beide uns ins Restaurant hinunter begeben und zusammen Kaffee trinken. Wir ratschen eine Zeitlang und beschließen, nicht zur Pizzeria unserer gemeinsamen Freunde Franco und Michaela nach Saló zu fahren, sondern gleich hier am Platz unser Abendessen einzunehmen.
Der Blick von San Felice aus hinüber zur Hundeschnauze von Manerba

Der Blick von San Felice aus hinüber zur Hundeschnauze von Manerba

Ich möchte endlich meine geliebten Spaghetti aglio e oglio e peperoncino essen. Aber wieder habe ich Pech. Auch hier steht das Gericht nicht auf der Speisekarte. So entscheide mich für eine Pizza Vegetariana, die jedoch geradezu vorzüglich mundet.

Um 19:30 verabschieden wir uns wieder und ich mache mich noch auf den Weg in Richtung Malcesine, so lange es noch hell ist. Vor Desenzano bildet sich ein langer Stau der vielen Italiener, die einen verlängerten Wochenendausflug aus Mailand oder Verona an den Gardasee unternommen haben. Manchmal kann ich ganz gut am rechten Fahrbahnrand daran vorbeifahren. Manchmal bin ich aber auch gezwungen anzuhalten. Sicher noch ein kleiner Nachteil des Liegeradfahrens: man ist näher an den Auspuffen der Autos dran.

Der Blick vom Restaurant des Campingplatzes in San Felice auf den Gardasee.

Der Blick vom Restaurant des Campingplatzes in San Felice auf den Gardasee.


Und der Spaß vergeht mir mehr und mehr, als ich mich plötzlich an einer neu ausgebauten Schnellstraße befinde. Das macht zwar irgendwie das Fahrradfahren auch schneller. Und es wird immer dunkler, und es findet sich keine Ausfahrt so schnell. Zum Glück ist nur auf der Gegenseite so viel Verkehr, dass es sich auch dort staut. Schließlich kommt doch die Ausfahrt nach Peschiera. Ich bin erleichtert, weil mich die letzten Minuten doch recht gestresst hatten. Zwar habe ich während einer kleinen Pause in Desenzano meine mitgebrachte Stirnlampe an meinem Kopf angebracht, um besser gesehen zu werden. Aber das war nur eine kleine Hilfe. Selbst sehen konnte ich praktisch nichts, und das bei sehr rasanter Fahrt bei nun mehr vollständiger Dunkelheit.

Das erste Hotel in Peschiera erscheint nach ein paar Minuten. Ich biege sofort auf den Hof und nehme mir dort ein Zimmer mit Frühstück. Das funktioniert wirklich reibungslos. Gegessen habe ich ja schon am frühen Abend mit Ludwig. So setze ich mich noch in den Frühstücksraum und genieße noch ein Abend-Bier.

Die Statistik:
Strecke: 117,61 Kilometer
Fahrzeit netto: 05:15:26 Stunden
Brutto: von 11:10 h bis ca. 21:00 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,37 kmh
Höhenmeter: 567 m

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8. Etappe von Peschiera nach Bolzano

Mein Blick nach dem Aufwachen fällt direkt auf die Hauptstraße, auf die Gardesana Orientale. Es ist wenig los da unten, aber das Wetter ist prächtig. Beschwingt raffe ich meine Siebensachen zusammen. Und begebe mich zum Frühstücken. Auch hier kann sich dieses sehen lassen. Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten trinke ich zwei Tassen Capuccino, etwas Fruchtsaft, und ernähre mich ansonsten vegetarisch mit Käse, Gurken und Tomaten auf dem Brot.
Da ich vor dem Mahl schon das Bezahlen erledigt habe, schleppe ich meine Taschen zum Fahrrad, das ich draußen auf dem Parkplatz neben den Autos, durch eine Hecke als Sichtschutz von der Straße verdeckt, am Vorabend abgestellt habe.

Gardaland macht Tourismus möglich

Gardaland macht Tourismus möglich


Ich ziehe meine Reizstrümpfe wieder aus. Es erscheint mir in der Sonne zu warm. Auch meinen Nierengurt gegen kalten Wind verpacke ich wieder in meinen Taschen. Und los geht´s. Ich biege nach links in die Gardesana ein und lasse meine Reifen rollen. Fahre durch Lazise, an Gardaland vorbei, passiere Bardolino und Garda. Langsam zieht sich der Himmel mehr und mehr zu, ohne dass ich sagen könnte, dass sich die Sonne total verabschieden würde. Aber je mehr sie sich zurückzieht, umso empfindlich kühler wird es. Trotzdem fahre ich tapfer und mit hoher Geschwindigkeit weiter.
Das ist wirklich was für mich. Rock´n Roll, das ist mein Leben

Das ist wirklich was für mich. Rock´n Roll, das ist mein Leben


Was mich ein wenig umtreibt ist eine Steigung in Torbole. Die habe ich vor einem guten halben Jahr mit meinem Trekkingrad kaum bezwungen. Und da ich gestern feststellen musste, dass ich nicht auf das kleine vordere Ritzel schalten kann, weil der Umwerfer leider – nicht umwerfenderweise – einfach die Kette nicht umwirft, habe ich doch Bedenken, ob ich das schaffe. Aber, so viel ich auch überlege, es fällt mir keine Alternative ein. Bis nach Riva zu fahren und dann mich in unbekanntes Terrain zu begeben, nein, das riskiere ich lieber nicht.
Ausufernder Gardasee bei Malcesine

Ausufernder Gardasee bei Malcesine


Und als ich Torbole erreiche ist mittlerweile auch die Sonne weg, und nicht nur deshalb, weil ich ein paar unangenehme ca. 100 Meter lange Tunnel durchfahren muss. Ich finde den Aufstieg auch sofort und fahre einfach drauf los. Gleich zu Beginn kommt mir eine Gruppe älterer Herrschaften entgegen.
Hinter Torbole beim Anstieg. Der Blick nach unten

Hinter Torbole beim Anstieg. Der Blick nach unten

Den Anstieg immer im Blick, allerdings im Rück-BLICK

Den Anstieg immer im Blick, allerdings im Rück-BLICK


Mit Elektromotoren an den Gepäckträger geschraubt. Ich denke, für was braucht man zum nach unten fahren Unterstützung. Einige der älteren Damen machen mir durch ein paar Ausrufe der Achtung Mut. Es ist wirklich sehr, sehr steil. Aber langsam, ganz langsam komme ich nach oben. Die Kette hält. Meine mehrmaligen Versuche, nochmals auf die leichtesten Gänge zu schalten, misslingen erneut. Also gut. Es wird auch so gehen. Nun eine Rechtskurve.
Kurz vor Torbole auf der Gardesana Occidente

Kurz vor Torbole auf der Gardesana Occidente


Dann geht es sieben, achthundert Meter weit weiter steil nach oben. Aber es geht voran. Es ist kein Stress, denn ich kann auch ganz lentissimo fahren. Ich falle ja nicht um. Ich fange an zu genießen. Oben trifft sich wieder eine Gruppe von Radfahrern, die dann gesammelt den Weg nach unten antritt. Das geschieht so mehrere Male, während ich mich hochkämpfe. Ich merke, wie ich müde werde. 120 Höhenmeter auf dem vergangenen gefahrenen Kilometer. Das geht an die Substanz. Es wird immer mühseliger. Aber schließlich schaffe ich es bis ganz nach oben, bin aber ganz schön außer Puste. Fast 150 Höhenmeter auf nicht einmal eineinhalb Kilometer. Ich bin einmal mehr stolz auf mich.
Ein letzter Blick auf meinen geliebten Gardasee. Jetzt geht es weiter Richtung Alpen

Ein letzter Blick auf meinen geliebten Gardasee. Jetzt geht es weiter Richtung Alpen


Endlich entspannt fahre ich dann durch Nago und suche mir den Fahrradweg nach Rovereto, den ich auch gleich finde. Jetzt geht es durch die Weinberge, was unschwer am intensiven Schwefelgeruch zu erkennen ist. Weil ich darauf so stehe, nutze ich ein zwischen dem Wein stehendes Bänklein zur Rast, und, weil es so zapfig geworden ist und die Sonne sich gänzlich vom Acker gemacht hat, zum Ankleiden meiner Windstopper. Ich schaue mich verschämt um. Nicht, dass das jemand mitbekommt.
Zwischen Gardasee und Etschtalradweg kurz vor Rovereto

Zwischen Gardasee und Etschtalradweg kurz vor Rovereto

Der Etschtalradweg. Ich habe ihn sofort gefunden.

Der Etschtalradweg. Ich habe ihn sofort gefunden.


Danach läuft es weiter bergauf. Ich halte an, als ich ein Pärchen an einer Tafel stehen sehe, die mich vorhin, als ich auf der Bank saß, während meiner kurzen Rast, schon begrüßt hatten. Ich spreche ein wenig mit den beiden aus Moro stammenden über die Vor- und Nachteile des Liegeradfahrens. Der Gatte meint auch noch, dass nach zweihundert Metern die Passhöhe erreicht ist. Ich bin dankbar, denn so früh habe ich das noch gar nicht erwartet, habe noch mit ca. sieben Kilometern steilen Bergfahrens gerechnet.
Mittagspause in Trento

Mittagspause in Trento

Eindrücke aus Trento, während ich verzweifelt die Etsch suche

Eindrücke aus Trento, während ich verzweifelt die Etsch suche


Und in der Tat, nach einigen nochmals anstrengenden Minuten geht es plötzlich bergab in Richtung Rovereto. Ich bin erleichtert, dass sich meine Muskeln nun endlich erholen können. Die Räder laufen leicht. Es fängt ein bisschen zu tröpfeln an und ich hoffe inständig, dass es sich nicht einregnet. Ich finde den Etschtalradweg sofort. Kurz vor Rovereto biege ich dazu von der Landstraße aus Nago kommend, scharf rechts ab. Dann geht es nochmal steil abwärts, und schon bin ich im Etschtal. Ein perfekt ausgebauter Radweg zum Brenner hinauf schont meinen lädierten Rücken nach all den schlechten Wegen, die ich mit meinem ungefederten Fahrrad durchfahren habe in den letzten Tagen.
So gründlich, so glatt - der Radweg an der Etsch ist wirklich geeignet für ungefederte Räder. Und das Wetter spielt auch mit. Starker Südwind und sanfte Steigung

So gründlich, so glatt – der Radweg an der Etsch ist wirklich geeignet für ungefederte Räder. Und das Wetter spielt auch mit. Starker Südwind und sanfte Steigung


Plötzlich geht es in Sieben-Meilen-Schritten voran. Der starke Wind aus Süden trägt dazu vehement bei. Der Wettergott hat also ein Einsehen mit mir. Es regnet auch nicht, wenngleich sich die Sonne nur selten mal für ein paar Minuten zeigt. Insofern ist es auch frisch. Aber meine elektronische Tachonadel fällt nur noch selten unter 28 kmh. Das macht Spaß und spornt zu intensivem Treten an. Ich komme voran und bin schon gegen 15:00 h in Trento. Hier ist es Zeit eine kleine Pause zu machen. In einem Café an einer belebten Straße zurre ich mein Fahrrad an einem Stuhl aus Eisen fest, den bei diesen kühlen Temperaturen sowieso keiner benutzt. Die Gäste nehmen ihren Kaffee lieber im Warmen ein, und begeben sich ins Innere des Gebäudes. So auch ich. Ich trinke einen Capuccino, esse eine Kleinigkeit. Nach einer Rast von einer knappen Stunde raffe ich mich auf zum letzten Abschnitt. Heute Abend möchte ich in Bozen sein. Das dürften von hier noch ca. 70 Kilometer sein. Ich steuere mein Rad durch den Feierabendverkehr von Trento. Hier ist volle Konzentration gefragt. Ich finde den Radweg nicht sofort. Wo ist nur die geliebte Etsch, deren eine Flanke mich befreit von Abgasgestank und Lärm. An deren Seite ich mich schmiegen und meine Sportlichkeit genießen kann.
Ganz Frau halte ich schließlich eine alte Dame auf, die just in diesem Moment eine belebte Straße überqueren will, am Fuße einer Brücke, die aber nicht die Etsch überschlägt, wie ich schon feststellen durfte. Die Dame schickt mich trotzdem über diese Brücke. Das sei schon der richtige Weg. Nach wenigen hundert Metern würde ich direkt auf den Fluss und damit auch auf den Radweg treffen. Erleichtert stelle ich fest, dass diese Frau zu hundert Prozent die Wahrheit gesagt hat. Nun also auf zum letzten Abschnitt meiner Radreise. Nach Bozen.
Der Wind treibt mich weiter voran. Das Wetter hält und auch die Frisur. Ich bin so euphorisiert, dass ich nicht mehr auf meinen Körper achte. Ich fahre und fahre, trete und trete. Sehe vor mir einen Rennradler. Ich will ihn wieder packen. Ziehe meine Kamera heraus und drehe einen kleinen Film über die Verfolgungsfahrt. Er kommt mir immer näher bzw. ich ihm. Ich wundere mich selbst über meine Kraftreserven und ziehe an ihm vorbei. Schnell ist er aus meinem Blickwinkel im Spiegel verschwunden. Während einer kleinen Pause etwas später überholt er mich wieder, und dann bekomme ich von ihm nur noch sein Hinterrad zu sehen. Aber jetzt sind wir schon kurz vor Bozen. Endlich. Ich merke, wie fertig ich eigentlich bin. Will eigentlich in eine Pension etwas vor Bolzano gehen, in dem ich letztes Jahr schon mal auf einer Radreise übernachtet habe. Ich finde aber die Ausfahrt nicht und bin plötzlich mitten in der Innenstadt.
Endlich in Bozen an der Endstation der Reise.

Endlich in Bozen an der Endstation der Reise.


Ich orientiere mich in die Altstadt. Und auch Richtung Bahnhof. Morgen möchte ich von hier nach München fahren. Da ich bereits am kommenden Freitag in einem Seminar bin, ermöglicht mir das noch einen Ruhetag. Und nach fast tausend Kilometern ist es jetzt auch gut. Das Wetter hält noch und die tiefstehende Sonne blendet mich, als ich mich nach einem günstigen Hotel oder einer Pension umschaue, in dem ich langsam vom Bahnhof ausgehend ins Zentrum radle.
Es dauert noch ein wenig bis ich fündig werde. Stelle erst mal mein Fahrrad an einem mir sehr teuer erscheinenden Hotel ab. Begehe einige dieser Etablissements. Aber die Preise hier sind gewaltig. Nur um ein paar Stunden Erholung zu finden, brauche ich keinen Luxus. Schließlich entscheide ich mich für ein Hotel, binde mein Fahrrad draußen an. Die Sorgen der Empfangsdame, dass es an diesem Platz gestohlen werden könnte, teile ich nicht. Ich mache mir über solche Fälle eher wenig Gedanken.
Mein nicht ganz billiges Hotel in Bozen. Aber die Wandfarbe ist schön, gell!?

Mein nicht ganz billiges Hotel in Bozen. Aber die Wandfarbe ist schön, gell!?

Sieht doch glänzend aus im wahrsten Sinne des Wortes in der Bozener Abendstimmung. Mein Hotel hatte Sorge, dass das Rad auf der Straße über Nacht geklaut wird. Da hatte ich totales Vertrauen, dass das nicht passiert. Wer will sowas schon klauen, wenn er im ersten und wichtigsten Moment gar nicht weiß, wie er das Gefährt von der Stelle bekommt

Sieht doch glänzend aus im wahrsten Sinne des Wortes in der Bozener Abendstimmung. Mein Hotel hatte Sorge, dass das Rad auf der Straße über Nacht geklaut wird. Da hatte ich totales Vertrauen, dass das nicht passiert. Wer will sowas schon klauen, wenn er im ersten und wichtigsten Moment gar nicht weiß, wie er das Gefährt von der Stelle bekommt


Dann suche ich mir ein nettes Restaurant und bestelle mir? Ja, ihr werdet es kaum glauben: spaghetti aglio et oglio. Und das, obwohl diese Art der Nudelzubereitung nicht mal auf der Karte steht. Aber ich fasse mir endlich ein Herz und frage ganz einfach. Ich bin sehr hungrig und verschlinge meine Lieblingsspeise, von der ich ein besonders große Portion bestellt habe, auf einen Sitz, wie man in Bayern so salopp sagt.
Und dann geht es schon ab ins Bett für eine gehörige Mütze voll Schlaf.

Strecke: 170,93 Kilometer
Fahrzeit netto: 07:32:16 Stunden
Brutto: von 10:20 h bis ca. 19:15 h
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,67 kmh
Höhenmeter: 817 m

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Prolog

Nach nun schon wieder einem Jahr stehen wir vor unserer nächsten Radreise. Und obwohl wir eigentlich schon kurz vor dem Ende der letzten Tour darüber sinnieren, wo es denn 2014 hingehen soll, steht kurz vor der Abreise am Samstag, den 26.07.2014 nur eines fest:

Wir treffen uns zu dritt. Es werden also meine Freunde Chris und Olda wieder dabei sein. Das Reiseziel war lange Zeit auch relativ klar. Wir wollten nach Kroatien. Nach Triest mit dem Auto, und dann über einige Inseln hinunter nach Dubrovnik radeln. Danach am 07.08. mit dem Schiff einen ganzen Tag lang zurück nach Rijeka. Mit dem Rad noch ca. 75 Kilometer zum Auto und wieder nach Hause.

Was hat das jetzt mit der Fahrradreise zu tun?

Was hat das jetzt mit der Fahrradreise zu tun?

Aber da gibt es natürlich immer wieder Unwägbarkeiten, die von uns Notiz nehmen und uns zum Umdenken zwingen. Eine Kollegin von mir eine hat schwerere Krankheit erwischt (von hier aus Gute Besserung von Herzen), die es meinem Chef nicht erlaubt, mir einen längeren Urlaub als bis zum einschließlich 06.08. zu gewähren. Das ist bitter, aber Gottseidank sind meine Kumpane flexibel.

Für diese tolle Begleiterscheinung unserer Freundschaft bin ich sehr, sehr dankbar.
Unsere Unentschlossenheit bezüglich des Zieles unserer Radreise in 2014 kommt noch ein weiterer, nicht unwesentlicher Punkt hinzu: vor einigen Tagen rief mich Krischan an und meinte, er hätte mit Hilfe der Googlemaps-Karte das Höhenprofil unserer Strecke gecheckt. Und dabei mit Erschrecken festgestellt, dass es in Kroatien extrem bergauf und bergab geht. Soll heißen, dass es eine Straße an der Küste wohl durchgehend nicht zu geben scheint und wir deshalb immer wieder nach oben in die Berge fahren müssen. Das bedeutet aber immer wieder ein Höhenunterschied von 300 bis 500 Meter überwinden zu müssen, was zu einer Gesamtbelastung von bis zu 27.000 Höhenmetern führen könnte. Das wäre fast das Dreifache unserer Höllentortur durch Tschechien im vergangenen Jahr.

Oder vielleicht doch?????

Oder vielleicht doch?????

Das wäre vielleicht weiter gar nicht zu beachten, hätten wir nicht im vergangenen Jahr eine bis dato neue Extremerfahrung gemacht. Auf unserer Reise durch Tschechien gab es auch fast ausschließlich Berge. Insgesamt waren es auf der ähnlich weiten Strecke ca. 10.000 Höhenmeter. Bei den während der fast gesamten Woche herrschenden Temperaturen von teilweise über 40 Grad (Celsius – nicht Fahrenheit), doch eine enorme Schinderei.

Nun starteten also gleich die Überlegungen für alternativen Routen:
Ich hätte Lust auf die südadriatische Küste. Ich war noch nie dort, stelle mir diese Gegend aber sehr schön vor. Es ist zwar auch heißes Wetter zu erwarten, aber die Strecke, die am Meer entlang führt, würde auf jeden Fall relativ flach sein.

Eine andere Überlegung, um uns in andere Temperaturgefilde zu begeben, wäre zum Beispiel England. Da ich aber unter Flugangst leide – und damit meine Freunde unter mir – wird die Zeit ein wenig zu knapp sein. Erst die Anreise nach Calais, mit dem Schiff übersetzen bei nur insgesamt zwölf Tagen, da kommen wir in England nicht besonders weit. Obgleich die Lust, dieses an Gegensätzen so reiche Land erneut und besser kennen zu lernen, als bei unserer Begegnung vor fünf Jahren, schon groß ist. Das Spießbürgerliche, das dem Briten innewohnt, und das bei einem Kneipenbesuch in jedem englischen Pub konterkariert wird. Ja, das hätte was.

Was ist das denn????

Was ist das denn????

Und da wäre da noch Frankreich. Etwa das ca. 1000 km lange Loiretal, eine Tour, die bei Chris hoch im Kurs steht.

Ein Anruf bei Oldo in Tschechien ergibt doch eine kleine Enttäuschung für ihn. Der Mann, der in den Bergen Böhmens das komplette Jahr für unsere Reise trainiert, möchte natürlich auch belohnt werden mit vielen Höhenmetern. Aber seine Freude auf das Wiedersehen und den Spaß, den wir natürlich auch miteinander haben lässt das eigentliche Ziel bzw. die Route dann doch in den Hintergrund geraten. Er fährt gern überall hin mit uns.

Nee ist klar: Das Ganze ist nur ein kleiner Scherz für meine Fahrradfreunde. Natürlich werde ich damit nicht reisen. Das wäre unsozial, weil wohl einfach zu schnell.

Nee ist klar: Das Ganze ist nur ein kleiner Scherz für meine Fahrradfreunde. Natürlich werde ich damit nicht reisen. Das wäre unsozial, weil wohl einfach zu schnell.

Wir werden also sehen. Ich melde mich kurz vor der Abreise noch mal bei Euch. Bis dahin – eine Gute Zeit euch allen.

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Prolog 2. Teil

Tja, die Tage sind vergangen, ohne dass in puncto Zielfindung Entscheidendes passiert wäre. Heute ist Freitagabend. Ich bin um 20:15 Uhr von Arbeit und Besorgungen nach Hause gekommen. Gepackt oder gut vorbereitet auf unseren Trip bin ich bei weitem noch nicht.

Oldo hat sich für ca. 21:00 Uhr angekündigt. Ich bin schon gespannt, wie er drauf ist. Konnte er sein Gewicht halten? So wie ich. Letztes Jahr hatte ich mir vorgenommen, dass ich auf jeden Fall wesentlich leichter in die neue Radtour starten werde. Ohne Stolz kann ich jedoch von mir behaupten, dass ich es geschafft habe, nicht schwerer als im zurückliegenden Jahr die Reise beginnen zu können.Ein entspannter Typ, der noch gar nicht weiß, wo die Reise hingeht

So ich muss mich beeilen. Unter die Dusche, wenigstens noch ein paar Dinge zusammenräumen, den kleinen Rucksack mit dem zwei Liter fassenden Trinkbehälter aus dem Keller holen, einige wichtige Utensilien, die ich auf keinen Fall vergessen möchte, schon einmal auf dem Wohnzimmertisch drapiert.

Dabei fällt mir ein: Mensch, wir wissen immer noch nicht, wo wir hin radeln wollen. Ich bin im Stress. Gerade stehe ich splitterfasernackt am Fenster meines Bades, nachdem ich mich rasiert habe, da sehe ich ein Auto aus dem Fenster mit tschechischem Kennzeichen vorbeifahren. Ja, das ist der graue Ford von Oldrích. Ich bin mir recht sicher, die Haustüre unten offen gelassen zu haben, und steige einigermaßen beruhigt unter die lauwarmen Wasserstrahlen meiner Brause. Oldo kennt sich aus. Er wird nicht mal klingeln. So war es auch. Als ich aus der Dusche komme, begrüßen wir uns herzlich, setzen uns auf den Balkon und lassen die letzten Monate seit meinem Geburtstagsfest, als er auch bei mir war, Revue passieren.

Es dauert bestimmt bis 23:00 h, ehe ich dazu komme, meine Sachen weiter zu sortieren, weil Oldo sich nun müde in sein Schlafgemach zurückzieht.
Es wird eine kurze Nacht für mich. Ich ordne noch meinen Bürokram, suche weiterhin Sachen für die Reise zusammen, wasche Wäsche, nehme trockene vom Ständer. Um 2 Uhr falle ich ins Bett. Morgen möchte Krisch gegen 10:30 Uhr bei mir sein.

Ihm ist es egal, er ist überall dabeiUm acht stehe ich wieder stramm, fahre nach Dachau zum Friseur, gebe ein paar Briefe bei der Post ab, und beeile mich, um halb elf wieder daheim zu sein, während Oldo am Vormittag bereits mit dem Fahrrad unterwegs ist und eine letzte Trainingseinheit vollzieht.

Kein Krisch ist zu sehen. Oldo gerade von seiner spontanen Radtour zurück. Ich lasse mich nicht hetzen und setze meine Vorbereitungen weiter um.

Zum Glück taucht Krisch erst gegen 11:30 Uhr auf. Er war gestern noch auf einem Fest und erst sehr spät ins Bett gekommen. Ich bin froh. Jetzt sitzen wir zu dritt in meinem Wohnzimmer und die Frage nach unserer Reiseroute nimmt langsam aber kontinuierlich Fahrt auf. Wie ich erwartet habe, steigt Krisch wieder auf das Loire-Thema ein. Nach einigen Minuten einigen wir uns aber dann doch auf Italien. Wir wollen bis Marotta fahren, wo Krisch den ehemaligen Oberkellner der Dachauer Pizzeria Amalfi, Roberto, gut kennt, der seit längerem ein kleines Hotel an der Adriaküste führt.

Der Renner von OldríchNachdem meine beiden Freunde mein neues Velomobil eingehend betrachtet und gewürdigt haben, geht es dann endlich um 12:30 Uhr los in Richtung Süden.
Es ist wahrscheinlich Ferienbeginn in verschiedenen Ländern und Bundesländern, und schon bald stellen wir fest, dass es möglicherweise bis Marotta heute Abend nicht mehr reichen wird. Einige Staus schon in Deutschland und nach dem Brenner verzögern unsere Anreise beträchtlich. Irgendwann löst mich Chris am Steuer ab, weil ich übermüdet bin und fährt uns sicher in eine Stadt, von der ich seit 50 Jahren voller Stolz behauptet habe, nie dort gewesen zu sein. Die Stadt heißt Rimini.

Aber alles hat eben ein Ende und heute bin ich so weit, sagen zu dürfen, dass meine Kenntnisse über die italienische Adriaküste sich beginnen, enorm zu erweitern.Alles will verstaut und verbaut sein.

So könnte es klappen.Abschließende Feinarbeiten
Wir finden schnell das Hotel Bikini toll, in dem wir zwei kleine Zimmer beziehen. Das Personal an der Rezeption ist freundlich, hilfsbereit und geradezu witzig. Der nette Herr, der sich Meiner beim hilfesuchenden Eintritt ins Foyer gleich angenommen hatte, sagt mir beim Einchecken, dass er Schwierigkeiten hätte, mein Passfoto mir ähneln zu sehen. Meine Freunde schlagen auf meine Nachfrage in die gleiche Kerbe. Nein. Ich hätte mich wirklich verändert. Mehr wollen sie dazu nicht sagen.

Nachdem sich Christian geduscht hat, marschieren wir entlang der Strandpromenade und suchen uns ein Restaurant zum Essen. Wir werden schnell fündig und verspeisen Salate, Pizza und trinken genussvoll ein Bier.Zwei  Freunde finden den Bikini a-toll und träumen in der Nacht davon

Die gemeinsame Reise macht sich gut an, denn wir beginnen schon bald über unsere Äußerungen zu den verschiedensten Themen herzhaft zu lachen. Das, was ich das ganze Jahr über vermisse und auf das ich mich am meisten freue, wenn ich an unsere Radreise denke.

Morgen, so beschließen wir, machen wir uns auf zu Roberto, wo wir das Auto stehen lassen wollen. Noch ein gemeinsames Mittagessen. Und dann soll es losgehen. Dann werden die Drahtesel gesattelt auf unserem weiten Weg nach Süden.

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1.Etappe von Marotta nach San Giorgio

Letzter Vergleich der Bäuche vor dem anstrengenden Teil unseres Vorhabens. Oldo, als Außenstehender, darf fotografieren.

Letzter Vergleich der Bäuche vor dem anstrengenden Teil unseres Vorhabens. Oldo, als Außenstehender, darf fotografieren.

Wir erwachen erfrischt in unserem Bikini-Hotel und begeben uns gleich hinunter an das Frühstücksbuffet. Der Blick aus dem Fenster verheißt zumindest keinen astreinen Sommertag. Es ist diesig, wolkenverhangen.

Erstaunlicherweise ist das Büffet in zwei Abteilungen aufgeteilt. Auf der einen Seite alles, was das Herz begehrt von Obst über Joghurt, Süßigkeiten usw. Auf der anderen Seite des Raumes, etwas versteckt, eine Aufreihung von Lebensmitteln, die glutenfrei sind. Dankbar will ich mir ein Brot davon nehmen, als ein unfreundlicher Geselle des Hause mich sofort. Ich müsse mich entscheiden, entweder von da oder vom anderen Teil des Buffets. Da ich aber schon eine Schüssel mit Obst und Joghurt in der Hand halte, schleiche ich kleinlaut von dannen.

Robertos Albergho, das Hotel Lilly.

Robertos Albergho, das Hotel Lilly.

Wir frühstücken trotzdem entspannt, ziehen mit lautstarken Lachern die Aufmerksamkeit anderer Gäste auf uns. Nach dem Essen packen wir die Sachen und verstauen sie im Auto. Heute geht es die ca. 80 Kilometer ach Marotta, von wo aus wir mit dem Rad loswollen. Das Auto lassen wir dann bei Roberto stehen, einem Freund Krisch, der früher Kellner in der Pizzeria Amalfi in Dachau war. Ich kann mich auch noch gut an ihn erinnern und bin gespannt wie er heute aussieht.
Wir sind auch bald angekommen. Christian und Roberto begrüßen sich überschwänglich. Er fährt seit Jahren mit seiner Familie und Freunden aus Dachau zu Roberto, der dort zusammen mit seinem Bruder das kleine Albergho Lilly leitet.

Wir bringen die Räder aus dem Auto und machen sie startklar. Roberto weist und uns, ehe er mit seinem Jeep und einer Zigarette im Mund zum Einkaufen fährt, einen Parkplatz direkt am Haus zu.

Wie sehr ich sie ein ganzes Jahr lang vermisst habe: die Waden von Christian.

Wie sehr ich sie ein ganzes Jahr lang vermisst habe: die Waden von Christian.

Da wir uns keinen Zeitplan gemacht haben, kann ich mit Stolz behaupten, dass wir pünktlich um 12:30 h auf den Rädern sitzen und uns nach Süden in Richtung Ancona wenden. Es läuft gleich hervorragend. Es ist flach in der Küstenstraße und der Wind weht stark aus Norden. Die Strände sind fast menschenleer. Das liegt wohl am Wetter. Es ist zwar nicht kalt, jedoch immer noch bewölkt.Für alle Muskelprobleme gerüstet.

Wir kommen sehr gut voran. Wir erreiche sehr bald Ancona und dann hat der Spaß ein Ende. In der Stadt geht es plötzlich massiv bergauf. Wir kämpfen uns durch die Stadt. Nach 200 Höhenmetern erreichen wir einen Aussichtspunkt, der uns eine kleine Pause erlaubt. Wir leeren unsere Blasen, nehmen einen kleinen Bissen zu uns und schwingen uns wieder auf unsere Räder.

In Ehrerbietung an den großen österreichischen Liedermacher und Sänger, den wohl auch die Italiener sehr zu schätzen scheinen - ein ganzer Ort nach ihm benannt.

In Ehrerbietung an den großen österreichischen Liedermacher und Sänger, den wohl auch die Italiener sehr zu schätzen scheinen – ein ganzer Ort nach ihm benannt.

Die Sonne zeigt sich mehr und mehr und damit wird auch die Umgebung immer schöner. Wir fahren durch die Marken, eine wunderschöne, von sanften grünen Wiesen gekennzeichnete Hügellandschaft. Irgendwann geht es auch wieder bergab und trotz des Geschwindigkeitsrausches MÜSSEN Oldo und ich kurz anhalten und den Ausblick in das Tal an der Küste genießen. Zudem sind gleich unter uns Hecken voller kräftig lila blühender Bourgonville (ist wahrscheinlich falsch geschrieben, aber ihr wisst, welche Pflanze ich meine) und rosaroter Oleander. Grandios. Dann geht es hinunter in die nächste kleine Stadt. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt, aber ich habe mehrmals am Tag ein so glücksdurchflutetes Gefühl, wie ich das kaum beschreiben kann. Vielleicht kennt ihr das auch. Ein Raunen geht durch den Körper und man weiß nicht warum. Mein Körper fühlt sich großartig an. Ich sehe um mich nur blühende Büsche und grüne Wiesen. Ich bin einfach glücklich. Es ist mir einfach eine Riesenfreude hier in Italien einfach nur zu SEIN. Mit mir, mit meinen Freunden, auf meinem Rad.
Yippieyeah!!!!  Was für ein Tag voller Freude und Lust am Fahren!!!

Yippieyeah!!!! Was für ein Tag voller Freude und Lust am Fahren!!!

Die Landschaft von Ancona aus betrachtet - Teil 2

Die Landschaft von Ancona aus betrachtet – Teil 2

Wir legen wieder eine Pause ein am Hauptplatz. Dort tummeln sich vorwiegend italienische Touristen, was ich sehr angenehm empfinde. Ein Typ fixiert mich, und ich schockiere ihn mit einem chaplinesken Ausfallschritt. Erschrocken schaut er mir in die Augen und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm in diesem Moment einfach zuzuzwinkern, was er mit einem überraschten Lächeln beantwortet.

Die Landschaft von den Höhen Anconas aus gesehen - Teil 1

Die Landschaft von den Höhen Anconas aus gesehen – Teil 1

Es geht weiter und es wird wieder flach. Aber auch das Wetter verändert sich. Eine dicke graue Brühe bildet sich am Horizont. Und schon geht es los mit dem Regen, der von Minute zu Minute stärker wird. Ich biege in einen Feldweg ein, und meine Freunde folgen mir unaufgefordert. Wir stehen im Regen und hoffen, dass dieses monsunartige Monstrum so schnell aufhört, wie es gekommen ist. Da sich dergleichen nichts tut, entschließen wir uns zu der Tankstelle zurück zu fahren, die Oldo entdeckt hatte. Wir fahren wirklich durch Wasser, das die vorbeifahrenden Autos noch weiter aufwühlen. Die Tankstelle bietet uns dann Schutz vor dem Regen. Wir stellen uns unter und Oldo wechselt sofort die triefnassen Klamotten. Dazu setzt er sich noch ein Käppi auf und schaut in seiner nun schwarzen langen Hose und dem dunkelgrauen Pullis aus wie der Tankwart dieser italienischen Energieversorgungszentrale. Hier kommt eine kleine Verwandlungsaktion in mehreren Teilen:

Verwandlungsszene- Teil 1

Verwandlungsszene- Teil 1

Szenen  einer Verwandlung - Teil 2

Szenen einer Verwandlung – Teil 2

Szenen einer Verwandlung - Teil 3

Szenen einer Verwandlung – Teil 3

Szenen einer Verwandlung -Teil 4

Szenen einer Verwandlung -Teil 4

Szenen einer Verwandlung - Teil 5

Szenen einer Verwandlung – Teil 5

Szenen einer Verwandlung - Teil 6

Szenen einer Verwandlung – Teil 6

Die Tankstelle ist menschenverlassen. Nur ab und an hält ein Auto, tankt und verschwindet wieder. Ein weißer Hund, der uns schon bei unserer Ankunft schüchtern begrüßt hat, versucht auf sympathische, weil unaufdringliche Art und Weise, Fressbares von den Kunden zu erbetteln. Auf unsere Annäherungsversuche, besonders vom Tankwart Teo, in den Oldo sich in Windeseile verwandelt hat, reagiert er fast ängstlich, obwohl sich Oldo wirklich um Vertrauensaufbau bemüht.

Der freundliche Tankwart Teo in seiner vollkommenen Pracht.

Der freundliche Tankwart Teo in seiner vollkommenen Pracht.


Endlich lässt der Regen nach und auch im Süden wird es langsam wieder heller, so dass wir aufbrechen, um unsere nassen Klamotten vom Fahrtwind trocknen zu lassen. Es plötzlich wieder sehr angenehm zu fahren, waren die Temperaturen während des Regens doch arg in den Keller gefallen, so dass wir schon ein wenig fröstelten an der Tanke.
Ein Alien auf Kurs durchs Universum.

Ein Alien auf Kurs durchs Universum.


Aber nun geht’s flott voran und nach genau 107 Kilometern fahren wir in Porto San Giorgio ein und entern spontan das Rosenhotel. Das Personal ist freundlich und lässt unsere Fahrräder im Büro übernachten. Draußen vor dem Gebäude herrscht reges Treiben auf einem Straßenmarkt. Wir duschen rasch und suchen uns ein schickes Restaurant zum Essen. Naja, das ist gar nicht so einfach. Schließlich biegen wir in eine Seitenstraße vom Lungomare ein und entdecken eine frequentierte Pizzeria. Am Anfang sieht es nicht so aus, als könnten wir drei Plätze ergattern. Doch plötzlich mischt sich der Chef ein es seinem Engagement deutlich an. Er MUSS uns unterbringen in seinem Laden. Er schlägt vor, uns ins in Innere des Lokales zu setzen. Wir willigen erst ein, geschuldet dem großen Hunger und Durst, die uns plagen.
Auch Außerirdische werden Teo zuvorkommend bedient. er erhält Sprit zur Weiterfahrt durchs Universum.

Auch Außerirdische werden Teo zuvorkommend bedient. er erhält Sprit zur Weiterfahrt durchs Universum.


Aber die Klimaanlage erzeugt zu viel an unerträglicher Kälte für Krisch. Wir kehren um. Ich sage es dem Chefe, dass wir unter diesen Umständen das Weite suchen werden.

Doch dieser graumelierte, leicht untersetzte Mann in schwarzem Werbe-T-Shirt und grundsätzlich vorhandenem Willen, jedem Vorüberziehendem seine Küche aufzudrücken, gibt einfach nicht auf. Er rennt vor uns her ins Freie und erkennt sofort die Lücke. Mit einer triumphierenden Handbewegung weist er uns unseren Platz zu.
Und was dann kommt sucht Seinesgleichen. Wir werden versorgt mit köstlichem bayerischen Weizenbier, Chris trinkt wie immer Weißwein. Dann kommt gegrilltes Gemüse für mich, das in Öl-Zitrone-Sud schmeckt, wie ich es noch nie erlebt habe. Dann eine Pizza-Melanzane. Ich bin Pizzafan, aber so eine Gute habe ich wirklich selten gegessen.

Komische Anwandlung eines Fremden.

Komische Anwandlung eines Fremden.

Weil ich so ein zitronengelbes Leibchen anhabe, wird uns noch ein Glück zuteil, das keiner sonst im Lokal erhält. Limoncello, ein Zitronenlikör, und davon ein ganzer Container voll, den sich hauptsächlich Oldo zu Gemüte führt. Der wundervolle Tag wird am Abend durch das Essen a Abend och getoppt. Ich bin sehr, sehr zufrieden und wirklich glücklich, als ich gegen 01:00h zufrieden in den wohlverdienten und traumfreien Schlaf sinke.

Statistik:

Kilometer: 107,18

Fahrzeit: 04:54:57 Std.

average: 21,46 km/h

Höhenmeter: 517

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2. Etappe von Porto San Giorgio nach Fossaciesa

Hier ein kleiner Überblick über unsere Reiseroute: von Marotta, ca. 40 Km nördlich von Ancona nach Süden an der adriatischen Ostküste entlang bis hinunter um den Absatz herum und wieder nach Norden bis Taranto.

Hier ein kleiner Überblick über unsere Reiseroute: von Marotta, ca. 40 Km nördlich von Ancona nach Süden an der adriatischen Ostküste entlang bis hinunter um den Absatz herum und wieder nach Norden bis Taranto.

Wir erwachen nach diesem tollen ersten Tag unserer Radtour und dem vergnüglichen Abend zuvor recht erfrischt und begeben uns nach der Morgentoilette gemeinsam in den Frühstücksraum. Alles ist etwas kleiner und nicht so üppig ausgestattet wie am Vortag im Bikini Hotel. On the road again, Sonne und Hitze inclusive bei Temperaturen von über 30 Grad.
Aber wir können sogar auf die Terrasse gehen und die warme Morgensonne genießen. Zu einem Capuccino, der so stark ist, wie ich ihn vielleicht noch nie getrunken habe. Was allerdings nicht besonders schwierig ist, habe ich in meinem Leben doch eher sehr selten überhaupt die coffeinhaltige Bohne zu mir genommen. Aber weil die anderen auch jammern, liege ich wohl richtig mit meinem Gefühl.Die abgetakelte Queen Mary

Nach dem Frühstück sammeln wir unsere Sieben Sachen zusammen und treten hinaus in die schon heiße Vormittagssonne. Das wird ein Spaß heute. Nach meinen Berechnungen könnten wir unser erstes Etappenziel, nämlich Pescara gegen 14 Uhr erreichen, wenn alles gut läuft. Es sind ca.75 Km bis dahin und wir haben 10:10 Uhr, als die Räder zu laufen beginnen. Ich fühle mich wohl und freue mich auf den Tag und Italien, wie ich es bisher noch nicht kenne.Blick aus dem Hotelzimmer

Wir setzen uns in Bewegung Richtung Süden und haben erfreulicherweise den Wind aus Norden im Rücken. Krisch klärt uns auf, dass dies lediglich am Vormittag so sei, und ab 14 Uhr der Wind auf Süden dreht.
Es läuft gut und ich bin sehr optimistisch, dass die Stimmung bei mir anhält, die schon gestern so grandios positiv war. Die Straßen lassen sich gut befahren, die italienischen Autofahrer achten trotz eines gegensätzlichen Rufs sehr auf uns, passieren uns vorsichtig und langsam, ohne zu hupen.

In einer kleinen Stadt machen wir schnell eine Trinkpause und Christian macht sich an seinem Lenker zu schaffen. Ihm war beim Durchfahren eines Schlagloches der Lenker nach vorne gerutscht. Er versucht die Lenkervorbau, ein kleines Gestell, das es ermöglicht, den Lenker höher und näher zum Körper zu drehen, wieder zu fixieren. Wir sind nicht einmal einen Kilometer unterwegs, da dasselbe schon wieder passiert. Ich sage ihm, dass ich es besser fände, wenn wir eine Werkstatt aufsuchen, da die Gefahr schon groß sein, dass er nach vorne fällt und ein Unfall mit unangenehmen Begleiterscheinungen die Folge sein könnte.
Ich spreche zwei Passanten an, die mir sofort den Weg zur nächsten Fahrradwerkstatt beschreiben. Wir finden auch sofort hin.

Mein Freund, der Fahrradmechaniker, hier bei der Arbeit.

Mein Freund, der Fahrradmechaniker, hier bei der Arbeit.

Direkt am Bahngleis der Stadt, ein winziges Geschäft, in dem ein Rad neben dem anderen steht und sogar noch drei oder vier Motorroller Platz finden. Der Herr Besitzer kümmert sich sofort um uns. Leider hat er keinen passenden Lenkervorbau im Haus. Bei Bestellung wäre die Lieferung schon am Mittwoch da. Wir bedauern, seien wir doch auf dem Giro d´Italia und könnten uns nicht so lange aufhalten. Jedoch kann er uns wenigstens sagen, wo es ein weiteres Fahrradgeschäft in Porto Recanati gibt.

Dort – ein paar Ecken weiter – angekommen, kommt ein etwas älterer Herr mit schütterem Haar aus seinem Laden. Er sieht eher aus wie ein Künstler denn ein Fahrradschrauber. Er betrachtet mit Geduld und man möchte fast sagen, mit genussvoller Ruhe den Schaden. Tja, ob er ein geeignetes Neuteil hätte, wüsste er nicht, meint er, während er seinen Kopf bedächtig hin und her wackeln lässt, um dann wieder langsam in die dunklen Gefilde seines Ladens zu verschwinden, hoffentlich um nach dem Objekt unserer Begierde zu suchen.

Ich gehe derweil schnell im nahe gelegenen Bioladen Kaugummi kaufen. Als ich nach einigen Minuten wieder zurück bin, stelle ich fest, dass Krischan und damit uns allen, geholfen werden kann.
Während dieser Pseudokünstler sich um das Fahrrad kümmert, greift er mir plötzlich an den Bauch und meint, dass das zu viel sei für eine so große Radtour, wie wir sie ihm zwischenzeitlich schon beschrieben haben. Komisch: alle reden mich auf meinen Bauch an. Schon Roberto, er Freund von Krischan mit dem kleinen Hotel in Marotta, griff mir an den Bauch, indem er mir sagte, dass er mich natürlich wiedererkenne als Gast des Restaurant Amalfi.

Ich weiß, dass da Handlungsbedarf ist, aber darf ein mir fremder Süd-Italiener mich darauf ansprechen, und mich dabei gleichzeitig noch körperlich angehen?? Ich merke, dass Wut in mir aufsteigt. Ich sage in unfreundlichen und barschem Ton, dass ich mit diesem Bauch problemlos 150 bis 160 Kilometer täglich fahren kann. Wieviel er denn so am Tag schaffe? Ganz ernst antwortet er: „so an die 100 bis 120 Kilometer“. Na also! Ich weiß, dass meine Wut ein Zeichen dafür ist, dass der weise ältere Herr mich in meinem tiefsten Inneren sehr berührt hat. Das versöhnt mich auch augenblicklich wieder und weicht einer Dankbarkeit für alles Gute, das durch andere auf mich zukommt. Ich nehme es als Inspiration mit auf den Weg.

Zu uns an der Fahrradwerkstatt gesellt sich noch ein Mitdreißiger, der uns interessiert über unsere Reise ausfragt. Er ist sehr nett und aufgeschlossen, und ich frage ihn, ob er jemand kennt, der ihm deutsche Texte übersetzen kann. Er bejaht. Darauf lade ich ihn via Visitenkarte ein, doch über meinen Blog an der Reise teilzunehmen. Lenker kaputt

Nach über einer Stunde Zeitverzögerung sitzen wir wieder auf den Rädern. Bei Bullenhitze kann es weitergehen. Pescara wird noch ein bisschen dauern. Aber wir werden verwöhnt mit der Durchfahrt durch San Benedetto. Ein wirklich gepflegter Badeort mit ewig langer Strandpromenade, herausgeputzten Häusern und Touristen.San Benedetto-ein Traum 1
San Benedetto  ein Traum 2Aber natürlich ist nicht alles schön, was wir sehen. Auch heruntergekommene Orte werden unseren prüfenden Blicken unterzogen. Die Hitze ist erbarmungslos. Wir messen wieder um die 35 Grad bei strahlendem Sonnenschein. Der Wind dreht nun nachmittags auch von Nord nach Süd. Ich reihe mich hinter Christian ein und fahre kilometerweit knapp hinter ihm her.

Wie so oft beim Radfahren von weiten Strecken verfalle ich quasi in eine – nicht unbedingt produktive, manchmal eher verzweifelte Meditation,um von Muskel- oder Schmerzen am Hintern abzulenken. In diesem Fall geht es nicht um die Frage „Sein oder Nichtsein“, sondern lediglich darum, ob Fahren im Windschatten von Christian sinnvoll ist oder nicht. Dafür sprechen folgende Punkte:

sein breiter Körperbau spart mir wirklich viel Energie, weil er den Fahrtwind extrem an sich abprallen lässt. Auch bin ich nicht so sonnenbrandgefährdet an den Beinen. Seine muskelbepackten Waden lassen kein Licht mehr durch, ich bin also selbst ohne Sonnencreme auf der sicheren Seite.

So sehen Etappensieger aus.

So sehen Etappensieger aus.


Nachteil ist natürlich, dass ich von der Landschaft relativ wenig mitbekomme. Diese und viele weitere Gedanken halten mich am Fahren, bis wir gegen 16:30 Uhr an der Strandpromenade eine mondäne Kneipe finden, in der wir Rast machen. Es gibt ein künstliches Pizza Calzönchen, passend zu den Jungs in der Kneipe. Christian trinkt Bier!!!! Und wir Wasser. Das Personal fragt uns interessiert, woher wir kämen. Einer der jungen, gut aussehenden Männer meint, dass seine Eltern in München leben würden. Ein anderer zeigt mir stolz die Anlage bis hin zum hauseigenen Sandstrand. Auf jeden Fall alles sehr gepflegt hier.

Um 17:30 h starten wir zur Abendetappe. Es ist ein bisschen kühler geworden, genauso im Übrigen wie das Landschaftsbild. Wir fahren durch eher heruntergekommene Gegenden und tun uns nach fast 150 Tageskilometern schon schwer, eine Unterkunft zu finden. Aber endlich, ganz einsam am Straßenrand, und wir sind praktisch schon vorbeigefahren, eine Hotelanlage. Wir kehren um, überqueren die Straße und biegen ein in das Gelände, um nach der Rezeption suchen.

Nach der Umfahrung des Gebäudes kommen wir auf einer großen Terrasse zum Stehen. Ich schaue mir gleich mal die mondäne Gaststube an, und bin mir sicher, dass wir uns das nicht leisten können. Nach kurzer Zeit tritt ein gepflegter, graumelierter Herr aus dem Haus. Er besitzt eine gehörige Portion Mutterwitz, einen gewissen Sarkasmus im Unterton. Er trägt einen Anzug, eine rotblaue Krawatte, schöne und hochwertige Halbschuhe. Er fragt uns, ob wir eine Stunde warten können, das Apartment sei noch nicht bereit, die Betten nicht bezogen und die Person, die das mache, würde erst in einer Stunde kommen. Wir sind begeistert darüber, dass wir vorab aber schon mal duschen können. Und über den Preis. 60,-€ für uns drei, natürlich ohne Frühstück. Wir schlagen ein, machen die Abendtoilette, waschen im Handwaschbecken unsere bereits verschwitzten Klamotten aus und hängen sie auf den dafür vorgesehenen Wäscheständer im Freien.

Es ist schon fast ganz dunkel, als wir das herausgeputzte Lokal im Haupthaus betreten. Es gibt heute Vorspeise mit Vongole (Spaghetti mit Muscheln) und als Hauptspeise ebenfalls drei Fischgerichte zur Auswahl. Alles schmeckt vorzüglich. Wir lassen bis gegen 24 Uhr den Tag Revue passieren, lachen über einige Vorkommnisse und gehen ausgelaugt, aber zufrieden in die Falle.

Statistik:

Kilometer: 149,69 km

Fahrzeit: 06:52:44 Std.

average: 21,20 km/h

Höhenmeter: 517 m

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3. Etappe von Fossaciesa nach Torre Mileto

Ich erwache gegen 08:00 und schaue gleich hinüber ins Nachbarzimmer, wo Krisch und Oldo liegen sollten. Oldo ist nicht da und ich gehe davon aus, dass er bereits im Meer schwimmen ist. Was sich gleich

Ich habe Christian gewarnt, aber  er steht für ein unkonventionelles Äußeres. Man bedenke die Alienfotos. Übrigens: nur die Zehen des linken Fußes sind lackiert.

Ich habe Christian gewarnt, aber er steht für ein unkonventionelles Äußeres. Man bedenke die Alienfotos. Übrigens: nur die Zehen des linken Fußes sind lackiert.

bestätigt. 20 Minuten später berichtet und schwärmt er vom warmen und vor allem sauberen Meerwasser, in dem er ein Bad genommen hat. Er hat wie immer gute Laune und weckt Christian mit einem lauten Ruf ins Schlafzimmer.
Ein richtiges Appartement hier in Italien. Toll, zwei Schlafzimmer, Küche Bad.

Ein richtiges Appartement hier in Italien. Toll, zwei Schlafzimmer, Küche Bad.


Wir prüfen noch unsere am Vorabend im Handwaschbecken gereinigte Wäsche, die wir auf einem zum Glück vorhandenen Wäscheständer vor dem Apartment aufgestellt haben. Meine Sachen sind noch nicht trocken, also lege ich sie vor dem Frühstück in die Sonne auf eine kleine weiße Mauer. Bis in einer Stunde wird sie bestimmt trocken sein.

Das Frühstück dürfen wir uns selbst gestalten aus der reichen Auswahl an drei verschiedenen Brioche, einer für die italienischen Süßmäuler von der hiesigen Zuckermafia hergestellte Mehl-Zucker-Mischung. Dazu wiederum einen starken Capuccino. Oldo verlangt mal wieder einen großen Carfé, Café Lungo oder Café Americano. Aber wieder ist es halt eine normale Capuccinotasse, die ihm vor die Nase gestellt wird. Ohne zu murren trinkt er das starke Gesöff. Seine gewünschten Mengen werden einfach so nicht ausgeschenkt.
Die Bedienung fragt mich, ob ich Italiener oder Deutscher bin. Ich bin etwas verwirrt.

Seltenes Vorkommnis: Mann und Frau im Gespräch. Meistens sind die Zusammenkünfte auf den Plastikstühlen rein gleichgeschlechtlicher Natur.

Seltenes Vorkommnis: Mann und Frau im Gespräch. Meistens sind die Zusammenkünfte auf den Plastikstühlen rein gleichgeschlechtlicher Natur.


Ich frage sie, ob sie etwa Deutsche sei. Noi, meint sie in perfektem Schwäbisch, aber in Deutschland, in Mohrhart bei Stuttgart aufgewachsen. Ich glaube sie freut sich mal deutsch bzw. schwäbisch schwätza zu dürfa. So viele deutsche Touristen können wir hier in dieser Gegend Italiens gar nicht entdecken.
Nach dem spärlichen Frühstück raffen wir unsere Sachen zusammen und machen uns um kurz nach Zehn auf zur nächsten Etappe. Den Sporn zu umrunden, das ist in den kommenden zwei Tagen unser Ziel. Die Hitze ist wieder gewaltig, obwohl immer wieder der Himmel sich wolkenverhangen zeigt. Wir befahren längere Zeit die SS 16, die Via Adriatico, die von Nord nach Süd an der Küste entlang führt.
Aber immer wieder suchen wir auch den Sichtkontakt mit dem Meer und fahren hinunter an die Strandpromenade. Klar strukturierte Radwege in Italien. Das macht das Handling des Rades einfach und die Verkehrsregeln sind klar strukturiert.
In diesem Fall führt ein grüner Fahrradweg durch die Stadt, der zweispurig zu befahren ist. Ich fahre voran, als plötzlich ein älterer Herr mit seinem metallic-blauen Fahrrad vor mir unvermittelt links abbiegt. Da ich bereits auf seiner Höhe bin, habe ich keine Chance. Ich knalle in sein Vorderrad, mein linker Fuß ist sofort raus aus der Schlaufe, den Rechten bringe ich, während ich langsam in Richtung des Herrn zu Boden gehe, nicht aus der Schlaufe. Alles verdreht sich an meinem Fußgelenk, aber schließlich klappt es doch noch, den Fuß frei zu bekommen.
Das demolierte Fahrrad meines besten Freundes.Als ich wieder stehe, entschuldige ich mich sofort bei dem Herrn und bei einem Blick auf seine verbogene Achsenstange will ich ihm auch gleich den Vorschlag machen, den Schaden zu ersetzen. Da lacht er und meint, dass sei alles kein Problem und er wäre froh, dass uns beiden nichts passiert ist.Mein bester sizilianischer Freund. Wir sind verliebt vom ersten Augenblick nach unserem Unfall.
Kennt ihr das? Wir waren vom ersten Augenblick an Freunde, obwohl der Anlass eher auf einen Konflikt gerichtet wäre. Wir unterhalten uns eine Weile. Ich erfahre, dass er ein Sizilianer im Alter von 74 Jahren ist, der seit 40 Jahren in Belgien lebt und jedes Jahr in diese Stadt für ein paar Wochen zum Urlauben kommt. Er hat einen tollen Humor, Menschen wie er und Begegnungen wie mit ihm machen für mich das Leben lebenswert.
Nach meinem Zusammenstoß bin ich doch noch ein wenig verdattert und habe auch ein paar Schrammen abbekommen. Chris holt Geld in der Postbank und Oldo und ich kaufen Getränke in einem kleinen Lebensmittelladen. Daneben gibt es Pizza a taglio, also köstlich belegte Pizzastücke. Ich genieße ein für mich vollkommen neue Kreation mit Tomaten, Krabben und Romanasalatblättern und einem wirklich crossen Teig.
Spricht wahrscheinlich mit einer Frau - klassisch für die italienische Kommunikationsstruktur.

Spricht wahrscheinlich mit einer Frau – klassisch für die italienische Kommunikationsstruktur.


Auch heute gibt es schon wieder eine Zeitverzögerung, irgendwie ausgelöst durch meinen Unfall. Es ist mittlerweile fast 13 Uhr und wir noch nicht einmal 30 Kilometer gefahren. Ich habe keine Ahnung, wie wir auf einen Schnitt von ca. 125 Km pro Tag kommen wollen, so dass wir rechtzeitig in Tarent ankommen. Für heute jedenfalls habe ich keine Hoffnung mehr, dass wir mehr als 80 Km schaffen. Ich bin eigentlich jetzt schon total erledigt und meine Lust auf Weiterfahren ist nur bedingt vorhanden. Aber es nützt ja nichts. Wir haben uns einiges vorgenommen. Es geht also weiter.

Nächstes Ziel ist Termoli, eine Stadt quasi kurz vor dem Abbiegen auf den Sporn Italiens. Als wir Termoli erreichen, brennt die Sonne erbarmungslos auf uns nieder. Dazu geht es zur Altstadt noch ein gehöriges Stück bergauf. Wir kommen an einer Stadtmauer zum Stehen mit Blick hinunter an den Strand, auf die vielen bunten Sonnschirme, die nur teilweise sonnenhungrige Touristen mit ihrem Schutz vor Schatten umarmen. Wir radeln hinein in die historische Altstadt und machen ein paar Fotos vor der Kathedrale.

Sieht einfach aus....

Sieht einfach aus….

Obwohl total geschafft, behält die humorige Stimmung die Oberhand und es entstehen sogar ein paar sportliche Fotos.

...muss aber auch psychisch bewältigt werden.

…muss aber auch psychisch bewältigt werden.


Aber irgendwann müssen wir weiter, wollen doch heute Abend schon den Sporn Italiens beackern. Und obwohl es sehr heiß ist, und wir gleich nochmal kurz an einem Supermarkt anhalten, beginnt nun ein konzentrierter und fleißiger Abschnitt unserer Reise. Wir kommen plötzlich gut voran, obwohl der Wind wieder von Süden kommt.
Es geht durch eher unbewohnte Gebiete entlang der Küste und gegen 17 Uhr erreichen wir die Abbiegung in Richtung Sporn bei Lesina. Wir halten uns nach links und fahren auf der Landstraße gegen Osten, wo sich schwarzblaue Wolken zu einem Gewitter formieren. Ein Blick auf die Karte verrät, dass es zwei mehrere Möglichkeiten gibt, sich nach Vieste im Osten des Sporns zu orientieren.
english for beginners: a snapshot competition!

english for beginners: a snapshot competition!


Christian hält sich plötzlich mitten in der Pampa nach links und fährt in eine wie in der wie in der Wüste Nevadas einsam positionierte Tankstelle ein. Ziemlich geschafft stellen wir fest, dass wir in der Wüste Nevadas sind. Denn hier sitzen die Trucker mit 0,33 l Peroni-Bierflaschen auf den improvisiert
Hier geht es links ab zum Sporn Italiens.

Hier geht es links ab zum Sporn Italiens.

zusammengestellten Plastiksitzen und –tischen neben den Zapfsäulen und unterhalten sich angeregt. Manch einer trinkt Café aber die meisten halten sich an alkoholische Getränke. Das ist durchaus auch mal ein Martini an der Bar dabei. Das erhöht nicht unser Vertrauen in die italienischen Camion-Fahrer, die mit hoher Geschwindigkeit den ganzen Tag lang mit hoher Geschwindigkeit an uns vorüberziehen.
Die Tankstelle in der Wüste.

Die Tankstelle in der Wüste.


Für eine Kneipe in der Wüste - ganz schön frequentiert.

Für eine Kneipe in der Wüste – ganz schön frequentiert.

Wir stellen mit Freude fest, dass der Wind auffrischt und ganz plötzlich aus Westen kommt. Er vertreibt also die Wolken und beruhigt uns in Bezug auf die Weiterfahrt in Richtung Osten. Wir essen und trinken etwas, ratschen ein wenig, zeigen uns erfreut über diesen heruntergekommenen Ort, der doch von so viel Leben erfüllt ist.
Freundschaft im Austausch. Geeignetes Ambiente im Wüstenlokal vorhanden.

Freundschaft im Austausch. Geeignetes Ambiente im Wüstenlokal vorhanden.


Als wir uns gegen 18:00 Uhr wieder auf die Fahrräder schwingen, hat der Wind wieder auf Osten gedreht. Merke: Mann sollte nie zu lange Pausen machen, wenn der Wind günstig steht. Ich habe bei der Planung am Rastplatz darauf bestanden, dass wir nicht durch das Landesinnere nach Vieste fahren, sondern über Torre Mileto, einem Haff im Norden der Halbinsel. Das war eine gute Entscheidung, wie sich bald herausstellt.
Die Landschaft wird wunderschön, es geht bergab an die Küste, der Wind treibt uns voran, die Sonne scheint, und trotzdem merkt man, dass es gegen Abend doch ein wenig kühler wird. Nach 36 Grad den ganzen Tag über, tut das sehr gut. Und dann geht es auf dem Haff durch Pinienwälder, die Schatten spenden flach dahin.
Nach 135 Kilometern treten wir in die Eingangshalle eines mitten auf dem Weg gelegenen Hotels. Ein alter Mann an der Rezeption freut sich uns zu sehen, du noch mehr, als wir uns entschließen, die Nacht bei ihm im Hotel zu verbringen. Er nimmt eine leicht gebückte Haltung ein, sein graumeliertes, noch in rauen Mengen vorhandenes Haar schimmert über seinem verschmitzten Lächeln. Er gibt uns den Schlüssel mit der Zimmernummer . Wir quetschen uns samt Gepäck in den engen und altertümlichen Aufzug, stellen fest, es gibt keinen dritten Stock, fahren also in den Zweiten. Die Zimmer sind dort dreistellig, beginnend mit einer Fünf nummeriert. In einem Anflug von Größenwahn wohl, hat man bei der Nummerierung der Etagen einfach nur ungerade Zahlen gewählt. Für uns entscheidend: Zimmernummer 3 liegt also im zweiten Stock. Wir checken ein, duschen.
In der Wüste -die Landschaft wird immer schöner und abwechslungsreicher.

In der Wüste -die Landschaft wird immer schöner und abwechslungsreicher.


Meine Freunde hängen Wäsche zum Trocknen auf dem Balkon auf. Wir haben das Zimmer auf der Rückseite des Hotels, also dem Landesinneren zugewandt. Hier befindet sich eine riesige, flache Süßwasserlagune, die durch das Haff vom Meer getrennt liegt, dass sich auf der Nordseite des Hotels erstreckt.

Kurz vor Torre Mileto - es ist Abend und etwas kühler geworden. Die Sonne im Rücken finden wir ein schönes Hotel mitten im Haff.

Kurz vor Torre Mileto – es ist Abend und etwas kühler geworden. Die Sonne im Rücken finden wir ein schönes Hotel mitten im Haff.

Während Christian noch duscht begeben sich Oldo und ich in Eingangshalle, um im angrenzenden Speisesaal unseren Durst schon mal mit einem Bier zu löschen. Wir werden von zwei jungen Kellnern aber abgewiesen. Das Lokal öffnet erst um 20:15, also in einer Viertelstunde. Ich entdecke ein Piano im Foyer und überbrücke die Zeit mit Klavierüben.
Endlich ist es soweit. Der alte Herr von der Rezeption hat unsere Bedienung zur Chefsache erklärt. Er nimmt die Bestellung auf, wobei er keine Karte zur Verfügung stellt, sondern uns mündlich übermittelt, was die Küche hergibt. Seine Kellner dürfen lediglich die Sachen herbeischaffen. Wir essen Suppe und Nudeln zur Vorspeise. Oldo nimmt Fisch und Christian Salat und ich Fleisch zum Hauptgang.
Es schmeckt alles vorzüglich und wir stellen neben dem Essen fest, dass wir niemals am Mittag dachten, dass wir wieder über 130 Kilometer schaffen an diesem Tag. Morgen soll es dann weitergehen nach Vieste oder besser noch nach Manfredonia. Wir nehmen uns fest vor, ein bisschen früher als 10 Uhr loszufahren und fallen müde in unsere Betten.

Statistik:

Kilometer: 135,73
Fahrzeit: 06:20:12 Stunden
Average: 21,42 Km/h
Höhenmeter: 561 m

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Vor der ersten Etappe

Fahrt von Dachau nach Velhartice

Endlich geht es los. In Zeitnot in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag habe ich alles gepackt, in der Annahme, dass es dieses Mal gaaaanz leicht sein wird, meine guten Vorjahresergebnisse in puncto Gewicht mit Leichtigkeit zu unterbieten, komme ich aber doch erst gegen 02:00 Uhr ins Bett. Schließlich habe ich in ein leichtes Tablet investiert und mir fest vorgenommen, die Kleidung sehr zu begrenzen und auf der Fahrt zwischendurch zu waschen.DSC01187
Als gegen 23:30 Uhr Christian noch kurz bei mir vorbeischaut und ich die Packarbeiten praktisch abgeschlossen habe, stelle ich meine Satteltaschen und den kleinen Rucksack mit wichtigen Kleinigkeiten sowie dem 2 Liter Wassertank (aber ohne Wasser natürlich) und die Lenkertasche auf die Waage.
Erschüttert stelle ich fest, dass ich auf über 11 Kilogramm komme. Das sind ja mehr als 2 Kilo im Vergleich zum letzten Jahr. Frustriert breche ich vor Christian zusammen. Ich werde die Fahrt nicht überstehen. Schließlich sagt der Wetterbericht incl. 16-Tage Vorausschau für Tschechien und Polen auch noch Temperaturen von 25 bis 35 Grad voraus. 072813_0559_Vordererste1.jpg

Aber Christian zieht mich wieder in die Aufrechte und tätschelt mir beruhigend die Schulter. Er hätte auch ca. 8 Kilo Last auf dem Rad und außerdem könne ich ja die Nüsse und Trockenfrüchte ruhig zu Hause lassen. Sie machten auch 2 Kilogramm aus. Dann wäre ich schon auf neun Kilos und hätte mein Vorjahresgewicht unterboten.
In Folge dieser hervorragenden psychologischen Betreuung schöpfe ich spontan wieder Mut. Als Christian gegangen ist, erledige ich den Rest und versende noch eine Mail-Info für diesen Blog an alle meine Freunde und Bekannten, um gegen 2 Uhr Ruhe zu finden.
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Donnerstag steht erst mal Arbeit an, und weil ich am Abend noch Chorprobe incl. Jahresabschlussfeier mit meinem Lieblingschor, den Hearts-4-People Singers habe, fahre ich mit schon voll beladenem Fahrrad morgens nach Dachau.
Christian holt mich gegen 21 Uhr dann vom Proberaum ab. Was er auch pünktlich tut und gegen 22:30 Uhr haben wir Deggendorf schon hinter uns und konzentrieren uns auf den Grenzübergang in Bayerisch Eisenstein.
Alles läuft glatt bis der Akku meines Handys leer ist und die Navigation abricht. Auch Oldo kann ich deshalb nicht mehr anrufen, denn wer lernt denn im Kommunikationszeitalter die im Telefon gespeicherten Telefonnummern noch auswendig.
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Gegen 24 Uhr erreichen wir Oldos Haus , der uns schon lange erwartet. Er bietet uns noch Getränke an und wir ratschen noch bis kurz vor 2 Uhr nachts, ehe wir müde ins Bett gehen.
Gegen 7:30 Uhr wollen wir aufstehen, frühstücken und danach die Packtaschen auf Vollständigkeit überprüfen.
Die Fotos auf dieser Seite sind erste Eindrücke von der Landschaft im Böhmerwald. In der nächsten Etappe folgen aktuelle Reisebilder.

Bis morgen

Markus

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Die erste Etappe von Velhartice nach Budweis

Zuallererst möchte ich mich bei euch allen entschuldigen, die schon auf die Blogbeiträge warten. Aber ich habe leider trotz großmundiger Versprechungen unserer Hotelbetreiber bis heute Abend kein Netz erhalten, und konnte somit keinen Beitrag für euch einstellen. Ich hoffe, dass es in den nächsten Tagen besser wird und ich wenigsten spätestens alle zwei Tage einen neuen Eintrag online stellen kann. Jetzt geht’s also los mit der ersten Etappe:

Das Aufwachen in Velhartice ist großartig. So ist das halt, wenn man bei Freunden ist. In diesem Fall bei Oldo, der zum ersten Mal bei unserer alljährlichen Radreise mit dabei ist. Ich möchte ihn euch ein wenig vorstellen. Ich kenne ihn seit 1986, als er damals als junger Mann aus der CSSR ausreisen durfte, um an einem antifaschistischen Workcamp in Dachau teilzunehmen. Die Gruppe nannte sich SCI (Service Civil International). Ich arbeitete damals als Teamer in der Internationalen Jugendbegegnung in Dachau. Unser Ziel war damals, ein Haus in Dachau zu schaffen, in dem Jugendliche aus der ganzen Welt und das ganze Jahr über zusammen kommen können, um über die Kulturen hinweg Kontakt knüpfen, miteinander feiern und vor allem, um sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen zu können.

Unser Freund - immer bei der Arbeit während des Frühstücks

Unser Freund – immer bei der Arbeit während des Frühstücks

Es war übrigens der Ort und die Zeit, an dem der mittlerweile sehr bekannte Ex-Häftling von Auschwitz und Dachau Max Mannheimer zum ersten Mal seine Geschichte der Öffentlichkeit erzählte. Oldo und ich waren an diesem Tag in einem Zelt vis á vis vom Hallenbad Dachau dabei.

Krischan bei den letzten Vorbereitungen nach dem Frühstück

Krischan bei den letzten Vorbereitungen nach dem Frühstück

Unsere Freundschaft entstand damals natürlich beim Feiern am Abend und hielt über viele Jahre auch von vielen Unterbrechungen gezeichnet, bis zum heutigen Tag.
Aber ihr werdet ihn natürlich auch noch sehen. Ich muss allerdings sagen, dass seine Waden nicht im Mindesten mit denen von Christian mithalten können. Diese haben sich kaum verändert aber ich erspare mi in diesem Blog ein Foto von ihnen. Der interessierte Leser kann einfach in einem älteren Blog mal nachschlagen und dort ein Foto von den gigantischen Waden Krischans zu finden.

Oldo macht uns während des Frühstücks damit vertraut, dass er die Tour innerhalb Tschechiens in fünf Etappen bereits vorbereitet hat. Allerdings sei er selbst noch nie in Polen gewesen und hat uns im Vorfeld uns gebeten, Karten aus diesem Land mit auf die Reise zu nehmen.

Das ist schön und nie gekannt. Denn Christian und ich fahren einfach immer darauf los und schauen, was passiert. Jetzt können wir uns quasi mal fallenlassen und uns auf einen entspannten Abend ohne aufreibende Suche nach Unterkunft freuen.
Das Aufwachen ist schon deshalb toll, weil ein komplettes Frühstück auf dem Tisch steht, mit den Zugaben von Oldos Mama, die uns eine Art Stollen gebacken hat, der zwar ein bisschen nach Weihnachten schmeckt. Aber bei dieser Hitze gibt es ja nichts Schöneres als sich wie ein Kind am 23.12. schon jetzt auf die 18 Grad am 24. Dezember zu freuen, die uns erlauben, den Hl. Abend im Garten am Grill zu verbringen.
Aber jetzt zu unserer Tour: es geht endlich los und wir fahren entlang dem Fluss Ostruzna (lies: ostruschna), was auf Tschechisch so viel heißt wie „Brombeere“. Für Grammatikfanatiker: ta ostruzna = die Brombeere.

Es geht fast nur bergab, und wenn die ersten 30 Kilometer einen Eindruck auf die Landschaft Tschechiens allgemein vermitteln, dann freue ich mich sehr auf mehr. Es ist schattig, denn wir fahren durch Wälder, die uns Schatten spenden und die Ostruzna die Kühle.

Das Streichhholzmuseum von Susice

Das Streichhholzmuseum von Susice

Nachdem wir uns die Streichholzstadt Susice (=Schüttenhofen) angesehen haben, die wunderschön ist und sich seit meinem letzten Besuch vor über 20 Jahren extrem zum Positiven verändert hat, geht es nun ab jetzt extrem bergauf. Es ist heiß. Ich fahre vorsichtig und möchte mein Pulver nicht schon am ersten Anstieg verschießen.

Die Landschaft ist toll und ich fahre meinen beiden Freunden hinterher. Plötzlich höre ich Rinder laut muhen. Schmunzelnd stelle ich fest, dass Christian und Oldo mit den Kühen auf der angrenzenden Weide in rege Kommunikation treten. Später auch noch an einer Wiese, auf der Schafe wild mit den beiden mehrsprachigen Freunden um die Wette blöken.

Unsere Bemühungen werden belohnt. Am Ende des Anstieges von ca. 3 Kilometern erreichen wir ein Bergdorf mit schöner alter Kirche Wir steigen erschöpft ab. Krischan geht sofort an eine Mauer und schlägt Wasser ab. Auf die Anmerkung von mir und Oldo, dass wir nie auf die Idee kämen und zu pinkeln, meint Krischan lediglich lapidar: „ich habe auch nicht geschwitzt“. Dabei zieht er sich eines seiner drei T-Shirts aus und ich bin ehrlich erschüttert, weil ich fast glauben muss, was er sagt. Wir lachen uns natürlich tot, denn bei 40 Grad und 150 Höhenmetern ist Nichtschwitzen physikalisch unmöglich.

Wir kämpfen uns weiter bei tropischen Temperaturen. Der Wasserverbrauch ist hoch. Ich bin froh um die Wasserblase, die in einem schicken grünen Rucksack untergebracht ist. Ich habe sie mir jurz vor dem Urlaub gekauft und sie jungfräulich mit auf die Reise genommen. Natürlich sind zwei Liter Wasser auf dem Rücken gewichtsmäßig keine Kleinigkeit. Aber ich bin froh, denn ich kann mit Hilfe eines Schlauches, den ich zum Mund führen kann, jederzeit trinken. So gelingt es mir, nicht am Ende eines Anstieges vor lauter Durst gierig einen Liter Flüssigkeit auf einmal mir einzuflößen, sondern bin fortwährend gut versorgt.

Es geht über 150 Höhenmeter nach oben auf den ersten Kilometern, und bekomme einen ersten Eindruck, was auf dieser Reise auf uns zukommt, wenn die Hitze anhält. Aber ich halte meinen Rhythmus mit einem mir einigermaßen angenehmen Tempo, auch wenn ich den beiden immer ein bisschen hinterher fahre.

Indianerreservat in Tschechien _UNGLAUBLICH

Indianerreservat in Tschechien _UNGLAUBLICH


Unser Ziel für den heutigen Tag ist Budweis. Unser Freund Oldo hat die Tour durch Tschechien minutiös durchgeplan,t wie mir scheint. Er zeigte uns schon am Morgen die fünf Tagesetappen, die uns an die polnische Grenze führen.

Es ist schön und nach zehn Jahren zum ersten Mal ein völlig neues Gefühl, sich vertrauensvoll in die Führung eines Freundes zu begeben mit dem Wissen, dass gut für uns gesorgt ist. Und schon nach wenig Fahrzeit stellt sich heraus, dass auch die die Tagesetappen zum Glück 120 Kilometer nicht überschreiten. In Anbetracht der wahnsinnigen Hitze eine weise Entscheidung von Oldo.

So kämpfen wir uns weiter und erreichen die Stadt Susice, die sich auf deutsch Schüttenhofen nennt. Ich war einmal in meinem Leben hier und bin überrascht, wie sich diese Gemeinde herausgeputzt hat. Oldo erklärt uns, dass sich hier das Zentrum der Streichholzindustrie befunden hat. Nun wäre natürlich die Produktion nach China verlegt, aber immerhin gibt es für die Touristen ein Streichholzmuseum, das wir allerdings nicht besuchen, sondern weiterreisen.

Wir in Südamerika!

Wir in Südamerika!


So geht es weiter bis nach Budweis (Ceske Budjuvice). Die Altstadt fasziniert uns auf Anhieb. Lauter schöne Häuser, alt sicherlich, aber in vielen fröhlichen Farben seit der Wende herausgeputzt. Wir ziehen es allerdings vor uns gleich zum gebuchten „Hotel“ zu bewegen, um unsere müden Knochen auszuschütteln und lau zu duschen.
Malerisches Budweis 2

Malerisches Budweis 2


Das Zimmer in einem netten Pub ist schon gebucht. Wir schieben unsere Fahrräder durch einen10 Meter langen Gang am Tresen entlang, er so schmal ist, dass wir nicht nur die Bedienungen bei der Arbeit stören, sondern ich auch meine Satteltaschen abnehmen.
Unser neuer jugendlicher Begleiter

Unser neuer jugendlicher Begleiter

muss, um überhaupt durch zu kommen in Richtung Biergarte im Rückgebäude, wo wir unsere Räder parken können. Wir machen uns nach der obligatorischen Dusche auf den Weg in die Altstadt machen um Hunger und Durst zu stillen. Wir treffen uns auch mit dem Sohn von Oldo, ein netter junger Mann namens Martin in Begleitung seiner Freundin Adela. Ich habe Martin das letzte Mal zu Hause bei mir gesehen, als Oldo mich besuchte. Martin war damals sechs Jahre alt. Heute betätigt er sich als Künstleragent und Philosoph in Budweis und verdient sich sein Geld als Freischaffender im Callcenter.
Mit Oldos Sohn und dessen Freundin beim Abendessen

Mit Oldos Sohn und dessen Freundin beim Abendessen


Es gibt für mich einen griechischen Salat mit Knoblauchbrot. Meine Freunde essen Fleisch. Der Wein – angeblich ein Müller-Thurgau – schmeckt dermaßen schlecht, dass mir schon beim ersten Schluck klar ist, dass wir uns in ja in einer berühmten Bierstadt befinden. Ich bestelle dann doch noch ein Bier zum Nachspülen. Leider kein Budvar, aber trotzdem ein schmackhaftes Dunkel.
Malerisches Budweis

Malerisches Budweis


Gegen 23:30 Uhr begeben wir uns rechtschaffen müde in unsere Unterkunft. Der Weg zum ersten Stock ist gepflastert von Bierfässern und einem steilen Anstieg. Aber endlich sind wir oben und fallen in den wohlverdienten Schlaf.

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2.Etappe von Budweis nach Telc

Irgendwie liegt dieses Jahr der Teufel im Detail. Aus technischen Gründen ist es mir bis heute nicht möglich gewesen, mehr Etappen in meinen Blog einzustellen. Aber ab jetzt sollte es jeden Tag mit einem neuen Eintrag klappen. Her also der zweite Tag auf der Strecke von Budweis nach Telc:

Wir finden Ruhe in unserem Dreibettzimmer und können ganz gut ausschlafen. Einzig Krischan beschwert sich bitterlich über die Mosquitos, die ihn während der Nacht

Unsere erste Übernachtung - Bundeswehrstube in Miniatur

Unsere erste Übernachtung – Bundeswehrstube in Miniatur

übermannten, nachdem er das Fenster geöffnet hatte. Oldo freut sich diebisch über seinen Bierkonsum am Vorabend, denn – und jetzt aufgemerkt und der tschechischen Weisheit Gehör geschenkt – Vitamin B, das im Bier in erhöhter Konzentration vorkommt, wird von den Mücken verabscheut.
Wir frühstücken das, was der Hausherr uns in den Kühlschrank gestellt hat: Schinken, Käse, Toast und Joghurt. Dazu ruft Oldo ins Schlafzimmer, was wir uns zum Trinken wünschen. Ich wusste bis dato gar nicht, dass seine hausmännischen Qualitäten so ausgeprägt sind.
Denn es gibt nicht nur Tee, sondern auch Kaffee. Wir nehmen den kulinarischen Morgengruß im Stehen ein. Ein Novum in all den Reisen, wenn ich mich recht erinnere.
Bis dann unsere Räder gepackt und fahrbereit sind, dazu noch mein Bedürfnis nach einer neuen Zahnbürste und unser aller Sehnsucht nach ausreichenden Getränkevorräten gestillt ist, verzögert sich unsere Abfahrt bis kurz vor zehn Uhr.

Unser Weg in Schlafzimmer ist von Bierfässern gepflastert

Unser Weg in Schlafzimmer ist von Bierfässern gepflastert

Als es endlich los geht zeigt die Temperaturanzeige auf unseren Tachos bereits über 35 Grad. Und schon die ersten Meter lassen auf den Kampf schließen, den wir heute zu bestreiten haben. Dazu kommt die Herausforderung eines gleich folgenden Anstieges von über 150 Höhenmeter. Dass wir uns nicht falsch verstehen: das ist keine 150 Meter lange Strecke. Da geht es kilometerweit bergauf. Jeder Baum, der womöglich Schatten spenden könnte, wird förmlich gesucht und unter der Bereitschaft, Umwege zu gehen, schlangenlinienmäßig gierig angefahren. Das sieht so aus, als ob wir schon am frühen Morgen besoffen sind, um jeden schattenspendenden Baum passieren zu können und deshalb die Straße ständig von rechts nach links kreuzen. In diesem Fall kann man uns also eigentlich geradezu als Straßenkreuzer bezeichnen mit dem dazu gehörigen Respekt, den die anderen Verkehrsteilnehmer uns entgegenbringen.

Kulturschock in Budweis

Kulturschock in Budweis

 

Ist das nicht schön! Budweis im Centrum

Ist das nicht schön! Budweis im Centrum

 

 

 

 

 

Da ich ausgeschlafen bin, macht mir das noch gar nicht so viel aus. Ich mag auch gerne Anstiege fahren. Sie fordern mich, trainieren mich und die Welt ist doch so gebaut, dass es irgendwann auch wieder bergab gehen muss. Und der Anstieg beinhaltet bereits die

Wenig essen, viel trinken. Die morgendlichen Vorbereitungen in Budweis auf die bevorstehende Hitzeschlacht

Wenig essen, viel trinken. Die morgendlichen Vorbereitungen in Budweis auf die bevorstehende Hitzeschlacht

Vorfreude auf die Abfahrt. Vor mir höre ich auf einer großen Wiese mit Kühen wildes Muhen. Es stellt sich heraus, dass meine euphorisierten Freunde in regen Kontakt mit den widerkäuenden Geschöpfen treten und ihnen ihre eigene Lebenslust und Freude an der Bewegung versuchen zu vermitteln. Deren Antwort-Muhen lässt darauf schließen, dass sie es bevorzugen, gemütlich weiter zu kauen und gar nicht daran zu denken, sich in irgendwelche körperlichen Anstrengungen zu begegnen. Möglicherweise werden wir sie im Laufe des Tages noch um ihren ruhigen Lebenswandel beneiden.
Denn: eins ist klar, und wird vom landeskundigen Oldo unterstrichen: wer sich entscheidet in Tschechien Fahrrad zu fahren, kommt definitiv um Berge nicht herum.
Gegen Mittag kommen wir nach Trebon. Wie sich herausstellt, eine wunderschöne Stadt, in dessen Stadtkern gerade Markt ist.

Eine wundervolle Stadt nach der anderen - hier Trebon

Eine wundervolle Stadt nach der anderen – hier Trebon

Ich bitte euch uns gerne zu schreiben, ob ihr den Film auch abspielen könnt zu Hause und ob es also Sinn macht, das mal zu wiederholen!) Wir verbleiben ein wenig dort, weil uns die Hitze schon sehr zu schaffen macht und Pausen immer gut tun.
Ich kaufe mir ein Eis, danach habe ich Lust auf etwas Saures. Ich hole mir Chips im Supermarkt, als ich mit Oldo Wasser für unsere Tanks kaufe. Die Menschen um uns herum wirken irgendwie statisch bei dieser Hitze bewegt man sich nur, um das Notwendigste zu verrichten. Selbst die beiden Kollegen, an deren Stand wie unsere Räder geparkt haben, ein Pärchen, das eine am Grill hergestellte trebonische Köstlichkeit

Jakub Krecin, der Erfinder der gleichnamigen Teiche im  südlichen Böhmen

Jakub Krecin, der Erfinder der gleichnamigen Teiche im südlichen Böhmen

verkauft, hat sich auf den Boden gesetzt, da sowieso kaum einer an dem heißen Gebäck Interesse zeigt. Aber immerhin gibt es in der Umgebung von Trebon viele kleine Seen, zu denen sich mutige Fahrradfahrer und Fußgänger hinbewegen, um sich vom Wasser ein wenig Kühlung zu holen.
Für uns ist es wirklich sehr schwer um 13 Uhr in der größten Hitze sich wieder auf die Räder zu schwingen. Aber wir haben ja Ziele. Es geht zunächst in relativ flacher Landschaft weiter, was bei 40 Grad im Schatten sich doch angenehm anfühlt. Aber es ändert sich bald. Unser von Oldo ausgegebenes Ziel für heute Abend ist Telc (sprich „teltsch), UNESCO Kulturerbe. Und ich bin gespannt, was wir dort zu sehen bekommen.
Aber vorher haben die Götter bekanntlich noch den Schweiß gesetzt. Mein Wasserverbrauch liegt ziemlich genau bei 2,0 Litern auf 40 Kilometer, was einem durchschnittlichen Verbrauch von 6 Litern auf 100 Kilometern entspricht. Es ist eine richtige Tor-Tour, die wie uns da aufgeladen haben.
Aber wir feuern uns gegenseitig an und die Aussicht, schon gegen 18 Uhr am Zielort zu sein, motiviert dann doch.

Fahren im Einklang

Fahren im Einklang

Da ich fast immer der Letzte in der Reihe bin, fällt mir plötzlich auf, dass Christian mitten während eines steilen Anstieges vom Rad abgestiegen ist. Da mache ich mir ein wenig Sorgen. Niemals würde er so etwas freiwillig tun. Da scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Sein geliebter Einkaufskorb, der seit Jahren auf unseren Reisen sein Gepäck befördert und seinen Gepäckträger ziert, ist im vom Träger gerutscht, weil sich Schrauben am Trägersystem des Fahrrades gelöst haben.

Eine gute Idee kaltes Wasser auf den Straßen von Trebon. Ich würde am liebsten den Tag hinter dem LKW herfahren

Eine gute Idee kaltes Wasser auf den Straßen von Trebon. Ich würde am liebsten den Tag hinter dem LKW herfahren

Ich stoppe, und während ich das Fahrrad halte versucht Krischan, seinen losen Einkaufskorb irgendwie provisorisch wieder am Rad zu befestigen. Leider kann er damit nicht mehr alles transportieren. Also nehme ich seinen 5 Kilo schweren Seesack noch auf mein Rad und verfluche alsdann den Tag, als ich meine erste Radreise vor zehn Jahren nicht nur beschlossen sondern auch umgesetzt habe.
Denn es folgen zwei Anhöhen mit zwölf Prozent. Ich versuche alles, um mein eigenes, und das nun höhere Gewicht auf meinem Gepäckträger nach oben zu bringen. Vergeblich. Und steige schließlich erschöpft vom Rad, um dieses zu schieben. Christian fährt zügig an mir vorbei. Am Ende erreichen wir Telc gemeinsam. Am Ortseingang erwartet uns bereits Oldo, der die ganze Zeit vorausfuhr und nichts von der Panne wusste.

Die Grabstätte der adligen tschechischen Familie Schwarzenberg

Die Grabstätte der adligen tschechischen Familie Schwarzenberg

Auch in Telc sorgt sich Oldo rührend um uns, findet sofort eine extrem günstige Unterkunft. Obwohl Telc Stadt des UNESCO Kulturerbes ist, sind die Zimmer sehr günstig. Jeder von uns bezahlt 13,- € ohne Frühstück. Am heutigen Tag fände noch ein Musikfestival statt, teilt uns unsere Vermieterin noch geflissentlich mit, ohne den Stolz auf ihre Stadt zu verbergen.
Sie ist sehr bemüht um uns und es stört sie auch gar nicht, dass immer wieder der eine oder andere von uns abwechselnd und praktisch nackt an ihr vorbeiläuft, um ganz schnell unter die Dusche zu kommen, um den Schweiß und das Salz vom heutigen Tag von der Haut zu spülen.
Wir sind hungrig und durstig, freuen uns nach über 100 Kilometern unter sengender Sonne auf das wohlverdiente kühle Bier und etwas zu essen.

Es kann sein, dass die Muskeln wirklich immer noch nicht warm sind.

Es kann sein, dass die Muskeln wirklich immer noch nicht warm sind.

Bei immer noch nicht gerade frostigen Temperaturen um die 30 Grad finden wir einen kleinen Biergarten im Innenhof einer Scheune, der mich an die österreichischen Heurigen erinnert.
Wir essen gut, trinken gerne und genießen die gemütliche Atmosphäre dort, lassen den Tag in ernsten und lustigen Gesprächen ausklingen. Auch der morgige Reisetag ist Thema. Bei der Hitze, wäre es toll, mal früh los zu kommen, um so lange wie möglich bei einigermaßen erträglichen Temperaturen unterwegs sein zu können. Unser kommendes Ziel heißt Brno, zu deutsch: Brünn.

Unser Zielort heute - Telc

Unser Zielort heute – Telc

Gegen 24:00 liegen wir in der Falle. Christian stellt sich denn Wecker auf 07:30 Uhr Mal sehen, ob es klappt mit dem frühen Abreisen.
Für die Statistikfans unter euch gebe ich euch am Ende der Etappenbeschreibung ein paar Tourdaten durch. Das habe ich gestern vergessen und hole ich hiermit nach:

1. Etappe: reine Fahrzeit: 6:15:18 h
Strecke: 120,11 km
Höhenmeter: 1143 m
2.Etappe: reine Fahrzeit: 6:11:55 h
Strecke: 115,66 km
Höhenmeter: 997 m

Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt immer bei ca. 19 Km/Stunde incl. aller Langsamfahrten durch Ortschaft über Kopfsteinpflaster, etc.

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3. Etappe von Telc nach Brünn

Eigentlich wollen wir schon früh raus. Wegen der zu erwartenden irren Hitze wäre es sinnvoll früh loszufahren und mittags eine längere Pause zu machen. In unserer Unterkunft gibt es kein Frühstück. Ein Hotel wurde uns bereits gestern empfohlen, wo es ein günstiges Büffet geben soll. Der Handy-Wecker von Christian reißt mich aus dem

Wenig essen, viel trinken. Die morgendlichen Vorbereitungen auf die bevorstehende Hitzeschlacht. Wir erwarten übe 40 Grad heute.

Wenig essen, viel trinken. Die morgendlichen Vorbereitungen auf die bevorstehende Hitzeschlacht. Wir erwarten über 40 Grad heute.

Schlaf. Gespannt warte ich ab, wie Christian darauf reagiert. Wir haben uns ein 140 x 200 Bett geteilt, ohne uns während der Nacht in die Quere zu kommen. Das sind wir schließlich wie ein altes Ehepaar gewöhnt, die Marotten des anderen auch in nächster körperlicher Nähe zu akzeptieren.

Krischan stellt den Wecker ab, und da ich mich noch sehr müde fühle, reagiere ich nicht. Aber es hilft ja nichts:  10 Minuten später, nach dem zweiten Klingeln springt Krischan auf. Zwei Minuten später steht auch schon Oldo im Zimmer. Er wirkt etwas fahrig, und klärt uns auch gleich auf, warum das so ist. Unsere englischsprachige Hauswirtin hat uns schon bei unserer Ankunft am Vorabend darüber informiert, dass sie einen netten Golden Retriever im Haus hat, dazu zwei Katzen und einen Kater namens Omar Sharif. Und dass wir durchaus damit rechnen könnten, von den Katzen während der Nacht heimgesucht zu werden.

Unsere Verandatüre zum Hof stand die ganze Nacht über sperrangelweit offen. Ich habe in einer Kurzunterbrechung meines Schlafes schon mal kurz daran gedacht, wo die Katzen

Abfahrt am Morgen in Telc.

Abfahrt am Morgen in Telc.

wohl sind, und ob sie noch kommen werden. Unser Zimmer liegt zum Innenhof des Anwesens, da wäre es nur natürlich, dass die Tiere des nächtens das Gebiet durchstreifen.  Aber ich habe mir weiter keine Sorgen gemacht und weiter geschlafen.

Mit Recht. Denn Omar Sharif gelangte durch das offene Fenster in das Zimmer, in dem Oldo vergeblich versuchte, Schlaf zu finden. Oldo sperrte ihn aus dem Zimmer in den Gang. Da gab es für den Kater kein Entkommen mehr. Und das gab er Oldo zwei Stunden lang durch intensives Jammern,  Kratzen und Miauen an seiner Schlafzimmertüre zu verstehen. Oldo traute sich jedoch aufgrund der Hauswirtin nicht, das Tier nach draußen auf die Straße zu setzen.

Wir packen also unsere Siebensachen und begeben uns zum empfohlenen Frühstückshotel. Das erinnert uns in Aufmachung und Verhalten des Personals stark an die sozialistischen Zeiten in der CSSR. Schlurfenden Schrittes bewältigt ein Kellner das Notwendigste, um ein

Furchterregender Anblick, aber die Art der Tschechen Silos zu bauen.

Furchterregender Anblick, aber die Art der Tschechen Silos zu bauen.

paar wenige Gäste mit Essen und Getränken zu versorgen. Dazwischen verschwindet er immer wieder lange in den Katakomben des Hotels und muss einmal von Christian gesucht werden, um ein Gericht á la carte bestellen zu können. Fast widerwillig, aber doch mit einer schwer bemühten Freundlichkeit verrichtet er seine Arbeit und  es wundert uns nicht, dass sich so wenige Gäste in dem großen Saal verlieren. Oldo meint, dass immer noch viele in dem sozialistischen System verhangen sind wir uns in einer Servicewüste befänden. Naja, Wüstenklima haben wir sowieso auch an diesem Morgen schon wieder.

Schlechtes und unmotiviertes Personal gibt es in vielen Firmen und in allen Ländern, egal welchen politischen Systemen sie sich verschreiben. Finde ich auf jeden Fall.

Immerhin also: das Frühstück ist genießbar und reichlich. Wir laden unsere Bäuche voll. Der Wetterbericht sagt nämlich: es wird immer heißer und wir werden all unsere Kräfte benötigen, um heute Abend Brünn, das laut Oldos Fahrradkarte, die er perfekt ausgearbeitet und zusammengestellt hat, gut 100 Kilometer entfernt scheint, zu erreichen.

Es geht sofort bergauf und da es schon wieder 10 Uhr morgens ist, bis wir starten, ist es bereits über 30 Grad heiß. Ich bin mir einer den ganzen Tag über fortwährenden Leidenszeit bewusst. Und wirklich: es ist hart. Wie schon gestern und vorgestern versuche ich Methoden zu entwickeln, wie ich über den Geist schaffe, mich von der Anstrengung abzulenken. Das ist zum einen das Thema Sex: hilft, ist aber zu wenig ergiebig über die Dauer der Tortour. Natürlich es auch toll immer wieder die Augen auf die Landschaften rings umher zu richten.

Anfahrt nach Trebic - Stadt des UNESCO Weltkulturerbes

Anfahrt nach Trebic – Stadt des UNESCO Weltkulturerbes

Tschechien und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, ist ein tolles Land und mich wundert es, dass es außer in den Städten touristisch  so wenig erschlossen ist. Da sind die Berge, die vielen Seen, in denen wir allerdings niemanden baden sehen. Grüne Wälder, herrliche Alleen, die wir durchfahren dürfen. Hier komme ich zu einem zweiten Zeitvertreib, der die Qualen ein wenig lindern soll. Ich beginne die Streckenabschnitte statistisch zu erfassen, die durch schattenspendende Objekte am Straßenrand gekennzeichnet sind. Dort hat es statt den über 40 Grad in der Sonne, geradezu kühlende 38 Grad und wir lechzen nach solchen Intervallen. Denn wie gesagt: die Anstiege sind heftig, die Straßen schlecht, daher ist bei den Abfahrten höchste Konzentration erforderlich. Nicht, dass einem von uns ein riesiges Schlagloch bei einer Geschwindigkeit von über 50 kmh zum Verhängnis wird.

So merke ich mir nun die Längen der Schatten und addiere sie. Vielleicht ist es auch schon eine Auswirkung beginnender Dehydration, vielleicht wirklich nur eine psychologische Selbstmaßnahme – ich weiß es nicht.

Entweder wollen die Tschechen noch in den Weltraum, oder ist es das Unvollendete von Hundertwasser

Entweder wollen die Tschechen noch in den Weltraum, oder ist es das Unvollendete von Hundertwasser

Ich weiß nur, dass ein Telefonmast eine Schattenlänge von durchschnittlich 15 Zentimeter misst, die in einer Zeit von 15 Hundertstel Sekunden dankbar durchfahren wird. Insgesamt, das kann ich jetzt schon festhalten, dürfen wir an diesem Radeltag genau 35.769 Meter im Schatten fahren.

Nach 36 Kilometern erreichen wir gegen 12:30 h schon recht ausgedampft und ausgepumpt die UNESCO-Welterbe Stadt Trebic. Zunächst geht es nur darum, einen schattigen Platz zum Pausieren zu finden. Dies gelingt uns zum Glück gleich, direkt an einem Restaurant, das uns mit einer „kühlen“ Terrasse einlädt, die verkrampften Muskeln ruhen zu lassen.

Ich habe eigentlich keinen Hunger, bestelle mir Mineralwasser und schließlich noch einen Gurkensalat, von dem ich mir erstens verspreche, dass die Scheiben aus dem Kühlschrank kommen und dass er von der hübschen Bedienung serviert wird, die uns bei unserer Ankunft die Speisekarten ausgehändigt hat. Ich werde zweimal enttäuscht. Ein nicht sonderlich aufregender Kellner

Altar der Basilika von Trebic.

Altar der Basilika von Trebic.

stellt mir die  Gurken auf den Tisch, die in eine kleine Schüssel gerieben sind. Eine Geschmacksprobe ergibt, dass die dazugehörigen Gurken wohl den kompletten Vormittag über ein Sonnenbad genommen haben, so warm war die Brühe. Aber immerhin was Gesundes für den Körper.

Da die Umgebung nicht so berauschend wirkt, wie es ein Weltkulturerbe zu sein verspricht, fragen wir nach den Sehenswürdigkeiten und werden in einen anderen Teil der Stadt geschickt. Natürlich geht es zur Basilika bergauf. Aber der Klosterhof mit seiner schattenspendenden Linde, und vor allem der klimatisierte Infopoint ziehen uns magisch an. Ich überlege bereits, ohne die Dame hinter dem Tresen einer genaueren Betrachtung zu  unterziehen, ob ich sie heiraten werde. Natürlich reine Überlebensstrategie. Ich müsste diesen Raum dann vielleicht nie wieder verlassen. Aber da wir nicht alle diese eine Frau ehelichen können, überreden mich die anderen, weiter mit ihnen zu fahren.

Basilika in Trebic

Basilika in Trebic

Ich stimme schließlich unter großem Wehklagen zu, und fordere, morgen bereits um 6 Uhr früh abzufahren und mittags in ein Schwimmbad gehen zu dürfen. Die anderen stimmen zu. Ich weiß, dass wir alle wissen, dass hier der Wunsch der Vater des Gedanken ist, aber es hilft mir mich aufzuraffen.

Wir fahren wieder bergab und begeben uns in das jüdische Viertel der Stadt Trebic. Es ist malerisch am Rande eines Flusses gelegen und eine Synagoge ziert das Ende der Straße. Wir machen ein paar Fotos und bitten eine Passantin ein Gruppenbild von uns zu schießen.

Gruppenbild von Dame gemacht.

Gruppenbild von Dame gemacht.

Dann sind unsere Muskeln wieder gefordert und wir beginnen die Nachmittagsetappe nach Brünn. Ca. alle 40 Kilometer muss ich meine Wasserblase an einer „Tankstelle“ auffüllen. Panik überfällt mich, als mir einfällt, dass heute Sonntag ist, die Temperaturen noch weiter steigen und möglicherweise die Geschäfte geschlossen haben. Und wir elendig verdursten. Ich sehe schon Geier über einen verlassenen Streckenabschnitt einer tschechischen Landstraße kreisen, in froher Erwartung ein köstliches und reichliches Sonntagsmahl einnehmen zu dürfen.

Synagoge im jüdischen Viertel in Trebic.

Synagoge im jüdischen Viertel in Trebic.

20 Kilometer vor Brünn ist der letzte Tankstop an einem Penny-Markt. Der ist klimatisiert und ich überlege ernsthaft, ob ich einen der Mitarbeiter als Geisel nehme,  nur um ein paar Tage in dem Gebäude bleiben zu können.

Der Hinweis meiner Freunde, dass der darauffolgende Aufenthalt in möglicherweise nicht-klimatisierten tschechischen Gefängniszellen ungleich länger dauern wird, hilft mir auch dieses Mal, den Weg der Tugend nicht zu verlassen.

Das jüdische Viertel in Trebic.

Das jüdische Viertel in Trebic.

Und wir schaffen es wirklich nach Brünn, die mit ihren wohl 400.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Tschechiens. Die mährische Stadt erfreut uns entgegen aller oldonischen Voraussagen einer uninteressanten Industriestadt mit einer wundervollen Altstadt, gepflastert mit herausgeputzten Gebäuden verschiedener Jahrhunderte.

Ein Springbrunnen mitten in Brünn erregt meine Aufmerksamkeit und ich kühle meine heißen Backen, während Oldo schon los düst, um sich nach einer Unterkunft umzusehen. Dies gelingt ihm auch gleich.

Mitten in der Altstadt ein Hotel mit eigener Brauerei und Restaurant dazu. Wir dürfen unsere Räder in den ersten Stock, in dem sich auch die Rezeption befindet, über eine Wendeltreppe nach oben tragen und dort in einem kleinen Abstellraum parken. Die nette Dame an der Rezeption bejaht auch die Frage nach einer Waschmöglichkeit für unsere Klamotten.

Impressionen aus Brünn 1

Impressionen aus Brünn 1

Wir sollten die Wäsche ihr geben und sie würde sie bis  morgen waschen und trocknen. Wir betreten das großzügige 3-Bett-Zimmer und raffen unsere verschwitzten Kleidungsstücke in einen großen Plastiksack. Ich beneide die Dame nicht, aber sie will es wohl so.

Wir duschen uns schnell und um 20 Uhr sitzen wir unten in der Gaststätte und probieren das hauseigene Radler. Ich habe schon bessere getrunken. Auch das

Kunst in Brünn

Kunst in Brünn

Essen könnte schmackhafter sein. Mein Riso mit Karotten und Käse fühlt sich ein wenig zu pampig an. Wir ratschen, lassen den Tag noch einmal vorüberziehen und wechseln dann noch in ein Straßenrestaurant. Auch gegen 23 Uhr hat es immer noch fast 30 Grad. Heute sind laut Oldo, der immer mal wieder Wetterberichte und Nachrichten aus dem Internet kundtut, an 84 tschechischen Wetter-Messstellen die Temperaturrekorde gefallen.

Mir graut deshalb schon vor unserer nächsten Tagesetappe nach Ölmütz, die wir selbstverständlich wieder viel früher als 10 beginnen wollen. Am besten schon um 8 Uhr. Na, wir werden sehen.

entspannter Freund am Abend nach der Etappe.

entspannter Freund am Abend nach der Etappe.

weiterer entspannter Freund.

weiterer entspannter Freund.

Impressionen aus Brünn 2

Impressionen aus Brünn 2

Die Statistik zum Schluss:

3. Etappe:           reine Fahrzeit:05:44:53 Std

                               Strecke:               104,21 Kilometer

                               Höhenmeter:    1024     

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4.Etappe von Brünn nach Olmütz

Dass Oldo eine tolle Route für uns ausgesucht hat, darin besteht überhaupt kein Zweifel mehr. Tschechien ist wunderschön, egal ob in Böhmen oder Mähren. Schade eigentlich, dass er noch nie in Polen war. Denn da können wir uns dann nicht mehr so angenehm zurücklehnen, was die Planung der Fahrt betrifft.

Das Restaurant im Ergeschoss des Hotels in Brünn mit eigener Brauerei. Die Braukessel sind im hinter der Theke sichtbar.

Das Restaurant im Ergeschoss des Hotels in Brünn mit eigener Brauerei. Die Braukessel sind im hinter der Theke sichtbar.

Nur das Wetter hätte er anders bestellen sollen. Wir sind schon frustriert über die hohen Temperaturen. Es ist wirklich unbarmherzig heiß und es war bis jetzt jeden Tag noch ein bisschen wärmer als am Tag zuvor. Der Wetterbericht sagt, dass es ab dem Dienstag kühler werden soll. Jeden der vergangenen Tage hatten wir uns vorgenommen früher aufzustehen, um noch die etwas angenehmeren Temperaturen des Morgens zu nutzen. Und jeden Tag waren wir GENAU in den Tagesstunden unterwegs, wo es am heißesten war: zwischen 10 Uhr und 18 Uhr. Nicht mal am Abend kühlt es ab. Es ist und bleibt heiß.

Wir befinden uns auf geschichtlichem Terrain_hier fand die berühmte Schlacht von Austerlitz statt, die Napoleon noch attraktiver machte.

Wir befinden uns auf geschichtlichem Terrain_hier fand die berühmte Schlacht von Austerlitz statt, die Napoleon noch attraktiver machte.

In den Nachrichten im tschechischen Internet wird von fünf bis sieben Verrückten berichtet, die als einzige im ganzen Land tagsüber mit dem Fahrrad unterwegs sein sollen. Drei davon sind wir.

Doch heute stehen wir wenigstens schon mal früher auf, begeben uns in den kleinen aber feinen Frühstücksaal unseres nicht ganz so billigen Hotels. Wir bezahlen fast 40,- € pro Person und Nacht. Aber das Frühstück entspricht der Qualität und dem Preis des Hotels. Es gibt alles was das Herz begehrt: von Wurst über Käse, köstliches Brot, Müsli, Joghurt und verschiedene kalte und heiße Getränke. Wir frühstücken ausführlich. Danach holen wir an der Rezeption

Die Amis sind immer und überall - Freiheit für Tschechien.

Die Amis sind immer und überall – Freiheit für Tschechien.

unsere frisch gewaschene Wäsche ab. Dieselbe Dame wie am Abend zuvor überreicht sie uns in drei blütenweißen frischen Plastiktüten. Das ist wirklich sehr aufmerksam und kostet nicht einmal etwas.

Kurz nach acht Uhr morgens sitzen wir auf den Rädern und orientieren uns gen Osten und in Richtung Olmütz. Oldo erklärt uns, dass ein Freund von ihm zurzeit in Olmütz seinen Urlaub mit der Familie verbringt, und dass wir uns wohl  am Abend treffen werden. Aber zuvor müssen wir strampeln. Christian hat sehr dünne Reifen aufgezogen um besonders rasch vorankommen zu können. Auf diesem Trip jammert er nun schon seit Tagen, dass der Teer so weich ist, dass er immer wieder ein bisschen darin stecken bleibt bzw. ins Schlingern kommt.

Dieses Problem habe ich nicht, aber schon nach zwei Stunden ist der Asphalt so heiß, dass mit dem Wind aus Osten er immer wieder die Hitze auf mich zurückwirft. Es scheint fast

Landschaft in Mähren.

Landschaft in Mähren.

nicht machbar zu sein, hier eine solche sportliche Leistung abzurufen. Aber mit geistiger Arbeit, Meditation, geht es doch immer weiter. Der Glaube, dass es ab morgen kühler werden könnte, hilft noch dazu.

Und fast am Ende dieser Tortur kommt mir der Gedanke zur gegenwärtigen Diskussion und ich fände  es durchaus überlegenswert, die Fussballweltmeisterschaft 2022 in Katar doch im Sommer auszutragen. Das schaffen Sportprofis locker, bei 50 Grad guten Fussball zu spielen. Es ist, wie gesagt, lediglich eine Frage der Einstellung. Warum sollen wir

Wunderschöne Städte in Mähren - hier Vyskov.

Wunderschöne Städte in Mähren – hier Vyskov.

Sportinteressierte uns dann beim Public Viewing im winterlichen Deutschland in engen Kneipen drängen. Also gut bezahlte Fussballjungs: reißt euch zusammen für uns und spielt im Sommer für uns!!

Für uns geht der Kampf weiter. Gegen Mittag sind die Tanks wieder leer getrunken. Wie afrikanische Wasserbüffel sehnen wir uns nach der nächsten Tränke. Endlich kommen wir ausgepumpt in dem hübschen Städtchen Prostejov an. Endlich finden wir ein kleines Straßencafé, wo bereits eine Gruppe Jugendlicher und eine kleine Familie sitzen und sich Eis schleckend unterhalten. Wir gesellen uns dazu. Obwohl ich seit dem Frühstück vor über fünf Stunden nichts gegessen habe, verspüre ich weder Hunger noch Appetit auf irgendetwas zu essen. Ich bestelle mir also gleich Mineralwasser und weil die Flasche so klein ist, die die hübsche dunkelhaarige Bedienung mir bringt, gleich noch ein zweite und eine Tasse heißen grünen Tee dazu. Oldo schleckt zufrieden ein großes Eis.

Hauptplatz von Olmütz

Hauptplatz von Olmütz

Wir wollen weiter, aber sind so froh, ein paar Augenblicke der Hitze ein wenig ausweichen zu können, dass wir uns schwer aufraffen können, die Räder wieder zu besteigen. Der einzige Trost für uns: es müsste eigentlich die kürzeste Etappe bisher sein. Und wirklich: nach der Mittagspause kommen wir gut voran. Und schon gegen 15:00 h fahren wir in Olmütz ein, finden gleich den wundervollen Hauptplatz.

Ein wirklich schönes Gefühl ist das, mit guten Freunden ein gemeinsames Ziel erreicht zu

So sehen echte Kämpfer aus. Seit 4 Tagen Temperaturen um die 40 Grad im Schatten hinterlassen deutliche Spuren. Spenden für die Genesung nehmen wir gerne entgegen.

So sehen echte Kämpfer aus. Seit 4 Tagen Temperaturen um die 40 Grad im Schatten hinterlassen deutliche Spuren. Spenden für die Genesung nehmen wir gerne entgegen.

haben. Jeder hat irgendeinen komischen Spruch auf Lager und wir lachen herzhaft, als wir uns unter den schattigen Arkaden vor der Touristeninfo einfinden.

Unser Experte für slawische Sprachen erkundigt sich nach der Adresse des Hotels, das der Freund von Oldo bereits für uns reserviert hat. Wir stehen in dem klimatisierten Raum und ich bitte Oldo auch noch fragen, ob es ein Schwimmbad gibt. Zu meiner unbändigen Freude stellt sich heraus, dass Hotel und Aquapark nur zwei Radminuten auseinander liegen.

So schnell war ich in den vergangenen Tagen nicht auf dem Velo. Wir schlängeln uns durch die Altstadt und finden auf Anhieb den richtigen Weg. Vorbei am Hallen- und Freibad sowie am schmucken Stadion des tschechischen Erstligisten Sigma Olmütz zu unserem Hotel Garni, dass sich direkt hinter dem Stadion befindet.

Zuerst meint Oldo, nachdem er mit der freundlichen Dame an der Rezeption gesprochen

Blick auf die Altstadt von Olmütz 1

Blick auf die Altstadt von Olmütz 1

hat, dass wir die Räder ins Zimmer mit hinauf nehmen sollten. Ich frage: „in welches Stockwerk?“. Darauf meint Oldo: „in das Vierte“! Ich weigere mich spontan, und es begibt sich zum Glück sowieso so, dass nicht einmal ein Rad mit Besitzer in den Lift passt. Worauf die Kollegin an der Rezeption plötzlich einen Raum im Eingangsbereich aufschließt und wir die Räder ebenerdig einparken können.

Wir halten uns nur kurz im Hotel auf, checken das Zimmer und bewegen uns hurtig zum Schwimmbad. Im Freibad ist der Teufel los. Ich begebe mich in das  angrenzende Hallenbad, das ein richtiges Schwimmstadion ist, ausgestattet mit einer 50 Meter Bahn. Das Wasser ist mit seinen 27 Grad eigentlich warm, aber ich empfinde es wohltuend

Blick auf die Altstadt von Olmütz 2

Blick auf die Altstadt von Olmütz 2

erfrischend, als ich meinen geschundenen Körper ins Nass tauche. Es tut gut, einige Bahnen zu schwimmen, andere Muskeln anzuspannen, wieder andere zu entlasten.

Ich weiß ja nicht, ob ich unter Sehstörungen leide, aber als Christian in einiger Entfernung ins Wasser steigt und sich suchend nach Oldo und mir umblickt, sieht er aus wie der von  mir geschätzte Schauspieler Mathias Brand, ein Sohn von Willy Brand.

Um 17:30 Uhr ist das Badevergnügen auch schon wieder vorbei, denn wir haben eine Verabredung mit Petr, einem Freund von Oldo und dessen Familie. Wir treffen uns an einer Säule in der Altstadt mit Petr und gehen um zwei Blöcke, wo sich ein nettes Restaurace befindet, in dem Petrs Frau Marcella und sein Tomas schon auf uns warten.

Der Altstadtplan von Olmütz in Bronze auf dem tollen Hauptplatz.

Der Altstadtplan von Olmütz in Bronze auf dem tollen Hauptplatz.

Wir speisen vorzüglich, meine Kollegen wie immer Fleisch. Ich bestelle mir ein Portion Spaghetti mit Knoblauch und Peperoncino. Schmeckt lecker und füllt den leeren Kohlehydratspeicher wieder auf. Dazu ein bekömmliches Radler oder zwei.  Petr lebt in Neratovice, dem Heimatort von Oldo.  Vor fast 30 Jahren haben sich die beiden auf der Universität kennengelernt, als sie Maschinenbau in Prag studierten. Petr spricht hervorragend deutsch, er arbeitet für die Firma Siemens. Marcella kümmert sich um die gemeinsamen Kinder Tomas und die 19-jährige Tochter Verunka.

Endlich Kühlung im Schwimmbad von Olmütz - eine 50 Meter-Bahn zum entspannen der gestreßten Muskeln.

Endlich Kühlung im Schwimmbad von Olmütz – eine 50 Meter-Bahn zum entspannen der gestreßten Muskeln.

Es ist mittlerweile sehr schwül geworden und die Nachrichten aus Prag, die Oldo über sein Smartphone empfängt, sagen, dass eine Gewitterfront Tschechien überfällt, die sich von West nach Ost bewegt.

Es bleibt aber während des gesamten Abendessens sehr schwül, lediglich der Himmel wird von Wolken überzogen. Erst gegen 23 Uhr, als wir sowieso aufbrechen wollen, kommt Wind auf und es wird ein wenig kühler. Der für die Natur dringend erforderliche Regen will aber (noch) nicht

Oldo mit seinem Feund Petr

Oldo mit seinem Feund Petr

fallen.

Der Versuch, in der Nacht noch das W-Lan des Hotels zu nutzen schlägt wieder einmal fehl. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Netz oder mit meinem neuen Tablet. Das stresst mich schon sehr, habe ich doch meinen Lesern versprochen, jeden oder spätestens jeden zweiten Tag eine Etappe Lesestoff bereit zu stellen.

Marcella und Tomas

Marcella und Tomas

Müde fallen wir gegen 23:30 Uhr ins Bett. Da die morgige Etappe nach Polen nicht mehr durchstrukturiert ist und der Weg nach Krakau noch recht weit erscheint, legen wir fest, dass wir gegen 7 Uhr aufstehen.

Die Kunstuhr von Olomouce = Ölmütz

Die Kunstuhr von Olomouce = Ölmütz

Die Statistik:

4.Etappe:            reine Fahrzeit:    05:01:43 Stunden

                               Strecke:               90,07 Km

                               Höhenmeter:    819        

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